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Parteitag in schwieriger Lage "Triumphgefühle werden bei der FDP nicht aufkommen"

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Finanzminister Lindner und Verkehrsminister Wissing dürften auch künftig dafür sorgen, dass ihre Wähler merken, dass die FDP "ihre Haut teuer verkauft", wie es Professor Marschall bei ntv.de sagt.

Finanzminister Lindner und Verkehrsminister Wissing dürften auch künftig dafür sorgen, dass ihre Wähler merken, dass die FDP "ihre Haut teuer verkauft", wie es Professor Marschall bei ntv.de sagt.

(Foto: picture alliance/dpa)

An diesem Freitag beginnt der dreitägige Parteitag der FDP. Mit dem Erfolg aus dem Koalitionsausschuss hat sie etwas Rückenwind. Doch mit der kommenden Landtagswahl in Bremen droht schon wieder eine Enttäuschung. Der Politologe Stefan Marschall erklärt im Interview mit ntv.de, warum die Partei sich so verhält, wie sie es tut.

ntv.de: Das letzte große Ereignis in der Ampel war der Koalitionsausschuss. Dabei setzte sich nach allgemeiner Lesart die FDP durch. Wird dieser Parteitag da zum Triumphzug?

Stefan Marschall ist Professor für Politikwissenschaft an der Uni Düsseldorf.

Stefan Marschall ist Professor für Politikwissenschaft an der Uni Düsseldorf.

(Foto: picture alliance / dpa)

Stefan Marschall: Richtige Triumphgefühle werden nicht bei der FDP aufkommen. Es ist zwar richtig, dass sie es in den vergangenen Wochen geschafft hat, ihr Profil zu schärfen und Dinge durchzusetzen. Aber es findet zwischen den drei Koalitionsparteien oft ein großer Kampf statt und das prägt natürlich die Stimmung. Es hat sich herausgestellt, dass dies eine Koalition ist, die mühsam und anstrengend ist - nach der Euphorie, die es am Anfang vielleicht noch gab.

FDP-Politiker wie Generalsekretär Djir-Sarai und Fraktionschef Dürr sagen, dass sie kein Problem mit Streit haben. Braucht die FDP den Streit nicht auch, um sichtbar zu werden?

Für die FDP ist es extrem wichtig, in der Koalition Profil zu zeigen und dieses auch noch auszubauen. Sie ist die Partei, die am weitesten von den beiden anderen Parteien entfernt ist. Sie musste den größten Sprung machen, um in dieser Koalition zu sein. Deswegen ist es für die FDP durchaus funktional, wenn es innerhalb der Koalition Streit gibt. Das macht nach außen hin klar, dass die FDP ihre Haut teuer verkauft oder in der Lage ist, Punkte durchzusetzen - in einer Konstellation, in der sich die anderen beiden Parteien näher stehen.

Ein großer Punkt waren dabei die E-Fuels. Da war ja in Brüssel alles schon geklärt, seit Monaten war verhandelt worden, es fehlte nur noch das allerletzte Go. Ist das noch Strategie oder war das eher eine Notbremse?

Es wirkte eher wie eine strategische Notbremse, wie ein Versuch, auf den letzten Metern noch Punkte zu machen. Das ist symptomatisch für das Verhalten der FDP. Man versucht in bestimmten Bereichen sehr deutlich Positionen zu markieren. Dazu gehört der Bereich Energie, aber vor allem auch Verkehr.

Bei den E-Fuels sagten viele Experten, dass die inneffizient sind und damit nicht sinnvoll für normale PKWs. Appelliert die FDP da vor allem an den Bauch der Wähler und weniger an den Kopf?

Ob man Bauch und Kopf in der Politik so einfach trennen kann, da bin ich mich mir nicht so sicher. Bei den E-Fuels ging es der FDP darum, zu zeigen, wofür man steht, also um Technologieoffenheit und die Freiheit von Forschung und Innovation. Bei den E-Fuels war das Timing vielleicht unglücklich, aber es bleibt hängen, dass die FDP tendenziell gegen Verbote und für neue Technologien ist. Das richtet sich natürlich an die eigene Wählerklientel, zum Beispiel an die Gruppe der Selbstständigen und an eine wirtschaftsliberal denkende Wählerschaft.

Funktioniert das denn? In den Umfragen sieht es für die FDP nicht so gut aus. Die Union steht dagegen wieder sehr stark da.

Es ist ein generelles Phänomen, dass sich die Wählergruppen innerhalb der Parteienlager zum Teil sehr nahe sind. Das betrifft nicht nur FDP und CDU auf der einen Seite, sondern auch SPD und Grüne auf der anderen. Da ist die CDU gegenüber der FDP in einer besseren Position. Sie kann aus der Opposition heraus ihre Positionen deutlich und markant vertreten. Das kann die FDP in dieser Form nicht. Das macht die CDU wieder attraktiver für Wähler, die die bei der letzten Wahl vielleicht von der CDU zur FDP gewechselt waren.

Aber die FDP führt sich doch oft als Opposition in der Regierung auf.

Es ist schon noch ein Unterschied, ob man als größte Oppositionspartei die Politik der Regierung kritisiert und sich davon distanzieren kann oder ob man sie als Regierungspartei am Ende doch mittragen muss. Das könnte auf manche Wählerinnen und Wähler mitunter ambivalent bis schizophren wirken. In der Opposition ist es immer leichter, Alternativen aufzuzeigen.

Im Koalitionsausschuss stellte sich Kanzler Olaf Scholz an die Seite der FDP, wohl weil er auch wusste, dass er die FDP zum Regieren braucht und die Ampel seine realistischste Koalitionsoption ist. Ist sie das für die FDP mittlerweile auch? Ist Schwarz-Gelb vom Tisch?

Vom Tisch ist so etwas nie, es ist viel Bewegung in der Wählerschaft. Aber tatsächlich muss der Kanzler die FDP bei der Stange halten. Die Ampel ist wahrscheinlich die Koalition, mit der er auch über die nächste Bundestagswahl hinaus plant. Von daher muss er dafür Sorge tragen, dass die FDP in der Koalition nicht verloren geht. Kommt sie nicht mehr in den Bundestag, gibt es auch keine Ampelkoalition mehr. Letzten Endes sind die Parteien aber generell offen füreinander. In den Ländern sehen wir ganz verschiedene Koalitionen. Im Moment erscheint Schwarz-Gelb nicht mehrheitsfähig - es gibt derzeit auch keine schwarz-gelbe Koalition auf Landesebene. Dies bleibt aber auch zukünftig eine Option, die im Raum steht.

Sobald es dafür wieder eine Mehrheit gäbe.

Im Moment sieht es nicht danach aus, aber es gibt immer wieder Überraschungen. Wer hätte denn gedacht, dass wir in einem Bundesland noch einmal eine Ein-Parteien-Regierung bekommen, wie wir es im Saarland sehen? Es kann immer ungewöhnliche Konstellationen geben. Daher kann man nichts ausschließen. Die Tendenz geht aber deutlich zu Dreierkonstellationen.

Wird die Landtagswahl in Bremen im Mai zur Stunde der Wahrheit? Und im Herbst dann die Wahlen in Hessen und Bayern?

Jede Landtagswahl ist auch ein Gradmesser für die Performanz auf der Bundesebene. Von daher wird jedes schlechte Wahlergebnis auf Landesebene dafür sorgen, dass die Diskussionen weitergehen, wie man sich besser profilieren könnte. Das wird mit Bremen nicht zu Ende sein, sondern mit Hessen und Bayern weitergehen. Die FDP hat zwar keine Regierungsbeteiligung in diesen drei Ländern und kann sie daher auch nicht verlieren. Aber es besteht natürlich die Gefahr, dass sie gar nicht wieder in die Landtage hineinkommt. Man hat ja zuletzt gesehen, dass die Partei bei der Abgeordnetenhauswahl in Berlin deutlich abgeschmiert ist. Viele derjenigen, die dann ihren Sitz verlieren, sind Funktionsträger in der Partei. Das kann für Unruhe sorgen.

Könnte das sogar zu einem Platzen der Ampelkoalition führen?

Dass Koalitionen platzen oder, wenn man so will, von einer Partei geplatzt werden, das ist eher unwahrscheinlich. Die Wählerinnen und Wähler goutieren es nicht, wenn sich Parteien der Verantwortung entziehen. Wenn man sich verhakt, so wie es gerade geschehen ist, kommt es darauf an, Zugeständnisse zu machen oder dass der Kanzler interveniert. So wird man sich über die Zeit retten müssen.

Dass Frau Strack-Zimmermann nun nach Brüssel gehen soll - wird da jemand Unbequemes weggelobt?

Früher gab es dies Aussage, dass man Leute nach Brüssel abschiebt. Aber mittlerweile hat das Europaparlament eine wichtige Stellung und die Positionen dort sind attraktiv und werden auch nachgefragt. Ich glaube nicht, dass dieses Wegloben heute noch so stattfindet wie früher.

Mit Stefan Marschall sprach Volker Petersen

Quelle: ntv.de

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