Besuch des türkischen Ministerpräsidenten Erdogan will mehr Hilfe von Deutschland
04.02.2014, 15:32 Uhr
Die Türkei will in die EU - das macht Ministerpräsident Erdogan bei seinem Besuch in Berlin unmissverständlich deutlich. Kanzlerin Merkel zeigt sich bei diesem Thema unbeeindruckt. Das wird anders, als die Sprache auf Syrien kommt.

Die Türkei braucht die EU, die EU aber auch die Türkei, versuchte der türkische Ministerpräsident Erdogan Kanzlerin Merkel zu überzeugen - doch die reagierte zurückhaltend.
(Foto: REUTERS)
Eines wird gleich zu Beginn seines Besuches deutlich: Als Bittsteller ist der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan nicht nach Deutschland gekommen. Selbstbewusst verlangt er von Kanzlerin Angela Merkel eine stärkere Unterstützung bei den stockenden EU-Beitrittsverhandlungen. "Es wird unmöglich sein, das 21. Jahrhundert ohne die Türkei zu gestalten", sagte er vor einem Treffen mit Merkel in einem Vortrag in Berlin. "Wir wünschen uns, dass sich Deutschland noch stärker einsetzt als bisher." Die Türkei werde im Gegenzug ihre Reformpolitik fortsetzen.
Die Kanzlerin ließ sich von den lauten Tönen allerdings nicht beeindrucken. Die schwarz-rote Bundesregierung sehe die Beitrittsverhandlungen als einen ergebnisoffenen Prozess, sagte Merkel nach dem Treffen in der gemeinsamen Pressekonferenz. Deutschland sei dafür, dass das Verhandlungskapitel zur Regionalpolitik intensiv behandelt werde. Es sei zudem vorstellbar, dass die Rechtskapitel bald geöffnet werden können. "Es ist aber kein Geheimnis, dass ich einer Vollmitgliedschaft skeptisch gegenüberstehe", schränkte die Kanzlerin ein. Sie bevorzugt das Modell einer privilegierten Partnerschaft für Ankara.
Verhandlungen mit Türkei seit 2005
Die Türkei ist seit 1999 EU-Beitrittskandidat. Sechs Jahre später begannen die Verhandlungen. Zuletzt hatte allerdings das Vorgehen der türkischen Regierung gegen Polizei und Justiz Kritik der EU hervorgerufen. Hunderte Polizisten und Staatsanwälte, die wegen Korruptionsvorwürfen gegen regierungsnahe Kreise ermittelt hatten, waren zwangsversetzt worden. Erdogan verteidigte dies als Schutz vor einem Angriff auf die politische Stabilität.
Auch bei der Pressekonferenz mit Merkel trat Erdogan selbstbewusst auf. Dafür zählte er die Vorzüge seines Landes auf: Die türkische Wirtschaft sei stetig gewachsen, das nationale Einkommen und die Exporte hätten sich vervielfacht, die Arbeitslosigkeit sei zurückgegangen. Das Land habe fast 77 Millionen Einwohner. Auch in der Außenpolitik könnte die Türkei als EU-Mitglied hilfreich sein, wie aus seinen Äußerungen hervor ging. Die Beziehungen der Türkei zu Nordafrika und zum Balkan könnten die Chancen auf Frieden und Stabilität in diesen Regionen erhöhen, sagte er. Auch in Zentralasien oder auf dem Balkan könne die Türkei als Vermittler eine positive Rolle spielen.
Erdogan spricht von guten Beziehungen
Deutschland und die Türkei verbinde eine enge Partnerschaft, betonte Erdogan. Es gebe rege Handelsbeziehungen. Rund fünf Millionen Deutsche machten jedes Jahr Urlaub in der Türkei, viele hätten sich auch ganz dort niedergelassen. In Deutschland wiederum gebe es drei Millionen Bürger türkischer Herkunft, die fester Bestandteil der Gesellschaft seien. Etwa die Hälfte von ihnen kann an der türkischen Präsidentschaftswahl im Sommer teilnehmen, bei der Erdogan möglicherweise kandidieren wird.
Ein heikles Thema sind die Unruhen und die Korruptionsaffäre in der Türkei. Der Ministerpräsident bestritt Korruption in der Verwaltung seines Landes. Zu den Protesten sagte er mit Blick auf die Kommunalwahlen am 30. März, Politik werde nicht durch Scheiben-Einwerfen verändert, sondern durch Wahlen. Auf die Frage, ob er die Bürger mitbestimmen lassen wolle, sagte Erdogan, der Wille des Volkes werde im Parlament entschieden. Wenn man sich daran nicht halte, gebe es ein Problem.
Mehr Geld für syrische Flüchtlinge
Auf den Nägeln brannte ihm offenbar auch der Krieg in Syrien. Angesichts des Flüchtlingsstroms aus dem Nachbarland der Türkei beklagte Erdogan einen Mangel an internationaler Unterstützung. Sein Land habe für die Aufnahme von 700.000 Bürgerkriegsflüchtlingen umgerechnet 2,5 Milliarden Dollar ausgegeben, von den Vereinten Nationen im Gegenzug aber lediglich 130 Millionen Dollar erhalten, sagte Erdogan. Gleichzeitig versicherte er, die Türkei werde die Betroffenen auch in Zukunft aufnehmen.
Merkel und Erdogan vereinbarten, dass Bundesentwicklungsminister Gerd Müller und die Integrationsbeauftragte Aydan Özoguz in Kürze in die Türkei reisen werden, um Flüchtlingslager zu besuchen. Merkel sagte, seit dem Jahr 2011 habe Deutschland 28.000 syrische Flüchtlinge aufgenommen. "Das ist verglichen mit der Türkei nicht viel", räumte die Kanzlerin ein. Allerdings werbe sie in Europa bereits für eine verstärkte Unterstützung.
Quelle: ntv.de, vpe/dpa/rts/AFP