Politik

"Dreiste Lüge" und "Scheinlegitimation" Gabriel attackiert Energiekonzept

Während die Bundesregierung trotz der vorgestellten Eckpunkte ihres Energiekonzeptes noch uneins über den eigenen Kurs ist, kommt aus den Ländern harsche Kritik. Der SPD-Vorsitzende Gabriel entdeckt hinter den schwarz-gelben Plänen gar eine "dreiste Lüge" - und manipulierte Zahlen, die der Atomwirtschaft eine Scheinlegitimation verschaffen soll.

Sigmar Gabriel, kampfeslustig.

Sigmar Gabriel, kampfeslustig.

(Foto: picture alliance / dpa)

Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel hat die Pläne der Bundesregierung für das Energiekonzept als Lobbyprogramm für die Atomindustrie kritisiert. "Die Diskussion über das Energiekonzept zeigt einmal mehr, das Gerede von einer Brückentechnologie war eine dreiste Lüge", sagte Gabriel.

"Offensichtlich geht es der Bundesregierung darum, die Prognose für den Ausbau der erneuerbaren Energien so herunterzuschrauben, damit es eine Scheinlegitimation für den Weiterbetrieb hochgefährlicher Pannenreaktoren gibt", sagte der SPD-Chef. Es gehe nicht um ein tragfähiges Energiekonzept, "sondern um Lobbyarbeit für die Atomindustrie."

Gesetzentwurf im September

Bereits am 27. September soll der Gesetzentwurf zur Laufzeitverlängerung von Atomkraftwerken ins Kabinett gebracht werden. Darin sind die Details enthalten, wie die Energieversorgung bis 2050 in Deutschland nach Willen der schwarz-gelben Koalition aussehen soll. Bis Ende August will die Regierung zudem Szenarien bei 4, 12, 20 oder 28 Jahren längerer Laufzeiten der Atomkraftwerke beschreiben - und welche Auswirkungen das auf den Ausbau der erneuerbaren Energien wie Sonne und Wind hätte.

Stillgelegtes AKW in Lubmin, Ostvorpommern.

Stillgelegtes AKW in Lubmin, Ostvorpommern.

(Foto: dpa)

Nach dem rot-grünen Atomausstiegsbeschluss würde derzeit gemäß der vereinbarten Reststrommengen der letzte Meiler etwa 2025 vom Netz gehen. Schon im 1. Quartal 2010 gab es aber einen Stromüberschuss, weswegen viele Experten angesichts des ungebremsten Ausbaus der Erneuerbaren eine Laufzeitverlängerung nicht für notwendig halten.

Schwarz-Gelb selbst uneins

In der Frage längerer Atomlaufzeiten zeichnet sich weiterhin kein Kompromiss in der schwarz-gelben Koalition ab. Während CSU-Chef Horst Seehofer längere Laufzeiten an sicherheitstechnische Frage koppeln will, betont das Umweltministerium, die Atomkraftwerke sollten nur noch solange laufen wie nötig - und nicht wie technisch möglich.

"Der Maßstab, ob und wie lange ein Kernkraftwerk läuft, muss doch zuallererst die Sicherheit sein. Wir können doch keine Jahreszahl ohne Rückkoppelung an Sicherheit vereinbaren", sagte Seehofer der "Frankfurter Rundschau". Ein CSU-Sprecher wies Interpretationen zurück, dies sei als Votum für unbegrenzte Laufzeiten zu verstehen.

Länder gegen die Pläne

Margit Conrad, kritisch

Margit Conrad, kritisch

(Foto: picture alliance / dpa)

Auch in den Ländern nimmt der Widerstand gegen das Energiekonzept der Bundesregierung zu, das nach der Sommerpause vorgelegt werden soll. Nach Nordrhein-Westfalen bemängelte rheinland-pfälzische Umweltministerin Margit Conrad (SPD) eine zu starke Konzentration auf das Thema Atom in dem Programm.

"Das ganze Konzept ist offensichtlich um den politischen Willen herumgestrickt, die Atomkraft länger laufen zu lassen", sagte Conrad der "Frankfurter Rundschau". "Das Vergleichsszenario für eine Energieversorgung ohne Atomkraft ist unseriös: Es geht von keinerlei ambitionierten Zielen für erneuerbare Energien und Energieeffizienz aus."

Satter Stromüberschuss

Schon im ersten Quartal 2010 gab es in Deutschland einen satten Stromüberschuss. Deshalb wird - auch in den Reihen der Union - gefragt, ob für die nahe Zukunft weiterhin ein so hoher Kohle- und Atomstromanteil notwendig ist. Zudem hat es im ersten Halbjahr einen immensen Zuwachs bei Photovoltaikanlagen gegeben. Einer Studie des Umwelt- und des Wirtschaftsministeriums zufolge könnte der Öko-Strom- Anteil schon bis 2020 auf 38,6 Prozent steigen.

Eine die erneuerbaren Energien in den Mittelpunkt stellende Politik gebe es nicht, kritisierte die rheinland-pfälzische Ressortchefin Conrad. "Das widerspricht den eigenen Zielen der Bundesregierung für den Ausbau erneuerbarer Energie." Die Regierung diskreditiere ihr Energiekonzept so als "Atomverlängerungskonzept". Zudem habe Röttgen die Länder nie ernsthaft beteiligt, obwohl sie betroffen seien und der Bund sie für die Umsetzung brauche.

Norbert Röttgen: "Atomverlängerungskonzept" statt Erneuerbare Energien?

Norbert Röttgen: "Atomverlängerungskonzept" statt Erneuerbare Energien?

(Foto: dpa)

Angesichts einer fehlenden schwarz-gelben Mehrheit will die Bundesregierung die längeren Atomlaufzeiten - im Gespräch ist ein Plus zwischen 8 und 15 Jahren - ohne Einbindung des Bundesrats beschließen. SPD und Grüne halten eine Einbeziehung der Länder für erforderlich und wollen dann vor dem Bundesverfassungsgericht klagen.

"Chaos hat zugenommen"

Röttgen hatte am Donnerstag den Umweltministern der Länder in Bonn geplante Eckpunkte seines Energiekonzept erläutert. Anschließend zeigte sich Nordrhein-Westfalens Ressortchef Johannes Remmel (Grüne) sehr enttäuscht. Was Röttgen im Kreise der Länderfachminister vorgelegt habe, deute darauf hin, dass das Chaos innerhalb der Bundesregierung noch zugenommen habe, sagte er.

Remmel kündigte an, alle rechtlichen Möglichkeiten zur Verhinderung der Laufzeitverlängerung zu nutzen. Die von der Bundesregierung angestrebte Laufzeitverlängerung sei ein "Tritt in die Kniekehlen" für alle, die Innovation wirklich wollten. Die entscheidende Frage sei, ob die künftige Struktur der Energieversorgung klimafreundlich und dezentral sein und auf erneuerbaren Energien fußen werde. Das andere Szenario bedeute, dass die großen Energieversorger mit ihren großen Kraftwerken - sowohl Atom als auch Kohle - weiter die Landschaft bestimmten.

Quelle: ntv.de, rpe/dpa

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