Politik

"Urknall der liberalen Welt" FDP diskutiert über Westerwelle

Angezählt? FDP-Chef Westerwelle muss sich Sorgen um seine politische Zukunft machen.

Angezählt? FDP-Chef Westerwelle muss sich Sorgen um seine politische Zukunft machen.

(Foto: dpa)

Die Debatte um einen Rückzug von FDP-Chef Westerwelle vom Parteivorsitz verschärft sich. In Berlin treffen sich Bundestagsabgeordnete, um mögliche Szenarien für eine Ablösung zu beraten, während öffentlich führende Liberale noch versuchen, die Lage zu beruhigen. Auf dem Dreikönigstreffen am 6. Januar könnte eine Vorentscheidung fallen.

Angesichts des anhaltenden Umfragetiefs der FDP gerät der Vorsitzende Guido Westerwelle parteiintern immer stärker unter Druck. Einflussreiche Politiker des "Schaumburger Kreises" der Partei haben nach Medienberichten am Dienstagabend bereits über Möglichkeiten eines schnellen Rückzugs Westerwelles von der Parteispitze beraten.

An dem Treffen der regelmäßig tagenden Runde in Berlin habe auch Westerwelles Stellvertreter in der Partei, Wirtschaftsminister Rainer Brüderle, teilgenommen, berichtet das "Handelsblatt". Er wird als ein möglicher Nachfolgekandidat für den FDP-Vorsitz gehandelt. Unter den 17 Teilnehmern sollen auch Schatzmeister Hermann Otto Solms, Fraktionsvize Patrick Döring und mehrere Bundestagsabgeordnete gewesen sein. Frust gab es demnach vor allem über die glücklose Führungsrolle Westerwelles, angefangen von der Hotelsteuer bis hin zur "Maulwurf-Affäre".

Zu viele Ämter?

Sie hätten das Für und Wider eines Rückzugs Westerwelles auf dem Dreikönigstreffen am 6. Januar 2011 in Stuttgart erörtert, berichtet auch die "Bild"-Zeitung. Nach Angaben beider Medien wurde sogar die Aufgabe des Amts als Außenminister diskutiert. Die Frage, welche Konsequenzen ein Rücktritt Westerwelles für die Partei hätte, sei letztlich aber offen geblieben. "Wie nach einem Urknall die liberale Welt aussieht, kann eben niemand sagen", zitierte das "Handelsblatt" einen Teilnehmer.

Wirtschaftsminister Brüderle gilt als aussichtsreicher Kandidat für die Nachfolge Westerwelles.

Wirtschaftsminister Brüderle gilt als aussichtsreicher Kandidat für die Nachfolge Westerwelles.

(Foto: dapd)

In der Vergangenheit hatte Westerwelle mehrfach klargemacht, dass er an seinen drei Posten als Parteichef, Außenminister und Vizekanzler festhalten will. Bundesweit liegt die FDP in den Umfragen derzeit nur zwischen 4 und 6 Prozent. Für das Ergebnis wird der Parteichef mitverantwortlich gemacht, von Überforderung durch seine drei Ämter ist die Rede.

Kubicki verschärft Debatte

In Anbetracht der anstehenden Landtagswahlen hatten am Mittwoch bereits Vertreter der baden-württembergischen FDP Westerwelle in einem Offenen Brief aufgefordert, den Parteivorsitz niederzulegen. Der rheinland-pfälzische FDP-Spitzenkandidat Herbert Mertin bezeichnete ihn als "Klotz am Bein" der Wahlkämpfer. In beiden Bundesländern wird am 27. März gewählt. Zuvor stehen am 20. Februar und 20. März bereits Wahlen in Hamburg und Sachsen-Anhalt an.

Die wegen des Umfragetiefs seit längerem schwelende Führungsdebatte hatte der FDP-Fraktionschef in Schleswig-Holstein, Wolfgang Kubicki, am Wochenende verschärft, indem er von Auflösungserscheinungen seiner Partei sprach und deren Situation mit der Spätphase der DDR verglich.

"Gemeinsam geschlossen"

Die bayerische Landesvorsitzende, Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, warnte ihre Partei allerdings davor, sich auf eine Personaldiskussion zu konzentrieren. Die FDP habe nur eine Chance, "wenn wir kämpferisch auftreten und uns nicht wirklich selbst erledigen", sagte sie im Bayerischen Rundfunk. FDP-Wähler seien enttäuscht, weil sie sich in der jetzigen Regierungspolitik nicht wiederfänden. "Das ist unser Problem und nicht, dass wir die Bürgerinnen und Bürger auch noch mit großen Personaldiskussionen öffentlich behelligen."

Der Vorsitzende des Bundestagsfinanzausschusses, Volker Wissing, sagte im ZDF, Westerwelles Ämter als Außenminister und FDP-Chef seien durchaus vereinbar. Gegenteilige Vorwürfe träfen "nicht den Kern des Problems". Wenn der Spitzenkandidat der FDP in Rheinland-Pfalz, Herbert Mertin, glaube, ohne den Bundesvorsitzenden im Wahlkampf erfolgreicher sein zu können, dränge sich Westerwelle "sicherlich nicht auf", sagte Wissing. Er räumte zugleich ein, die Kritik am Zustand der FDP sei "durchaus auch in Teilen berechtigt". Dieses Problem müsse aber "gemeinsam geschlossen" gelöst werden. "Man macht es sich zu einfach, wenn man nur auf eine Person schielt."

Bundesentwicklungsminister Dirk Niebel bescheinigte der FDP ein Glaubwürdigkeitsproblem, weil es ihr nicht gelungen sei, in den Koalitionsverhandlungen die Angliederung seines Ministeriums an das Außenministerium durchzusetzen. "Aber davon abgesehen sagt jeder, zumindest in meiner Partei, ich mache meine Arbeit gut", sagte der frühere FDP-Generalsekretär der "Frankfurter Rundschau". Die Partei habe "die Substanz in der Wählerschaft und in der Programmatik", um "Wahlen zu gewinnen". Allerdings müsse die FDP "solche Erfolge besser verkaufen." Dabei nehme er sich nicht Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg zum Vorbild, der mit seiner Frau nach Afghanistan gereist sei.

Quelle: ntv.de, tis/dpa/AFP

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