Al-Maliki unter Druck Folterskandal in Geheimgefängnis
28.04.2010, 18:58 UhrIrakische Gefangene klagen nach Angaben von Human Rights Watch über systematische Folter in einem Geheimgefängnis in Bagdad. Der Skandal trifft auch den irakischen Premier Al-Maliki, weil dort sunnitsche Aufständische inhaftiert waren.
In einem Bagdader Geheimgefängnis sind zahlreiche Insassen nach einem Bericht der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) schwer misshandelt worden. Die Männer seien vergewaltigt, mit Elektroschocks gequält und geschlagen worden, teilte die Organisation nach Gesprächen mit 42 von 300 ehemaligen Insassen des Muthanna-Gefängnisses im Westen der irakischen Hauptstadt mit.
Das Gefängnis wurde vor zwei Wochen geschlossen, nachdem die "Los Angeles Times" erstmals über die Zustände in der Einrichtung berichtet hatte.
"Systematische Brutalität"
"Das Grauen, das sich uns eröffnet hat, legt den Schluss nahe, dass Folter in Muthanna an der Tagesordnung war", sagte der HRW-Vizedirektor für den Nahen Osten, Joe Stork. Er verlangte eine unabhängige Untersuchung. Zudem forderte Stork die irakische Regierung auf, die Verantwortlichen für "diese systematische Brutalität" zur Rechenschaft zu ziehen.
In dem Gefängnis wurden mutmaßliche sunnitische Aufständische aus der nördlichen Provinz Ninive festgehalten. Sie seien zwischen September und Dezember vergangenen Jahres festgenommen worden.
Der Fall erinnert an die Vorgänge im früheren US-Gefängnis Abu Ghraib. 2004 waren in der Anstalt aufgenommene Fotos an die Öffentlichkeit gelangt, auf denen zu sehen war, wie US-Soldaten die irakischen Insassen misshandelten. Das US-Gefängnis wurde 2006 geschlossen. Später wurde es als "Zentralgefängnis von Bagdad" unter irakischer Aufsicht wiedereröffnet.
Affäre bedroht Premier
Die Affäre um die Folterung mutmaßlicher sunnitischer Aufständischer könnte auch das Ende der Karriere des irakischen Ministerpräsidenten Nuri al-Maliki bedeuten. Nach der äußerst knappen Wahl führt er momentan Koalitionsgespräche mit verschiedenen Parteien, da wirkt dieser Skandal Gift. Denn dem amtierenden Ministerpräsidenten, dessen Bündnis bei der Parlamentswahl am 7. März den zweiten Platz hinter Ex-Regierungschef Ijad Allawi belegt hatte, dürfte es jetzt sehr schwer fallen, sunnitische Koalitionspartner zu finden. Die Kurdenparteien sind ohnehin schon auf Distanz zu ihm gegangen.
Auch international wächst die Kritik an Al-Maliki, der inzwischen den Direktor der irakischen Gefängnisse, Al-Scharif Al-Murtadhi, gefeuert hat. Nicht jeder glaubt ihm, dass er von der Folter in dem geheimen Gefängnis wirklich nichts wusste. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International forderte von Al-Maliki eine lückenlose Aufklärung der Vorfälle in dem inzwischen geschlossenen Gefängnis. Auch für die Kriegsbefürworter von einst ist der Folterskandal ein Problem. Denn nachdem sich die Massenvernichtungswaffen von Saddam Hussein 2003 als Fata Morgana entpuppten, hatte man die Menschenrechtsverletzungen des Saddam-Regimes nachträglich zur Rechtfertigung der Irak-Invasion herangezogen.
Quelle: ntv.de, AFP/dpa