Wulff will Entlastungen ab 2011 Experten erwarten höhere Steuern
25.09.2009, 08:18 UhrDer Wirtschaftsweise Wolfgang Franz rechnet nach der Bundestagswahl mit einer Steuererhöhung. "Der Staat wird nicht umhin können, auch etwas auf der Einnahmeseite zu unternehmen", sagte er dem "Mannheimer Morgen". "Wenn wir uns nicht zusätzlich neu verschulden wollen, dann geht eigentlich kein Weg an Steuererhöhungen vorbei", erläuterte der Chef der Wirtschaftsweisen.

Am Ende wird der Bürger nach Meinung vieler Experten tiefer in die Tasche greifen müssen.
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"Heißer Kandidat" ist nach Einschätzung des Ökonomen die Mehrwertsteuer. Franz kritisierte "irrwitzige Sonderregelungen" beim ermäßigten Satz von sieben Prozent und nannte als Beispiel die künstliche Tierbesamung. "Das ist fast schon eine Lachplatte." Der nächste Finanzminister müsse dies alles "gründlich durchforsten".
Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Klaus Zimmermann, sagte der "Bild"-Zeitung: "Steuersenkungen sind zwar in geringem Umfang denkbar, sie vergrößern aber die Haushaltsdefizite nur noch." Nur durch massives Sparen, den Abbau von Subventionen und durch andere Steuererhöhungen lasse sich die riesige Staatsverschuldung in den Griff bekommen. "Es wäre wünschenswert, die Bürger darüber nicht länger im Unklaren zu lassen und das Ausmaß der finanziellen Notlage nicht länger schönzureden."
Wulff: Steuerentlastungen ab 2011
Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff setzt sich unterdessen trotz der rasant steigenden Staatsverschuldung für spürbare Steuerentlastungen schon im Jahr 2011 ein. "Das Ziel muss sein, nach zwei Jahren eine Steuerreform mit den Inhalten 'einfacher, niedriger und gerechter' in Kraft zu setzen", sagte der CDU-Politiker in Hannover.
Union und FDP wollen nach der Wahl die Steuern senken. Die CDU nennt hierfür bisher aber kein konkretes Datum. Bundeskanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel hatte ein Zeitfenster von 2011 bis 2013 für Entlastungen genannt, die CSU will spätestens ab 2011 niedrigere Steuern. Wirtschaftsexperten kritisieren indes die Steuersenkungs-Versprechen und warnen vor einem Anstieg der Neuverschuldung auf bis zu 130 Milliarden Euro im kommenden Jahr.
Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) erneuerte seine Forderung, nach der Wahl schnell Maßnahmen zur steuerlichen Entlastung der Unternehmen einzuleiten. BDI-Hauptgeschäftsführer Werner Schnappauf sagte der Zeitung "Fränkischer Tag", die nächste Bundesregierung müsse umgehend Vorschriften überarbeiten oder sogar beseitigen, die den beginnenden zarten Aufschwung bedrohten.
"Katastrophale" finanzielle Lage
Der Direktor des Instituts für Arbeit und Wirtschaft an der Universität Bremen, Rudolf Hickel, sieht dagegen wie sein Kollege Zimmermann vom DIW keinen Spielraum für schnelle Steuersenkungen. Er forderte Klartext: "Die finanzielle Lage der öffentlichen Kassen und der Sozialversicherungen ist katastrophal." Die Wahlversprechungen täuschten über die wahre Entwicklung hinweg, sagte Hickel der "Bild"-Zeitung. "Wer heute massiv Steuern senkt, der muss auch dazu sagen, dass im nächsten Jahr wegen der steigenden Arbeitslosigkeit Beitragserhöhungen zu erwarten sind."
Der Finanzexperte des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW), Friedrich Heinemann, geht davon aus, dass Bund, Länder und Kommunen bis 2010 sogar 130 Milliarden Euro neue Schulden aufnehmen müssen. Bisher plant die Regierung für kommendes Jahr mit Schulden von 86 Milliarden Euro. "2010 wird das letzte Jahr der Party. Ab 2011 muss es eine massive Haushaltskonsolidierung geben", sagte Heinemann der "Bild"-Zeitung.
Steuerzahlerbund: Versprechen halten

Kanzlerin Angela Merkel und Finanzminister Peer Steinbrück lehnen bisher eine Mehrwertsteuererhöhung ab.
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Nach Ansicht des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW) müssen sich die Bürger auf Einschnitte gefasst machen. "Steuererhöhungen in Deutschland werden unvermeidlich, wenn es der Politik nicht gelingt, einen deutlichen Sparkurs für einige Jahre durchzuhalten", sagte der IfW-Experte Alfred Boss der "Berliner Zeitung". Die neue Regierung wird einen solchen Schritt vermutlich mit neuen Sachzwängen begründen, sagte Boss. Er empfahl in diesem Fall eine Erhöhung der Mehrwertsteuer. "Sie schwächt die Leistungs- und Investitionsanreize weniger als die Einkommensteuer", sagte Boss.
Der Bund der Steuerzahler appellierte an die künftige Regierung, sich an Versprechen zu halten. "Steuererhöhungen nach der Wahl darf es nicht geben, sagte Steuerzahler-Präsident Karl Heinz Däke.
Quelle: ntv.de, dpa