Politik

Schlapphüte bespitzeln Linke Fromm versteht Aufregung nicht

Alles was Linke-Abgeordnete sagen und fordern, geht durch die Kontrolle des Verfassungsschutzes.

Alles was Linke-Abgeordnete sagen und fordern, geht durch die Kontrolle des Verfassungsschutzes.

(Foto: picture alliance / dpa)

Parteiübergreifend haben sich Politiker gegen die Überwachung mehrerer Linken-Abgeordneter durch den Verfassungsschutz gewandt. Dessen Präsident Fromm rechtfertigt das Vorgehen. Alle Betroffenen wüssten Bescheid. Auch Innenminister Friedrich will an der Beobachtungspraxis nichts ändern.

Der Verfassungsschutz hält die Beobachtung von führenden Politikern der Linken unverändert für rechtmäßig. Präsident Heinz Fromm verwies auf ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts von 2010. Darin fänden sich auch Ausführungen zur Rechtmäßigkeit der Beobachtung von Abgeordneten.

In Deutschland machen solche Ideen eine Partei verdächtig.

In Deutschland machen solche Ideen eine Partei verdächtig.

(Foto: picture alliance / dpa)

Fromm sagte: "Dass heute eine gewisse Aufregung nach einer Presseberichterstattung entstanden ist, dafür habe ich in politischer Hinsicht durchaus Verständnis." Aber das Thema sei nicht neu. "Es ist nicht neu, dass die Partei beobachtet wird. Es ist nicht neu, dass Abgeordnete in die Beobachtung einbezogen sind. Den Betroffenen ist das bekannt. Also: So what?"

Ein Drittel aller Abgeordneten im Visier

Der Verfassungsschutzpräsident betonte, die Abgeordneten würden nicht in ihrem täglichen Leben beobachtet, sondern der Verfassungsschutz nehme zur Kenntnis, in welcher Weise sie sich politisch betätigten. Und das werde dann gegebenenfalls auch in den Akten erfasst. Zu einzelnen Personen wollte sich Fromm nicht äußern.

Die Beobachtung von Abgeordneten der Linksfraktion sorgt auch bei politischen Gegnern für Empörung. Selbst Koalitionspolitikern geht das zu weit. Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) nannte das Ausmaß der Beobachtung übertrieben und unverhältnismäßig. Ähnlich äußerten sich Politiker von FDP und SPD. Grüne und Linke stellten den Verfassungsschutz grundsätzlich infrage. CSU-Innenminister Hans-Peter Friedrich sieht dennoch keinen Anlass, die bisherige Praxis zu ändern. Die Generalsekretäre von CDU und CSU stärkten ihm den Rücken.

Am Wochenende hatte der "Spiegel" berichtet, dass der Verfassungsschutz 27 der 76 Bundestagsabgeordneten der Linken beobachtet, darunter Fraktionschef Gregor Gysi, Parteichefin Gesine Lötzsch und Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau. Das Innenministerium bestätigte zwar die Zahl der beobachteten Abgeordneten, wollte aber unter Berufung auf eine Geheimhaltungspflicht keine Namen nennen. Nach Angaben des Ministeriums wurden bei der Beobachtung nur offene Quellen wie Zeitungsartikel und Reden ausgewertet.

Özdemir stellt Verfassungsschutz infrage

Lötzsch und Gysi. Sind sie wirklich gefährlich für den Staat?

Lötzsch und Gysi. Sind sie wirklich gefährlich für den Staat?

(Foto: dpa)

Linksfraktionschef Gregor Gysi bezweifelt das. "Die lügen, die arbeiten auch mit geheimdienstlichen Methoden", sagte er. Ein Beleg dafür sei, dass in Verfassungsschutzakten über ihn, die er eingesehen habe, Stellen geschwärzt worden seien. "Wenn es ausschließlich öffentlich zugängliches Material ist, ist das Unsinn", sagte er. Gysi hatte Ende vergangenen Jahres erstmals seine Verfassungsschutzakte eingesehen. Der Linksfraktionschef forderte die Abschaffung der Behörde. "Sie haben nicht das Ende der DDR und des Kalten Krieges mitbekommen", warf er den Geheimdienstlern vor.

Die Linke kann auf ungewöhnlich breite Solidarität bauen. Die Grünen stellten ebenfalls die Existenz des Inlands-Geheimdienstes infrage. "Angesichts der Performance stellt sich die Frage, wie es weitergehen kann mit dem Verfassungsschutz", sagte Parteichef Cem Özdemir. Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD und Vorsitzende des Parlamentarischen Kontrollgremiums für die Geheimdienste, Thomas Oppermann, kündigte an, dass der Verfassungsschutz Rechenschaft über die Beobachtung der Linken ablegen müsse.

Aber auch in der Koalition regte sich Protest. "Natürlich gibt es Verfassungsfeinde bei den Linken", sagte Entwicklungsminister Niebel. "Aber es kann nicht sein, dass Abgeordnete flächendeckend überwacht werden."

Linke seit über 15 Jahren unter Beobachtung

Neben dem Parlamentarischen Kontrollgremium wird sich voraussichtlich auch das Präsidium des Bundestags mit der Überwachung von Abgeordneten befassen. Das deutete Lammert im "Neuen Deutschland" an. Sein Stellvertreter Wolfgang Thierse von der SPD forderte in dem Blatt ein Ende der Beobachtung: "Die Überwachung von Parlamentariern halte ich für ein Unding."

Innenminister Friedrich zeigte sich unbeeindruckt. "Nur weil es öffentlichen Protest gibt, kann das nichts an der Notwendigkeit der Beobachtung durch den Verfassungsschutz ändern", sagte ein Sprecher Friedrichs.

Nach Angaben des Innenministeriums wird die Linke - früher PDS - seit 1995 vom Verfassungsschutz beobachtet. Beim Bundesverfassungsgericht sind eine Organklage der Bundestagsfraktion und eine Verfassungsbeschwerde des thüringischen Landtagsabgeordneten Bodo Ramelow gegen ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts anhängig. Eine Entscheidung wird noch in diesem Jahr erwartet.

Quelle: ntv.de, dpa/rts

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