"Notbremse" für Schengenabkommen Festung Europa wappnet sich
24.04.2011, 21:50 UhrIn einer konzertierten Aktion versuchen Frankreich und Italien, ihrer Probleme mit nordafrikanischen Flüchtlingen Herr zu werden. Die Ideen beider Länder laufen darauf hinaus, das Schengenabkommen zur Reisefreiheit innerhalb der EU unter bestimmten Umständen auszusetzen.

Ein Boot mit 700 Flüchtlingen aus Libyen kam vergangene Woche auf Lampedusa an.
(Foto: picture alliance / dpa)
Zwei Tage vor dem italienisch-französischen Gipfeltreffen zum Flüchtlingsstreit hat Italien sich für eine Anpassung des Schengenabkommens zur Reisefreiheit in Europa ausgesprochen. Zwar dürfe die Reisefreiheit nicht zur Diskussion gestellt werden, es müsse aber untersucht werden, wie das Abkommen in sich verändernden Zeiten angepasst werden könne, erklärte der italienische Außenminister Franco Frattini in einem Interview mit der Zeitung "Il sole 24 Ore". Er spreche sich deshalb für eine Art "Kontrolltechnik" aus, mit der bestimmt werden könne, wann das Abkommen an aktuelle Ereignisse angepasst werden müsse.
Niemand wolle das Abkommen abschaffen, auch nicht Frankreich, dementierte Frattini entsprechende Gerüchte. Bei dem Gipfeltreffen am Dienstag in Rom wollten Italiens Ministerpräsident Silvio Berlusconi und Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy eine gemeinsame Erklärung abgeben, bei der es um Hilfen für die direkt von Einwanderungsproblemen betroffenen Länder gehe. Zugleich sprach Frattini sich für Langzeitfinanzierungen für die südliche Mittelmeerküste in Höhe von zehn Milliarden Euro durch die Europäische Investitionsbank aus.
Frankreich plädiert für "Notbremse"
Frankreichs Europaminister Laurent Wauquiez forderte in einem Interview mit der Sonntagszeitung "Journal du dimanche", das Schengenabkommen müsse im Fall einer großen Krise mit einer "Notbremse" ausgestattet werden. Er schloss sich der Position der französischen Präsidentschaft an, nach der die Möglichkeiten zur vorübergehenden Aussetzung Schengens verstärkt und die Wiedereinführung von Grenzkontrollen bei einem großen Andrang ermöglicht werden sollen. Wauquiez erklärte, Frankreich und Italien stünden vor den gleichen Herausforderungen.
Durch die Revolutionen in Nordafrika sieht sich Italien einem großen Andrang von Einwanderern ausgesetzt. Rund 26.000 Flüchtlinge kamen auf der italienischen Mittelmeerinsel Lampedusa an, die meisten von ihnen Tunesier. Italien begann kürzlich damit, mehr als 20.000 von ihnen eine sechsmonatige Aufenthaltsgenehmigung zu erteilen, womit sich Rom Kritik unter anderem aus Paris zuzog, da Flüchtlinge damit in andere EU-Länder weiterreisen dürfen. In Frankreich leben besonders viele Tunesier. Vor einer Woche hatte Paris Rom damit verärgert, einen Grenzübergang an der französisch-italienischen Grenze geschlossen zu haben.
Papst Benedikt XVI. forderte Europa in seiner Osterbotschaft zu einer Aufnahme afrikanischer Flüchtlinge auf. Solidarisches Handeln sei angesichts der Not angebracht, mahnte das Oberhaupt der Katholischen Kirche auf dem Petersplatz in Rom. Der Papst betonte den Widerspruch zwischen der Freude der Osterfeierlichkeiten und Krieg, Armut sowie Leid in der Welt, besonders in Ländern Nordafrikas.
Quelle: ntv.de, AFP