Politik

Auftakt in den heißen Wahlkampf "Es wird knapp", sagt Söder, und dann noch "toi, toi, toi"

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Sie sei "zutiefst" davon überzeugt, dass Armin Laschet Kanzler wird, sagt Bundeskanzlerin Merkel beim Wahlkampfauftakt der Unionsparteien. Sicher ist das jedoch nicht mehr - das war auch im Berliner Tempodrom zu spüren.

Ob das geklappt hat? Am Ende gibt es natürlich Jubelrufe und rhythmischen Applaus, ein paar Mutige versuchen gar, "Armin, Armin"-Sprechchöre anzustimmen. Die Rede des Kanzlerkandidaten war auch kämpferisch. Aber vor allem anfangs wirkte Armin Laschet reichlich nervös.

Dieses Gefühl teilt er mit vielen anderen in den Unionsparteien. Mit einer weitgehend durchgeskripteten Show im Berliner Tempodrom feierten CDU und CSU am Samstag den Auftakt in die heiße Wahlkampfphase - und wollten ihr Unwohlsein überwinden.

Den ersten Akt bestreitet die Amtsinhaberin, Bundeskanzlerin Angela Merkel. "Ihr wisst ja, dass ich mich seit der Abgabe des CDU-Vorsitzes vor fast drei Jahren grundsätzlich aus Wahlkampfveranstaltungen heraushalte", sagt sie. Das entspreche ihrer Überzeugung, dass Amtsvorgänger, die ihre politische Arbeit beenden, sich zurücknehmen sollten. Aber es sei "richtig schön, hier dabei zu sein".

Sie hält sich dann trotzdem eher heraus und trägt eine Rede vor, die eine Mischung aus einer Art Laudatio auf Laschet und eine Bilanz ihrer eigenen Arbeit ist, obwohl sie betont, dass sie eine solche nicht selbst ziehen wolle. Laschet sei ein Mensch und Politiker, "für den das C im Namen unserer Partei nicht irgendein Buchstabe ist", sagt die Kanzlerin. Sie sei "zutiefst" davon überzeugt, dass Laschet Kanzler wird. Viele Gründe, ihn zu wählen, zählt sie dann aber nicht auf. Am Ende sagt sie, ohne "Freiheit in Verantwortung" werde ein Gemeinwesen nicht gelingen, deshalb lohne es sich, in den verbleibenden Tagen bis zur Bundestagswahl zu kämpfen.

"Gewaltiges Potenzial nach oben"

Dass es sich lohnt, liegt auf der Hand, denn die Probleme der Union sind offenkundig. Da sind erstens die Umfragen und ihre Wirkung auf die Wähler, zweitens die Umfragen und ihre Wirkung auf die Wahlkämpfer und drittens die Umfragen und ihre Wirkung auf die CSU. Nur 15 Prozent der Wähler sagen, dass Laschet noch eine Chance hat, die schlechten Zahlen zu drehen. Auch wenn beim Wahlkampfauftakt Kampfgeist und Optimismus gefeiert werden: Für die Stimmung an der Basis bleibt das nicht folgenlos.

Am Freitag hatte CSU-Generalsekretär Markus Blume im "Frühstart" von ntv gesagt, er halte "es schon für dringend notwendig, dass wir jetzt auch als Union deutlich machen, dass der Kanzlerkandidat sagt, welchen Weg er für Deutschland will". Es gebe "gewaltiges Potenzial nach oben". Heißt übersetzt: Laschet hat bisher genau den Schlafwagen-Wahlkampf geführt, den CSU-Chef Markus Söder ihm schon vor einiger Zeit vorgeworfen hat.

Die Unzufriedenheit ist nachvollziehbar. Forsa-Chef Manfred Güllner, dessen Institut das RTL/ntv-Trendbarometer ermittelt, hält das von der Union anvisierte Ziel von mehr als 30 Prozent für realistisch - wenn die Schwesterparteien ihren Kanzlerkandidaten auswechseln und statt Laschet Söder aufstellen. Das wäre zwar ein völliges Novum, räumte Güllner im Interview mit ntv.de ein. Aber: "Wenn der Kandidat wirklich ausgetauscht würde, dann würde die Union davon profitieren. Wenn sie das nicht machen kann oder will, dann ist es schwer, sich vorzustellen, wie die Union ihre Werte noch verbessern könnte. Zumal die große Mehrheit der von uns befragten Wahlberechtigten ja auch sagt: An den schwachen Unionswerten ist der Kanzlerkandidat schuld."

"Toi, toi, toi"

Doch jetzt ist es dafür zu spät. Am heutigen Samstag steht auch Söder mit Laschet auf der Bühne und lobt seinen einstigen Rivalen. Söder ist der zweite Akt. "Lasst uns auch einen Moment ehrlich sein", fängt er an. "Es wird knapp in den nächsten Wochen." Es sei nicht mehr die Frage, mit wem die Union regiere, sondern ob. "Lasst uns endlich vernünftigen Wahlkampf machen, nicht über Nebensächlichkeiten reden, welcher Lebenslauf gut, welcher Lacher passend war." In ernsten Zeiten brauche es klare Führung, das könne weder Olaf Scholz noch Annalena Baerbock. Jetzt müsste der Satz kommen, "sondern das kann Armin Laschet". Der kommt aber nicht. "Die klare Führung kann nur die Union mit Armin Laschet an der Stelle etablieren."

Es gibt noch weitere zarte Spitzen gegen Laschet. Über die zwischen CDU und CSU umstrittene Mütterrente sagt Söder: "Ich weiß auch vom Armin, dass er das vom Herzen her eigentlich auch will, deshalb wird's auch so kommen." Wenn er den Kanzlerkandidaten lobt, dann signalisiert er zugleich, dass seine Ideen noch weitreichender, besser sind: "Armin sagt, wir brauchen einen nationalen Sicherheitsrat - eine gute Idee. Aber wir brauchen auch einen Sicherheitsrat auf der europäischen Ebene."

Vor allem aber lädt Söder die Verantwortung für den Wahlkampf komplett bei Laschet ab. "Am Ende kommt es immer auf den Kanzlerkandidaten an." Er fügt zwar hinzu: "Lieber Armin, du kannst dich dabei auf meine Unterstützung verlassen, das ist ehrlich gemeint." Aber er wiederholt auch seine so häufig gesagten Sätze vom "Angebot", dass er der Union gemacht habe, als er noch Kanzlerkandidat werden wollte, und von der breiten Unterstützung, die er daraufhin aus der CDU und der Unionsfraktion erfahren habe. Dann gibt es noch eine Andeutung, woran es liegt, dass die Umfragen so schlecht geworden sind: "Die anderen sind besser geworden und die Wahrheit ist, wir haben ein paar Fehler gemacht."

Söder spricht eine halbe Stunde, doppelt so lange wie eigentlich geplant und nur fünf Minuten kürzer als Laschet, für dessen Rede eigentlich zwanzig Minuten veranschlagt waren. Am Ende sagt der CSU-Chef: "Herzlichen Dank, alles Gute und toi, toi, toi."

Laschet schiebt Mitverantwortung nach Bayern

Zwischen den Akten gibt es Einspieler und Gespräche mit den Spitzenkandidaten aus Mecklenburg-Vorpommern und Berlin, wo am 26. September neben der Bundestagswahl auch Landtagswahlen stattfinden. Auch Friedrich Merz hat einen Auftritt. Höhepunkt ist Laschets Rede.

Er spricht hektisch und verhaspelt sich gelegentlich. An einer Stelle spricht er etwa davon, dass die GSG 9 der Bundespolizei 1977 "Deutsche aus der entführten Lufthansa-Maschine in Landshut befreit" habe - Laschet weiß natürlich, dass die Befreiung der von Terroristen entführten Geiseln in Mogadischu stattfand, dass nur das Flugzeug "Landshut" hieß. An anderer Stelle spricht er vom "Kampf gegen den Klimaschutz". Der Eindruck bleibt: Laschet ist nervös.

Trotzdem hat er ein paar Konter gegen Söder auf Lager. "Die Wahlsiege der letzten 70 Jahre waren immer nur möglich, wenn CDU und CSU eng beieinander waren", sagt er, und schiebt damit schon mal vorsorglich einen Teil der Verantwortung nach Bayern.

Den Grünen wirft Laschet vor, keine klare Orientierung in der Außen- und Sicherheitspolitik zu haben, Baerbock ganz direkt, sich bei der letzten Verlängerung des Afghanistan-Mandats enthalten zu haben. In der inneren Sicherheit vertritt er die klassische CDU-Linie, er fordert die Vorratsdatenspeicherung, um Kinderpornographie und Kindesmissbrauch bekämpfen zu können. Gespräche mit der AfD schließt Laschet aus, ebenso Koalitionsverhandlungen mit der Linkspartei. Dies fordert er auch von Scholz. "Sagen Sie doch klipp und klar, wie die Union: Extreme von links und rechts kommen für uns nicht in Betracht. Dann haben wir Klarheit im Wahlkampf." Beiden, SPD und Grünen, unterstellt er, die soziale Frage in der Klimapolitik vergessen zu haben, weil sie nur "an ihre Ideologien" dächten.

"I love Mutti"

Vergleichbare Attacken gegen die FDP gibt es nicht. Dabei hatte CDU-Generalsekretär Ziemiak noch am Freitag getwittert, wer FDP wähle, müsse in Kauf nehmen, "dass er am Ende mit Esken und Kühnert am Kabinettstisch aufwacht".

Das Thema Klimaschutz stellt Laschet, wie Söder auch, durchaus in den Vordergrund. Er wiederholt seine Forderung nach vereinfachten Genehmigungsverfahren, um Klimaschutz und Energiewende voranzubringen. Deutschland müsse der Welt zeigen, dass Klimaneutralität bei wirtschaftlicher Schaffenskraft möglich sei. "Wir wollen regieren, nicht weil wir regieren wollen, weil wir Lust haben am Regieren, sondern weil wir regieren müssen, damit Deutschland einen guten Weg nimmt", ruft er am Schluss seiner Rede.

Ursprünglich wollte die Union ihren Wahlkampfauftakt in einem Freizeitpark in Baden-Württemberg feiern, drei Tage lang. Das wurde wegen der Flutkatastrophe in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz abgesagt. Coronabedingt fällt die Show im Tempodrom klein aus, nur 100 CDU-Mitglieder bilden das Publikum. Einer der Helfer aus den Reihen der Jungen Union trägt ein T-Shirt mit der Aufschrift "I love Mutti", ein Slogan aus früheren Wahlkämpfen. "Ab jetzt wird Deutschland gerockt", sagt CSU-Generalsekretär Blume zum Abschluss. Was man auf solchen Veranstaltungen halt so sagt.

Quelle: ntv.de

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