Vor NSU-Untersuchungsausschuss Fromm sagt aus
05.07.2012, 07:39 Uhr
Die Parlamentarier fordern Antworten und sollen sie nun von höchster Stelle bekommen. Der scheidende Präsident des Bundesverfassungsschutzes sagt vor dem Neonazi-Untersuchungsausschuss aus. Doch vielen reicht das nicht. Der Innenminister schickt einen Sonderermittler in die Behörde. Und etliche Politiker fordern Reformen oder ihre Auflösung.
Warum ließ ein Beamter des Verfassungsschutzes Akten vernichten? Welche Rolle spielten die "Schlapphüte", als das Zwickauer Terror-Trio untertauchte? Vor dem Neonazi-Untersuchungsausschuss des Bundestags erwarten die Parlamentarier heute Antworten. Und sie sollen sie von höchster Stelle bekommen. Der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Heinz Fromm, sagt heute vor dem Gremium aus. Es dürfte die spektakulärste Sitzung seit dem Beginn der Ermittlungen des Ausschusses vor fünf Monaten werden.
Er zieht damit die Konsequenzen aus einer ganzen Reihe von Ermittlungspannen in seiner Behörde. Die wohl spektakulärste: Kurz nachdem die Terrorgruppe Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) im November 2011 aufflog, zerstörte Fromms Behörde sieben Akten über V-Leute aus der Neonazi-Szene. Neben Fromm ist darum zudem der zuständige Referatsleiter vor den Ausschuss geladen.
Auch, dass der Verfassungsschutz nie konsequent prüfte, ob die zehn Morde der NSU-Mitglieder einen rechtsextremen Hintergrund hatten, steht als Vorwurf im Raum.
Der Ausschuss dürfte mit seinen Fragen an Fromm seinem Ziel, herauszufinden, wie die Neonazis Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe jahrelang weitgehend unbehelligt in Deutschland wüten konnten, ein ganzes Stück näher kommen.
Sonderermittler beim Verfassungsschutz
Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich reicht das allein offenbar nicht. Der CSU-Politiker setzte einen Sonderermittler ein. Das berichtet die "Bild"-Zeitung. Hans-Georg Engelke, Unterabteilungsleiter Verfassungsschutz in der Abteilung III Öffentliche Sicherheit des Innenministeriums, soll aufklären, wie genau es zu der Vernichtung jener Akten über V-Leute kommen konnte. Er wird seine Arbeit Mitte kommender Woche in der Kölner Zentrale des Verfassungsschutzes aufnehmen.
Damit steigt der Druck auf die Behörde zusehends - obwohl es dem Verfassungsschutz zuletzt gelang einige der Vorwürfe zumindest zu entkräften. Ein Großteil der vernichteten Akten konnte aus anderen Quellen rekonstruiert werden. Die Institution gewährte den Obleuten des Untersuchungsausschusses zudem Einblick in bisher geheime Unterlagen zur Neonazi-Affäre. Die belegen, dass der Inlandsgeheimdienst keine V-Leute in der Terrorgruppe NSU oder ihrem direkten Umfeld geführt hat.
Parlamentarier pochen auf Reformen
Trotzdem wird auch der Grüne und Linke brachten sogar eine Auflösung des Bundesamtes ins Gespräch.
FDP-Obmann Hartfrid Wolff sagte, er habe nach der eintägigen Akteneinsicht "noch kein vernünftiges Gesamtbild". Für eine "vertiefte Beschäftigung" mit dem Material in den rund 45 Aktenordnern habe die Zeit gefehlt.
"Das Schreddern (der Akten) ist damit nicht geheilt", sagte Grünen-Obmann Wolfgang Wieland. Vollständige Entwarnung könne er nicht geben. Zu klären sei etwa, ob der Verfassungsschutz möglicherweise Quellen im Umfeld der NSU geführt habe, die nie in Akten dokumentiert worden seien.
Und Grünen-Chefin Claudia Roth sagte der "Frankfurter Rundschau", wer wie das Bundesamt geheime Akten vernichte, lege die "Axt an die eigene Legitimationsbasis". Nach dem Rückzug von Präsident Fromm stehe nun "das ganze Konstrukt der Behörden vor der politischen Insolvenz".
Quelle: ntv.de, ieh/dpa/AFP