Bundestag bohrt weiter Es wird eng für Tiefensee
31.10.2008, 18:40 UhrBundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee gerät im Streit um Bonuszahlungen für das Bahn-Management zunehmend unter Druck. Der Verkehrsausschuss des Bundestages will am kommenden Mittwoch die Vorgänge unter die Lupe nehmen und den Minister befragen. Es geht um die Frage, ob der SPD-Politiker die vom Personalausschuss des Bahn-Aufsichtsrates am 24. Juni beschlossene Sonderprämie für den Fall eines Börsengangs früher hätte verhindern können.
Kritik aus der Union
Kritik an Tiefensee kam nicht nur von der Opposition, sondern auch aus der Union. Tiefensee müsse erklären, warum er seinen Staatssekretär Matthias von Randow erst jetzt entlassen habe, obwohl der Minister angeblich seit September von der Bonus-Entscheidung gewusst habe, sagte der haushaltspolitische Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion, Steffen Kampeter (CDU). "Es mutet seltsam an, dass ein Börsenprospekt (mit Angaben zu den Boni) in der Leitung des Ministeriums keine Rolle gespielt haben soll." Ähnlich äußerte sich der CDU-Verkehrsexperte Dirk Fischer. Tiefensee "bringt sich selbst wahrlich in keine gute Situation", sagte er der "Financial Times Deutschland".
Opposition fordert Rücktritt
FDP und Grüne fordern inzwischen den Rücktritt Tiefensees. Der liberale Verkehrsexperte Horst Friedrich machte Tiefensee in der "Berliner Zeitung" verantwortlich für unzureichende Rahmenbedingungen bei der vorerst gescheiterten Teilprivatisierung der Bahn. "Er hat das Ding verbockt", sagte Friedrich. Die Fehler lägen eindeutig bei der Politik und nicht bei der Bahn.
Grünen-Fraktionschef Fritz Kuhn sprach sich ebenfalls für einen Rücktritt von Tiefensee aus. "Entweder hat der Minister durch den Börsenprospekt früher von den vereinbarten Bonuszahlungen für den Bahn-Vorstand gewusst, als er bisher behauptete." Oder Tiefensee habe in der Führung des Ministeriums versagt, weil ihm wesentliche Aspekte des Börsenprospektes vorenthalten wurden. "Beides disqualifiziert ihn als Bundesverkehrsminister."
Kanzlerin unterstützt Tiefensee
Dagegen sagte Regierungssprecher Ulrich Wilhelm, Tiefensee habe das Vertrauen der Kanzlerin. Maßstab für die Entscheidung, den Staatssekretär zu entlassen, sei die Frage, ob ein Vertrauensverhältnis noch gegeben sei.
Die geplanten Bonuszahlungen für den Bahn-Börsengang waren schon im September öffentlich bekannt. Am 26. September hatte Bahn-Chef Hartmut Mehdorn bei n-tv zu Sonderhonoraren gesagt, solche Zahlungen seien "allgemein üblich". Auch gegenüber dem Magazin "Stern" hatte er sich zuvor ähnlich geäußert.
Ruf nach neuer Konzern-Spitze
Der Grünen-Verkehrsexperte Winfried Hermann verlangte außerdem die Ablösung der Bahn-Spitze. "Der gesamte Bahnvorstand ist fällig, und auch der Aufsichtsrat muss erneuert werden", sagte er. Hermann begründete das mit den Bonus-Plänen und den Achsproblemen beim Schnellzug ICE. Fehler sieht der Grünen-Experte zudem bei der Regierung. Die Kontrolle der Bahn durch den Bund als Eigentümer sei mangelhaft. So gebe es vor Sitzungen des Aufsichtsrates keine Koordination der drei Regierungsvertreter untereinander. Die Politik kontrolliere den Konzern nicht aktiv, kritisierte Hermann. Auch fehlten im Aufsichtsrat Vertreter von Verbraucher- und Umweltschutzorganisationen.
Börsengang ging vor
Tiefensee hatte Randow am Mittwoch mit der Begründung entlassen, dieser habe ihn nicht über den Bonus-Beschluss im Personalausschuss des Aufsichtsrates informiert. Ministeriumssprecher Rainer Lingenthal räumte jetzt ein, Tiefensee sei zwar Mitte September bereits von seinem Staatssekretär, der Mitglied des Personalausschusses ist, unterrichtet worden. Er feuerte ihn aber nicht sofort, weil damals - so Lingenthal - der für den 27. Oktober geplante Börsengang nicht gefährdet werden sollte. Dieser wurde dann Anfang Oktober im Zuge der internationalen Finanzkrise abgeblasen.
Der Minister hätte aber laut Lingenthal vor der Entscheidung am 24. Juni von seinem Staatssekretär informiert werden müssen. Dann wäre die Bonus-Entscheidung rückgängig zu machen gewesen. So aber sei sie rechtsverbindlich.
Mehr Geld für Vorstände
Die "Süddeutsche Zeitung" berichtet unter Berufung auf den Börsenprospekt, die Vorstände der Bahn sollten im nächsten Jahr deutlich mehr Geld erhalten. Sowohl die Grundgehälter sollten stark aufgestockt werden und auch die Leistungszulagen könnten deutlich zunehmen, wenn das Unternehmen Umsatz und Gewinn steigere. Die Steigerungen beliefen sich teils auf 20 Prozent und mehr. So solle Mehdorn sein Gehalt im nächsten Jahr auf 900.000 von 750.000 Euro aufbessern können. Die Leistungszulage könnte im günstigsten Fall in diesem Jahr 2,99 Millionen Euro und 2009 3,51 Millionen Euro erreichen. Dazu sagte ein Bahn-Sprecher, ohne die Zahlen zu bestätigen: "Die Vergütung liegt nach wie vor im unteren marktüblichen Bereich."
Auch zu den einmaligen Bonusvereinbarungen für den Börsengang nannte die Zeitung Zahlen. Danach soll Mehdorn beim Börsengang eine Mindestzahlung von 140.000 Euro, Finanzchef Diethelm Sack von 120.000 Euro und die übrigen Vorstände eine von 100.000 Euro erhalten. Bestenfalls könne Mehdorn ein Sonderhonorar von 1,2 Millionen Euro erwarten, die anderen Vorstände eines von 1,0 oder 1,2 Millionen Euro. Das gelte aber nur, wenn der Erlös des Börsenganges weit über den gut 5 Milliarden Euro liege, die zuletzt kalkuliert worden seien. Das aber gelte im Aufsichtsrat als derzeit unrealistisch. Dort hoffe man auf wenigstens 4,5 bis 5 Milliarden Euro.
Geschäft läuft gut
Zum Geschäft der ersten neun Monate sagte Finanzvorstand Diethelm Sack: "Der Personenverkehr läuft ausgezeichnet." Das gelte für die drei Sparten Fernverkehr, Regio und Stadtverkehr. Im Güterverkehr sei eine "gewisse Abkühlung" festzustellen. Aber auch dort sei das Unternehmen "noch gut unterwegs". Der Konzern steigerte bis September Gewinn und Umsatz um rund zehn Prozent.
Quelle: ntv.de