"Eine Frage der politischen Hygiene" Ex-Stasi-Leute weiter im Dienst
10.07.2009, 21:29 UhrIn der Debatte um frühere Stasi-Mitarbeiter im öffentlichen Dienst werden Forderungen nach erneuten Überprüfungen laut.
Der Beauftragte der Bundesregierung für die neuen Länder, Wolfgang Tiefensee (SPD), plädierte dafür, die Verfahren neu aufzurollen, wenn es Anhaltspunkte für Unregelmäßigkeiten gibt. Unions-Fraktionsvize Wolfgang Bosbach (CDU) sprach sich für eine neue Überprüfung in gehobenen Funktionen aus. Die Union der Opferverbände kommunistischer Gewaltherrschaft forderte, alle Mitarbeiter im öffentlichen Dienst zu ihrer Vergangenheit zu durchleuchten. Dagegen sprach sich der Vorsitzende der Polizeigewerkschaft GdP, Konrad Freiberg, 20 Jahre nach dem Mauerfall für einen Schlussstrich aus. Auch der SPD-Innenexperte Dieter Wiefelspütz sah keine Veranlassung für neue Überprüfungen.
Die Opferverbände schrieben in einem Brief an die ostdeutschen Ministerpräsidenten, durch die große Beschäftigungszahl von früheren Stasi-Leuten seien die Behörden "in eine große Glaubwürdigkeitskrise" gekommen. Wenn es rechtlich nicht anders möglich sei, sollten die Ex-Stasi-Mitarbeiter frühpensioniert werden.
Noch immer wirkt das Gift der Stasi
Die ehemalige Bezirksverwaltung des DDR-Ministeriums für Staatssicherheit in Leipzig, die "Runde Ecke".
(Foto: ZB)
Tiefensee sagte: "Auch 20 Jahre nach dem Fall der Mauer wirkt das Gift der Stasi." Nach der Wende habe es rechtsstaatliche Verfahren zur Überprüfung von Mitarbeitern und Bewerbern gegeben. Mit demokratischen Mitteln sei das Erbe der Diktatur aufgearbeitet worden. "Jetzt gilt: Wer damals gemogelt hat, wer falsche oder unvollständige oder ungenaue Angaben gemacht hat, muss zur Verantwortung gezogen werden. Wer sich aber damals ehrlich seiner Vergangenheit gestellt hat, der hatte und hat das Recht auf einen Neuanfang."
Kriterien für Beschäftigung von Stasi-Leuten
Die Überprüfung im öffentlichen Dienst lief Ende 2006 aus. Das Stasiunterlagen-Gesetz sieht noch bis 2011 Prüfungen für einen eingeschränkten Kreis von Spitzenleuten in Politik und Verwaltung vor - bei Verdachtsmomenten. Der Direktor der Berliner Stasiopfer-Gedenkstätte, Hubertus Knabe, forderte Bund und Länder auf, aktuelle Listen vorzulegen. "Die Öffentlichkeit hat ein Recht zu erfahren, in welchen Bereichen sie es bis heute mit ehemaligen Stasi-Mitarbeitern zu tun hat." Er kritisierte, dass einheitliche Kriterien für die Beschäftigung von Stasi-Mitarbeitern fehlten.
Differenzierung erforderlich
Es müsse differenziert werden, wie stark jemand mit der Stasi zusammengearbeitet hat, betonte Unions-Fraktionsvize Bosbach im "Hamburger Abendblatt". "Wenn jemand eine Führungsfunktion bei der Staatssicherheit innehatte, scheidet er für Führungsfunktionen in der Bundesrepublik aus." Der frühere DDR-Bürgerrechtler Konrad Weiß kritisierte im MDR, in einigen Bereichen hätten frühere Stasi-Beschäftigte heute Zugang zu sensiblen Informationen und Daten. "Das ist natürlich nicht hinnehmbar."
"Es kann kein lebenslänglich geben"
Polizeigewerkschaftschefs Konrad Freiberg
(Foto: AP)
Wiefelspütz sagte der "Berliner Zeitung", er sehe keinen Anlass für eine Neubewertung. "Es kann kein lebenslänglich geben." Polizei-Gewerkschafter Freiberg begründete in der ARD seine Forderung nach einem Ende der Debatte, es seien Leute aussortiert worden, denen Menschenrechtsverletzungen nachgewiesen wurden. Die anderen seien in einem transparenten Prozess übernommen worden. Sein Kollege von der Polizeigewerkschaft im Beamtenbund (DPolG), Rainer Wendt, meinte dagegen, einen Schlussstrich ohne Aufklärung dürfe es nicht geben.
Quelle: ntv.de, dpa