Politik

Verfassungsschutz auf dem Prüfstand Rufe nach Reformen lauter

Zukunft ohne "Schlapphut-Image"? Der deutsche Verfassungsschutz steht vor einer ungewissen Zukunft.

Zukunft ohne "Schlapphut-Image"? Der deutsche Verfassungsschutz steht vor einer ungewissen Zukunft.

(Foto: picture alliance / dpa)

Die Zahl der Politiker, die nach Reformen der Verfassungsschutzbehörden rufen, wird immer größer. Nach FDP-Fraktionschef Brüderle und SPD-Geschäftsführer Oppermann stimmt auch die Justizministerin in das Getöse ein. Die Institutionen müssen laut Leutheusser-Schnarrenberger "gut kontrolliert und handlungsfähig" sein.

Jahrelang konnte der Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) in Deutschland Das Bundesamt für Verfassungsschutz kam der Terrorgruppe nicht auf die Spur. Als die sogenannte Zwickauer Zelle dann im November des vergangenen Jahres aufflog, schredderte die Behörde etlichen Akten über die Neonazi-Szene. Wollte sie Ermittlungspannen vertuschen? Oder einen möglichen Einsatz von NSU-Mitgliedern als V-Leute? Das Scheitern der Verfassungsschutzbehörden wirft viele Fragen und nur eine Gewissheit auf: Die Institutionen müssen reformiert oder abgeschafft werden. Davon sind immer mehr Politiker aus Koalition und Opposition überzeugt.

Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger spricht von einer "zwingenden Notwendigkeit". "Wir brauchen eine Reform der Verfassungsschutzorganisationen in Deutschland", sagte die FDP-Politikerin in der ARD. "Das wird jetzt immer aktueller, seitdem wir gesehen haben, was bei der Zwickauer Zelle und den NSU-Taten (..) schiefgegangen ist." Sie will künftig sichergestellt sehen, dass die Behörden – sei es im Bund oder in den Ländern – "gut kontrolliert und handlungsfähig" sind.

Grüne erwägen Abwicklung der Behörden

Zuvor forderte schon Leutheusser-Schnarrenbergers Parteikollege Rainer Brüderle eine grundlegende Reform der Strukturen der Sicherheitsinstitutionen. Er sprach sich für eine stärkere Verzahnung der Landesämter und des Bundesamts für Verfassungsschutz aus. Der SPD-Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann sagte: "Verfassungsschützer müssen nicht in erster Linie Geheimdienstler sein, sondern geschulte Demokraten, mit einem richtigen Gespür für die Gefahren, die unserer Demokratie drohen." Auch das Parlamentarische Kontrollgremium könnte laut Oppermann "noch professioneller arbeiten", wie der Vergleich mit den USA zeige, wo die beiden Kontrollausschüsse jeweils rund 60 Mitarbeiter hätten. In Deutschland ist es nur ein knappes Dutzend.

Bei den Grünen ist gar von einer Abschaffung der Behörde die Rede: "Verfassungsschutzämter in Bund und Ländern haben sich zum blinden Fleck der Demokratie entwickelt", sagte Grünen-Chefin Claudia Roth der "Frankfurter Rundschau". "Das ganze Konstrukt der Behörde steht vor der politischen Insolvenz". Wer wie das Bundesamt geheime Akten vernichte, lege die "Axt an die eigene Legitimationsbasis". Vor Roth hatte sich bereits die Linkspartei für eine Abschaffung des Verfassungsschutzes ausgesprochen.

Der Untersuchungsausschuss des Bundestages kam derweil zu weiteren Zeugenvernehmungen zusammen. Im Laufe des Tages sollen die Obleute Einsicht in geheime "Rennsteig"-Akten des Bundesverfassungsschutzes nehmen dürfen und damit erstmals Zugang zu den realen Namen von V-Leuten bekommen. In den Reihen des Ausschusses war die Frage aufgeworfen worden, ob Verfassungsschützer im Rahmen der "Operation Rennsteig" versucht haben könnten, unter NSU-Mitgliedern Spitzel anzuwerben, und dass ein Teil der Akten deshalb vernichtet worden sei. Am Donnerstag soll auch der des Bundesamtes für Verfassungsschutz Heinz Fromm dem Gremium Rede und Antwort stehen. Der Ausschuss untersucht, wie es zur Mordserie der Neonazi-Terroristen mit zehn Toten kommen konnte.

Quelle: ntv.de, ieh/dpa/AFP

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