Politik

Schattenbanken soll es an den Kragen gehen G20 blockieren Börsensteuer

Begleitet wurde der Gipfel von - teils kreativen - Protesten.

Begleitet wurde der Gipfel von - teils kreativen - Protesten.

(Foto: REUTERS)

Die G20-Staaten erteilen der von Frankreich und Deutschland angestrebten globalen Steuer auf Finanztransaktionen eine Absage. Auch die Reform des Weltwährungssystems "steckt fest", wie Kanzlerin Merkel sagt. Dafür sollen Schattenbanken stärker reguliert werden. Russland kann sich derweil bereits auf seine WTO-Mitgliedschaft freuen.

Die führenden Industrie- und Schwellenländer (G20) bleiben im Kampf gegen gefährliche Spekulationsgeschäfte zerstritten. Nach ersten Entwürfen für die Abschlusserklärung des G20-Gipfels in Cannes ist die französische G20-Präsidentschaft mit ihren Bemühungen um die Einführung einer globalen Finanztransaktionssteuer gescheitert. Schattenbanken soll es allerdings an den Kragen gehen. Die Top-Wirtschaftsmächte verpflichten sich laut dem Entwurf, "die Regulierung und Aufsicht" in diesem Bereich zu stärken. Die Finanzminister und Notenbankchefs sollen im April über Fortschritte berichten.

Merkel bei der Begrüßung zum Gipfel in Cannes.

Merkel bei der Begrüßung zum Gipfel in Cannes.

(Foto: dpa)

Der Umfang von Schattenbanken ist durch stärkere Kontrollen im regulierten Finanzmarktbereich deutlich gewachsen - zwischen 2002 und 2010 von geschätzten 25 Billionen US-Dollar auf inzwischen 60 Billionen. Zahlreiche Finanzakteure wanderten zuletzt in den unregulierten "Schattenbankbereich" ab.

Die G20-Partner drängten die Europäer zudem zu einem entschlossenen Handeln im Kampf gegen die Schuldenkrise. US-Präsident Barack Obama sagte, für eine Lösung der Euro-Schuldenkrise sei auch die Unterstützung der G20 nötig. Denn es komme darauf an, die Welt auf einen kräftigen Wachstumspfad zurückzubringen und dafür zu sorgen, dass die Menschen wieder zurück in Arbeit kommen können. Auch Chinas Präsident Hu Jintao und sein russischer Kollege Dmitri Medwedew drängten die europäischen Partner zu zügigem Handeln.

"Finanziell unerlässlich, moralisch unumgänglich"

Die globale Finanztransaktionssteuer wird im Entwurf der Abschlusserklärung nur in einem Nebensatz erwähnt. "Wir erkennen die Initiativen zur Einführung einer Finanztransaktionssteuer in einigen unserer Staaten an", heißt es in dem Text. Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy hatte die Abgabe zu Jahresbeginn als eines seiner großen Ziele für seine G20-Präsidentschaft genannt. "Ich weiß, dass die Steuer große Gegner beziehungsweise große Kritiker hat. Wir werden versuchen, sie zu überzeugen", sagte der Staatschef. Er nannte sie "technisch machbar, finanziell unerlässlich, moralisch unumgänglich". "Hier gibt es leider die Positionen, die wir schon kennen. Einige sind dafür, andere sind nicht dafür", sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel.

Als einer der größten Gegner einer Finanztransaktionssteuer gelten die USA. Sie halten eine Bankengebühr auf die Verbindlichkeiten der größten Geldhäuser für die bessere Lösung, um die Finanzindustrie an den Belastungen durch die Krise zu beteiligen. Selbst in der EU gibt es keinen einheitlichen Kurs. Während Länder wie Deutschland und Frankreich dafür sind, die Steuer notfalls nur auf EU-Ebene einzuführen, lehnt Großbritannien dies ab.

Russlands Präsident Medwedew kann auf einen WTO-Sitz seines Landes hoffen.

Russlands Präsident Medwedew kann auf einen WTO-Sitz seines Landes hoffen.

(Foto: dpa)

Russland soll derweil bald Mitglied der Welthandelsorganisation WTO werden. "Wir erwarten, bis Jahresende Russland als WTO-Mitglied begrüßen zu können", heißt es in der Abschlusserklärung des Gipfels. Moskau bemüht sich seit 17 Jahren um einen WTO-Beitritt. Georgien hatte im Streit um den Status der Gebiete Abchasien und Südossetien die Aufnahme lange blockiert, sich aber unlängst kompromissbereit gezeigt. Die EU und Russland räumten bereits im Oktober die letzten bilateralen Hindernisse aus dem Weg. Die WTO mit Sitz in Genf will Märkte öffnen und damit den internationalen Handel erleichtern. Die Organisation schlichtet auch Handelsstreitigkeiten. Russland ist der drittgrößte Handelspartner der EU nach den USA und China.

"Die Doha-Runde steckt fest"

Stärker unter die Lupe genommen werden soll der bisher weitgehend unregulierte Markt für außerbörslich gehandelte Kreditderivate (OTC/"Over the Counter"). "Die Reform (...) ist entscheidend für ein widerstandsfähigeres Finanzsystem", heißt es in dem Entwurf.

Internationale und stark vernetzte Banken - sogenannte systemrelevante Finanzinstitute (englisch: "Sifis") müssen von 2016 an schrittweise mehr Kernkapital einführen. Davon betroffen sein sollen nach früheren Angaben zunächst 29 globale Banken. Mit dem Extra-Zuschlag wollen die G20 vermeiden, dass eine Pleite von Finanzriesen den gesamten Markt in Turbulenzen stürzt und das Problem des "too big to fail" ("zu groß für eine Pleite") angegangen wird. Im Entwurf heißt es: "Wir sind entschlossen, sicherzustellen, dass kein Finanzunternehmen "too big to fail" ist und die Steuerzahler die Kosten der Auflösung zahlen müssen."

Sarkozy konnte seine Parzner nicht von der Finanztransaktionssteuer überzeugen.

Sarkozy konnte seine Parzner nicht von der Finanztransaktionssteuer überzeugen.

(Foto: AP)

Bei den angestrebten Reformen des Weltwährungssystems zeichnet sich keine rasche Lösung ab. "Der Aufbau eines stabilen und belastbaren Weltwährungssystems ist ein langfristiges Unterfangen", heißt es in dem Entwurf. Es wird jedoch klargestellt, dass künftig das stärkere Gewicht wichtiger Schwellenländer wie Chinas, Brasiliens und Indiens angemessen berücksichtigt werden. "Die Doha-Runde steckt fest", sagte Merkel. "Ich habe mich sehr stark dafür eingesetzt, dass wir Fortschritte erreichen", fügte sie hinzu. Die Arbeiten an einer Reform sollen nach Angaben Merkels unter der künftigen mexikanischen G-20-Präsidentschaft fortgesetzt werden.

Aufstieg des Yuan bleibt offen

Hintergrund der Reformpläne ist, hohe und andauernde Ungleichgewichte sowie die starke Dominanz des US-Dollars als Reservewährung und starke Schwankungen bei Wechselkursen und Kapitalströmen abzubauen. Es geht also eher um eine geringere Abhängigkeit von der Leitwährung US-Dollar und unerwünschte Kapitalflüsse, die wichtigen Schwellenländern zu schaffen machen.

Der Aufstieg des chinesischen Yuan zu einer Welt- und Reservewährung bleibt offen. Hintergrund ist eine mögliche Ausweitung des Währungskorbs des Internationalen Währungsfonds (IWF) um Währungen der Schwellenländer wie den Yuan.

Bisher sind neben dem US-Dollar und dem Euro das britische Pfund und der japanische Yen in dem Korb. Daraus setzen sich die "Sonderziehungsrechte" (SZR) zusammen, eine künstliche, vom IWF geschaffene Währungseinheit. Im Entwurf der G20-Erklärung ist von einer Überprüfung der Zusammensetzung des SZR-Korbs erst im Jahr 2015 die Rede. Sollten Währungen aber die Kriterien - etwa freie Handelbarkeit - erfüllen, sei auch eine frühere Erweiterung möglich.

Gates: Kampf gegen Armut nicht vergessen

Bill Gates hatte auch was zu sagen.

Bill Gates hatte auch was zu sagen.

(Foto: AP)

Ein "Aktionsplan für Wachstum und Beschäftigung" soll dafür sorgen, dass die Länder enger zusammenarbeiten. "Um den unmittelbaren Herausforderungen der Weltwirtschaft zu begegnen, streben wir eine Koordination unserer Aktionen und unserer Politik an", heißt es. Dabei müsse jedes Land seinen Teil beitragen. Deutschland will unter anderem die Nachfrage auf dem Binnenmarkt ankurbeln, um den Leistungsbilanzüberschuss zu senken.

Der Microsoft-Gründer und Multimilliardär Bill Gates ermahnte die versammelten G20-Staaten ermahnt, trotz der Krise den Kampf gegen die Armut nicht zu vernachlässigen. "Ich will die Bedeutung dieser Krise in keiner Weise herunterspielen, aber ich glaube, dass wir auch die ärmsten Länder im Blick behalten sollten", sagte Gates in Cannes. Gates legte anschließend den in der südfranzösischen Stadt versammelten Staats- und Regierungschefs der 20 führenden Industrie- und Schwellenländer (G-20) einen Bericht über Armutsbekämpfung und Entwicklungsfinanzierung vor.

Quelle: ntv.de, mli/dpa/AFP/rts

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