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88 Prozent für FDP-Chef Lindner "Ich glaube, da hab' ich geliefert"

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Im Dezember 2013 wurde Christian Lindner erstmals zum FDP-Vorsitzenden gewählt - und nun erneut bestätigt.

Im Dezember 2013 wurde Christian Lindner erstmals zum FDP-Vorsitzenden gewählt - und nun erneut bestätigt.

(Foto: picture alliance/dpa)

Trotz jüngster Wahlschlappen und Umfragedellen sieht Christian Lindner seine Amtszeit als FDP-Chef als Erfolgsgeschichte. Auch mit der Ampel zeigt er sich einigermaßen zufrieden. Immerhin sei sie besser als die Große Koalition.

Nach fast zehn Jahren an der Spitze der FDP ist Christian Lindner auf einem Parteitag der Liberalen in Berlin wiedergewählt worden. Er erhielt 88 Prozent der Stimmen. Man kann das noch ein ordentliches Ergebnis nennen, auch wenn er vor zwei Jahren mit 93 Prozent im Amt bestätigt worden war.

Lindner hatte vor den 660 Delegierten zuvor eine fast anderthalbstündige Rede mit gezielten Attacken gegen die Union und dosierter Kritik gegen die Koalitionspartner gehalten. Mit Blick auf die vergangenen zehn Jahre zog er eine sehr positive Bilanz. Die FDP habe heute 20.000 Mitglieder mehr als damals, stehe in den Umfragen besser da und sei nicht mehr außerparlamentarische Opposition, sondern Regierungspartei.

Noch wichtiger sei aber, dass die FDP heute wisse, wofür sie stehe. "Vor zehn Jahren hab' ich gesagt, es sei nicht schlimm, wenn die FDP angegriffen wird für das, wofür sie steht. Schlimm sei nur, wenn die FDP angegriffen wird, weil sie für nichts steht. Wenn ich mir heute die Angriffe ansehe - ich glaube, da hab' ich geliefert."

"Wir stehen erst am Anfang"

Sollte jemand in der FDP-Spitze gehofft haben, dass Lindner andeuten würde, dies könne seine letzte Amtszeit sein, so wurde er enttäuscht: Die FDP habe noch viel vor, "und ich mit euch", sagte der Bundesfinanzminister stattdessen. "Wir stehen gemeinsam erst am Anfang."

Mit der Perspektive auf die vergangenen zehn Jahre setzte Lindner einen Rahmen an, der für ihn deutlich positiver ausfällt als der kurze Blick auf die Monate seit der Bundestagswahl 2021. Damals erreichte 11,5 Prozent, ein Wert, von dem sie heute in den Umfragen weit entfernt ist. Auch alle Landtagswahlen seither liefen für die FDP schlecht bis desaströs. Allerdings kann Lindner sich zugutehalten, dass es in den Umfragen zuletzt wieder leicht aufwärts ging. So sahen das offenbar auch die meisten Delegierten.

Scharfe Kritik an Klimaklebern - und an Markus Söder

Interessant war die unterschiedlich deutliche Abgrenzung zu politischen Wettbewerbern. Zwar griff Lindner die Klimakleber vergleichsweise scharf an, indem er sagte, das Blockieren von Autobahnen sei "nichts anderes als physische Gewalt", die nie ein Mittel der Auseinandersetzung sein dürfe. Aber der Versuchung, die Grünen als Feindbild zu nutzen, unterlag Lindner nicht. Er versuchte die Äquidistanz zwischen Metropole und Provinz: "Das Leben mit Verbrennungsmotor im Thüringer Wald ist nicht besser oder schlechter als das Leben mit Lastenrad im Prenzlauer Berg", sagte er beispielsweise. "Es sind schlicht freie Lebensentscheidungen, die beide Respekt verdienen."

Auch den Atomausstieg nutzte Lindner nicht für Polemik gegen Grüne und SPD. Er sei nur "etwas bekümmert, dass wir in Deutschland nun Kohle verfeuern müssen, um sichere Kernkraftwerke abzuschalten". Seine Kritik an "Umverteilungsfantasien" bei SPD und Grünen formulierte Lindner zwar ähnlich wie früher, aber er griff beide Parteien dabei nicht frontal an.

Dem bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder warf Lindner hingegen eine Politik des "Tarnen, Tricksen, Täuschens" vor. In der Corona-Pandemie sei Söders "Team Vorsicht" in Wahrheit ein "Team Vorschrift" gewesen. "Der große Baum-Umarmer Markus Söder" habe anderen untersagt, rauszugehen und Bäume zu umarmen. Es sei vor allem der Verdienst von FDP-Justizminister Marco Buschmann, dass später eine liberale Pandemiepolitik eingeleitet worden sei.

"Selbst haben sie nichts getan"

Mit Blick auf die vergangenen Jahre sprach Lindner von einer "unsoliden CDU-Finanzpolitik" und warf der Union vor, es sich in der Klimapolitik leicht zu machen. "Selbst haben sie nahezu nichts getan, als sie in Verantwortung standen. Und jetzt stehen sie am Rand in der Opposition, machen keine eigenen Vorschläge, sondern sagen nur 'schlecht' und 'geht nicht'. So einfach können wir uns das nicht machen. Denn wir stehen in Verantwortung."

Die jüngsten steuerpolitischen Pläne der CDU kritisierte Lindner als unseriös. Die stärkere Belastung von Spitzenverdienern fordere die Union nicht aus Nächstenliebe, um der FDP ein Alleinstellungsmerkmal zu verschaffen. Es seien vielmehr "weitere schwarz-grüne Lockerungsübungen".

Lindner beschrieb die FDP als progressive Partei zwischen Linken und Konservativen: "Wir kämpfen für den Wert der Freiheit, für wirtschaftliche Vernunft, faire Lebenschancen und ein modernes, nicht-linkes Deutschland." Die implizite Botschaft solcher Aussagen: SPD und Grüne sind zwar schwierige Partner, aber besser wäre es mit der Union nicht.

Erinnerung an Merkels letzte Nachtsitzung

Ausdrücklich erinnerte Lindner an "die letzte Marathon-Sitzung der Großen Koalition", an deren Ende die Osterruhe stand, die dann gleich wieder abgesagt wurde, "und ein abgesetzter Verfassungsschutzchef sollte Staatssekretär im Innenministerium werden". Gemeint war Hans-Georg Maaßen, gegen den die CDU mittlerweile ein Parteiausschlussverfahren eingeleitet hat. "Bei uns dauert's manchmal auch lang", sagte Lindner über den Ampel-Koalitionsausschuss Ende März, "aber nach 30 Stunden stehen da schnellere Autobahnprojekte, ein Klimaschutzgesetz mit Marktwirtschaft, Investitionen in die Bahn-Infrastruktur und anderes. Ich kann nur sagen, bei uns lohnt das Warten wenigstens, da kommt nämlich Besseres raus."

Von seinen Koalitionspartnern forderte Lindner mehr Geld für die geplante Aktienrente, zudem stellte er in der Klimapolitik die Sektorziele als überwunden dar - also die strikt auf Ministerien zuzuordnende Verantwortung für die Reduzierung von CO2-Emissionen in einzelnen Bereichen wie Verkehr oder Industrie. Lindners Argumentation: Mit Sektorzielen würden politische Maßnahmen notwendig, die unpopulär und auch unnötig sind. Wenn Verkehrsminister Volker Wissing in seinem Sektor nicht alle Ziele einhalte, werde es in einigen Jahren dazu kommen, "dass wir über Fahrverbote nachdenken müssen - wer kein Elektroauto hat, bekommt am Sonntag ein Fahrverbot". Seine Interpretation, dass die Sektorziele überwunden sind, wird in der Koalition allerdings nicht von allen geteilt.

Und auch sonst bleibt genug Stoff für Konflikte. Zum umstrittenen Gebäudeenergiegesetz sagte Lindner, der jetzige Entwurf sei noch nicht das, was am Ende vom Bundestag beschlossen werde. Kritik an seiner Protokollerklärung wies er zurück. Dies sei "ein normales Verfahren", das man wähle, wenn Fristen drohen. Auch "die Kollegin Baerbock" habe dies beim Entwurf des Haushalts 2023 so gemacht.

Chinesisch spricht Lindner nicht mehr

Zum russischen Krieg gegen die Ukraine sagte Lindner, wer jetzt nicht an der Seite der Ukraine stehe, "der steht auf der falschen Seite der Geschichte". Deutschland leiste seinen Beitrag, dass "die Durchhaltefähigkeit der Ukraine dauerhaft größer bleibt als die Bösartigkeit von Putin".

Nachdem Lindner auf dem Parteitag vor vier Jahren noch vor einem chinesischen Schriftzug gestanden und in seiner Rede Chinesisch gesprochen hatte, sagte er nun, China sei inzwischen ein "systemischer Rivale". Das geht weiter als die klassische Beschreibung von "Partner, Wettbewerber, systemischer Rivale", die in der EU üblich ist und an der sich auch die Bundesregierung orientiert. Die "Samtpfötigkeit" früherer Bundesregierungen gegen China sein ein Fehler gewesen, es dürfe "niemals der Eindruck entstehen, dass wir uns für gute Geschäfte unsere liberalen Werte abkaufen lassen". Er lobte seine Parteikollegin, Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger, die kürzlich als erstes Mitglied eines Bundeskabinetts in Taiwan gewesen sei, "denn für uns ist Freiheit unteilbar".

Quelle: ntv.de

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