Kritik an von der Leyen FDP blockiert Hartz-IV-Erhöhung
21.09.2010, 21:07 Uhr
(Foto: picture-alliance/ dpa)
FDP-Chef Westerwelle sperrt sich offenbar gegen eine Anhebung der Hartz-IV-Sätze. Damit legt er sich mit Arbeitsministerin von der Leyen an, die am Montag ihre Pläne vorgelegt hatte. Die SPD äußert zudem Verfassungsbedenken - Kommunen rechnen bereits mit steigenden Sätzen.
Die Koalition steuert auf einen neuen Konflikt um die Hartz-IV-Sätze zu. Bundesaußenminister und FDP-Chef Guido Westerwelle lehnt eine deutliche Erhöhung der Regelsätze für Langzeitarbeitslose ab. Scharfe Kritik an den Hartz-IV-Plänen von Arbeitsministerin Ursula von der Leyen kommt zudem aus der Opposition, von Kommunalverbänden und Gewerkschaften. Der DGB warnte vor einer "politischen Mauschelei". Die SPD forderte, die Höhe der Regelsätze endlich offen zulegen.
Von der Leyen hatte am Montag erste Details für die Neuberechnung der Hartz-IV-Sätze vorgelegt. Die Bezüge der über 6,5 Millionen Hartz-IV-Empfänger sollen künftig an die Entwicklung von Preisen und Löhnen angepasst werden. Bisher sind die Regelsätze für Langzeitarbeitslose an die Rentenerhöhungen gekoppelt.
Derzeit liegt der volle Regelsatz für einen Hartz-IV-Empfänger bei 359 Euro im Monat. An diesem Sonntag wollen sich die Spitzen von Union und FDP mit der Neuregelung befassen. Am 20. Oktober soll das Kabinett einen Gesetzentwurf beschließen, die neuen Sätze sollen zum 1. Januar 2011 gelten.
FDP will höhere Zuverdienste
Westerwelle soll nach Angaben der "Bild"-Zeitung seinen Verhandlungsführern gesagt haben: "40 Euro im Monat mehr für jeden Hartz-IV-Empfänger, aber Nullrunden für die Rentner - das ist nicht gerecht. Das kann und wird so nicht kommen." Aus der FDP hieß es dazu, es gebe noch keine konkreten Zahlen: "Es darf aber auch nicht zu viel werden."
Wichtig für die FDP ist, dass die Zuverdienstmöglichkeiten zur Grundsicherung verbessert werden. Auch soll die Gegenfinanzierung bei Erhöhungen der Regelsätze aus dem Arbeitsministerium kommen. Die FDP schlägt dazu vor, die Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes I für ältere Arbeitnehmer von maximal 24 Monaten zu überprüfen.
SPD hat Verfassungsbedenken
Die stellvertretende SPD-Vorsitzende Manuela Schwesig äußerte im RBB verfassungsrechtliche Bedenken. Sie bezog sich dabei auf das Vorhaben, die Hartz-IV-Sätze künftig auch an die Lohnentwicklung zu koppeln. "Das Bundesverfassungsgericht hat gesagt: Die Orientierung an den Renten ist nicht richtig. Die Renten haben ja eine ähnliche Grundlage wie die Löhne - und deswegen ist auch die Orientierung an den Löhnen nicht richtig", sagte Schwesig. Ihre Partei werde daher einem entsprechenden Gesetzentwurf im Bundesrat nicht zustimmen.
Auch die sozialpolitische Sprecherin der Linken, Katja Kipping, warf von der Leyen vor, auf einen Verfassungsbruch zuzusteuern. "Das Verfahren zur Neuberechnung der Hartz IV-Regelsätze ist weder nachvollziehbar noch transparent." Alle Indizien deuteten auf eine Berechnung nach Kassenlage hin.
DGB sieht Mauscheleien
Auch Grünen-Chef Cem Özdemir forderte im "Hamburger Abendblatt", das Existenzminimum müsse nach zuverlässigen objektiven Kriterien ermittelt werden. Es widerspreche dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts, wenn die Koalitionsspitzen die Hartz IV- Sätze jetzt nach politischem Gusto und Kassenlage festlegen wollen.
DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach warf der Regierung vor, sie verlagere die Entscheidung über die Höhe der Regelsätze in "intransparente und politisch motivierte Verhandlungen des Koalitionsausschusses". Dies zeuge von mangelndem Respekt gegenüber dem höchsten deutschen Gericht und den Hartz-IV-Empfängern.
Bundesfamilienministerin Kristina Schröder lobte dagegen die Pläne ihrer Kabinettskollegin von der Leyen: Es müsse jetzt weiter daran gearbeitet werden, dass auch die Kinder, deren Eltern ein geringes Einkommen oder den Kinderzuschlag erhalten, Angebote zur besseren Bildungsförderung nutzen könnten.
Kommunen befürchten Belastung

Karlsruhe hatte eine Neuberechnung der Hartz-IV-Sätze für Kinder gefordert.
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Der Städtetag protestierte gegen den geplanten Verzicht auf Kinderwohngeld. Es sei völlig inakzeptabel, das Wohngeld für Kinder von Langzeitarbeitslosen zu streichen und damit die kommunalen Haushalte mit mindestens 120 Millionen Euro zusätzlich zu belasten. Nach ersten Schätzungen könnte es sich um mehr als 80.000 Kinder der Gesetzentwurf spricht von 92.000 Fällen bundesweit handeln.
Der Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg, rechnet nicht mit einer Erhöhung der Hartz-IV-Regelsätze. "Manche reden schon von 400 Euro im Monat oder mehr. Dazu wird es nicht kommen" sagte er den Dortmunder "Ruhr Nachrichten". Eine Erhöhung sei auch nicht zwingend.
Das Bundesverfassungsgericht hatte im Februar eine transparentere Neuberechnung der Hartz-IV-Regelsätze bis zum Jahresende verlangt und zugleich den Bund verpflichtet, dabei auch den speziellen Bedarf der 1,7 Millionen Kinder aus diesen Familien zu berücksichtigen. Dabei geht es auch um ihre Teilhabe am gesellschaftlichen Leben, wie Mitgliedschaft in Sportvereinen oder Besuch von Musikkursen.
Quelle: ntv.de, dpa/AFP