Politik

Koalitionskrach vorprogrammiert Friedrich vergleicht Linke mit NPD

Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger und Innenminister Friedrich sind nicht einer Meinung.

Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger und Innenminister Friedrich sind nicht einer Meinung.

(Foto: dapd)

In der Diskussion um die Beobachtung der Linkspartei durch den Verfassungschutz wagt Innenminister Friedrich die Konfrontation und greift zu einem zumindest fragwürdigen Vergleich. Zuvor hatten sich viele Politiker auf die Seite der Linken gestellt - darunter auch Friedrichs FDP-Kabinettskollegin Leutheusser-Schnarrenberger.

In der Bundespolitik geht die Debatte über die Beobachtung führender Linke-Politiker durch den Verfassungsschutz weiter. Mit einer provokanten Meinung wagte sich nun Innenminister Hans-Peter Friedrich aus der Deckung. "Dass man bestimmte Abgeordnete beobachten darf und andere nicht, scheint mir einigermaßen abwegig", sagte er. Sonst müsse man "sofort auch die Beobachtung von NPD-Spitzenfunktionären einstellen".

Laut Friedrich hat der Verfassungsschutz einen gesetzlichen Auftrag, Organisationen und Parteien zu beobachten, die möglicherweise verfassungsfeindlich seien. "Es gibt erhebliche Hinweise, dass die Linke, die übrigens seit 1995 vom Verfassungsschutz beobachtet wird, solche verfassungsfeindlichen Tendenzen hat." Die Parteispitze werde beobachtet, aber nicht überwacht, sagte er - also durch Auswertung von Reden und Schriften, aber nicht durch geheimdienstliche Mittel.

Linke fordert Friedrich zu Rücktritt auf

Die Linken reagierten wie erwartet empört auf die Äußerungen von Friedrich. "Es ist absolut unerträglich, dass ein amtierender Innenminister die neonazistische NPD, deren Kader im rechten Terrornetzwerk Beihilfe zu schlimmsten Gewalttaten leisten, mit den frei gewählten Abgeordneten einer demokratischen Partei vergleicht", sagte Parteichef Klaus Ernst der "Rheinischen Post". Friedrich verlasse damit "den Konsens der Demokraten" und sei offensichtlich "für dieses Amt nicht qualifiziert".

Der Bundestagsabgeordnete Jan Korte, Mitglied des Fraktionsvorstands der Linken, warf Friedrich ein "eingeschränktes Demokratieverständnis" vor. "Sein Mangel an Durchsetzungswillen bei der Aufarbeitung des Versagens von Sicherheitsbehörden im Kampf gegen mordende Neonazibanden und sein heutiger Vergleich der Linken mit der NPD lassen nur einen Schluss zu: Er sollte andere ranlassen", forderte Korte den Minister zum Amtsverzicht auf. Es sei mit einem demokratischen Rechtsstaat nicht vereinbar, Abgeordnete der Opposition "durch den Inlandsgeheimdienst beobachten und verunglimpfen zu lassen".

Justizministerin bezeichnet Praxis als "unerträglich"

CDU-Innenexperte Wolfgang Bosbach forderte den Verfassungsschutz auf, die Beobachtungen im Einzelfall zu begründen. "Wer sich in der Partei eine Kommunistische Plattform hält, darf sich nicht wundern, dass es eine Beobachtung durch den Verfassungsschutz gibt", sagte der Vorsitzende des Bundestags-Innenausschusses. Er fügte aber hinzu: "Ich war überrascht über die hohe Zahl der Abgeordneten. Der Verfassungsschutz muss im Übrigen schon gut begründen, warum er auch Material sammelt über die Realos bei der Linkspartei. Er muss Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen belegen können. Allein die Mitgliedschaft in der Partei reicht dafür nicht aus."

Spätestens mit den Äußerungen von CSU-Mann Friedrich wird der Umgang mit der Linkspartei jedenfalls zum Zankapfel in der Regierungskoalition. So hatte sich FDP-Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger zuvor klar als Gegnerin der Praxis positioniert. Sie halte die Beobachtung für "unerträglich", sagte sie gegenüber der "Süddeutschen Zeitung". "Die Arbeit von frei gewählten Bundestagsabgeordneten darf nicht durch den Verfassungsschutz beeinträchtigt werden", führte sie weiter aus. Und verpasste dem Inlandsgeheimdienst noch einen Seitenhieb: Nach den Pannen um die Zwickauer Neonazi-Zelle solle der Verfassungsschutz seine Arbeit und seine Schwerpunkte überdenken.

Opposition stellt sich an die Seite der Linken

Auch die SPD stellt sich klar auf die Seite der Linken: "Haben die nichts besseres zu tun?", fragte Parteichef Sigmar Gabriel in der "Süddeutschen Zeitung". Zuvor hatte bereits der SPD-Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse kritisch geäußert. Der Parlamentarische Geschäftsführer der Grünen, Volker Beck, nannte das Vorgehen des Verfassungsschutzes absurd. Das Parlament benötige einen Schutzmechanismus, damit die Exekutive nicht die Legislative ausforsche, sagte er der "Frankfurter Rundschau."

Scharfe Kritik übte Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin: "Rechts blind, links blöd - diese Bundesregierung ist ein Ausfall im Kampf gegen den Rechtsextremismus", erklärte er. Eine "besondere Dreistigkeit" sei es dabei, dass der Verfassungsschutz auch das Mitglied der Linken im Parlamentarischen Kontrollgremium bespitzele, das für die Kontrolle der Geheimdienste zuständig sei. Dabei handelt es sich um den Abgeordneten Wolfgang Neskovic.

Der Linken-Abgeordnete Steffen Bockhahn sagte der "Ostsee-Zeitung", die Beobachtung von Mitgliedern seiner Fraktion durch den Inlandsgeheimdienst folge der politischen Absicht, die Glaubwürdigkeit der Fraktion in Zweifel zu ziehen.

Am Wochenende hatte der "Spiegel" berichtet, dass der Verfassungsschutz 27 der 76 Bundestagsabgeordneten der Linken beobachtet, darunter Fraktionschef Gregor Gysi, Parteichefin Gesine Lötzsch und Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau. Das Innenministerium bestätigte zwar die Zahl der beobachteten Abgeordneten, wollte aber unter Berufung auf eine Geheimhaltungspflicht keine Namen nennen. Ändern will das Haus von Friedrich die Praxis nicht. Auch der Verfassungsschutz selbst versteht die Aufregung nicht.

Quelle: ntv.de, jog/dpa

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