Politik

AKW Krümmel bleibt vom Netz Gabriel erhöht den Druck

Nach der Panne im Atomkraftwerk Krümmel will Umweltminister Gabriel alle Atommeiler in Deutschland überprüfen und drängt die Union zu einer Änderung ihrer Politik: Ältere Kraftwerke dürften keine Laufzeitverlängerun mehr erhalten. Seine Kieler Amtskollegin will zudem entscheiden, ob Vattenfall überhaupt noch als Betreiber für Atomkraftwerke in Frage kommt. Der Konzern entschuldigt sich.

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Atomkraftgegener protestieren vor dem Kernkraftwerk Krümmel.

(Foto: AP)

Nach dem erneuten Störfall im Kernkraftwerk Krümmel setzen Bundes- und Landesbehörden den Betreiber Vattenfall und die gesamte deutsche Stromwirtschaft stärker unter Druck. Umweltminister Sigmar Gabriel kündigte an, er werde die Elektronik in allen deutschen Atommeilern untersuchen lassen. Er hat sich zudem in das Genehmigungsverfahren für Krümmel eingeschaltet. "Wir sind uns einig, dass ein Wiederanfahren des Reaktors nur nach vorheriger Zustimmung der Bundesaufsicht erfolgen wird", erklärte er.

Die Kieler Sozialministerin Gitta Trauernicht will die Zuverlässigkeit von Vattenfall als Betreiber von Kernkraftwerken erneut prüfen lassen. Das Unternehmen entschuldigte sich öffentlich dafür, entgegen den Bestimmungen nicht unverzüglich den zuständigen Einsatzstab des Kieler Innenministeriums informiert zu haben. Zahlreiche Umweltorganisationen und Politiker der Grünen forderten, den Atommeiler an der Elbe endgültig stillzulegen.

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Gabriel will seine Kabinettskollegen Guttenberg von der Atomkraft abbringen.

(Foto: AP)

Nach zwei Jahren Stillstand war das Kernkraftwerk vor zwei Wochen wieder ans Netz gegangen, aber nicht störungsfrei gelaufen. Am Wochenende sollte der Reaktor wieder auf seine volle Leistung hochgefahren werden, schaltete sich aber selbstständig ab. Ursache war ein Kurzschluss in einem Transformator, ähnlich wie bei dem Störfall vor zwei Jahren, der zu dem jahrelangen Ausfall des Kraftwerks führte. "Der Transformator soll umgehend einer sorgfältigen Schadensanalyse unterzogen werden", sagte Ernst Michael Züfle, Geschäftsführer von Vattenfall Europe Nuclear Energy. "Für die Ursache des neuen Kurzschlusses haben wir bisher keine Erklärung."

Nach dem Kurzschluss in dem anderen Transformator vor zwei Jahren seien an dem diesmal betroffenen Trafo umfangreiche Prüfungen und Analysen durchgeführt worden. "Unter anderem die Herstellerfirma und Sachverständige haben uns die uneingeschränkte Gebrauchsfähigkeit bestätigt."

Heftige Kritik an Vattenfall

Trauernicht kritisierte neben dem Störfall selbst vor allem die Informationspolitik des Energiekonzerns. "Warum es nicht möglich war, binnen 40 Minuten auf dem fest vereinbarten und vorgeschriebenen Weg eine kurze Erstinformation über die Reaktorschnellabschaltung an das Lagezentrum und die Atomaufsicht zu geben, ist mir völlig unverständlich", sagte sie. "Auch dies muss Konsequenzen haben!" Züfle räumte Versäumnisse im Informationsfluss ein. "Wir bedauern außerordentlich, dass es durch den Vorfall erneut zu einer Verunsicherung der Öffentlichkeit gekommen ist", sagte er. Vattenfall werde aus dem Ablauf klare Konsequenzen ziehen.

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Warnung vor radioaktiver Strahlung in Krümmel.

(Foto: picture-alliance/ dpa)

Die Schnellabschaltung führte in der nahe gelegenen Millionenstadt Hamburg zu massiven Störungen und Einschränkungen. Rund 1500 von 1800 Ampelanlagen fielen vorübergehend aus. Die Wasserversorgung wurde durch ausfallende Pumpen und darauffolgende Wasserrohrbrüche im Westen der Stadt beeinträchtigt; tausende von Hamburgern waren in der Nacht zum Sonntag ohne Wasser. Auch die Aluminiumwerke und die Stahlwerke waren von Stromausfällen betroffen. Geldautomaten funktionierten nicht mehr. Mittlerweile sind alle Störungen wieder behoben.

Union verteidigt Atomkraftwerke

Vor dem Kernkraftwerk demonstrierten am Sonntag Kernkraftgegner für die sofortige Abschaltung von Krümmel. Sie erhielten Unterstützung von Organisationen wie dem BUND, dem Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz BBU und Robin Wood, sowie verschiedenen Bundes- und Landespolitikern der Grünen. Die Minister Gabriel und Trauernicht erinnerten dagegen an die Möglichkeit aus der Vereinbarung über den Atom-Ausstieg, restliche Strommengen von älteren und anfälligeren Atomreaktoren auf neuere Anlagen zu übertragen und so ältere Anlagen früher vom Netz zu nehmen. Dagegen wandte sich CDU-Fraktionschef Volker Kauder. "So lange Kernkraftwerke sicher sind, sollen sie auch laufen können", sagte er dem "Hamburger Abendblatt".

Völlig offen ist, wann Krümmel wieder ans Netz gehen kann. Gabriel hat erklärt, dazu werde eine Genehmigung der Bundesaufsicht erforderlich sein. Auch die von Trauernicht veranlasste Prüfung der Zuverlässigkeit wird einige Zeit in Anspruch nehmen.

Gabriel forderte Kanzlerin Angela Merkel und Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg auf, ihren Kurs in der Atompolitik aufzugeben. "Die jüngsten Vorfälle in Krümmel beweisen, dass eine Laufzeitverlängerung für ältere Kraftwerke nicht zu verantworten ist", sagte er dem Berliner "Tagesspiegel".

Niedersachsen bestreitet mangelnde Aufsicht

Zwischen Niedersachsen und Gabriel ist derweil ein heftiger Streit über die Sicherheit von Atomkraftwerken bei Störfällen entstanden. "Mit seinem verfassungswidrigen Verständnis von Atomaufsicht wird Herr Sander zum untragbaren Sicherheitsrisiko" sagte Gabriel der "Tageszeitung" über Niedersachsens Umweltminister Hans-Heinrich Sander. Gabriel warf Niedersachsen vor, als einziges Bundesland keine Nachweise für die Sicherheit der vom Land beaufsichtigten Atomkraftwerke zu liefern.

Sander wies dies entschieden zurück. "Niedersachsen geht es um den sicheren Betrieb der Kernkraftwerke. Daher haben wir bereits gehandelt. Gabriel sollte seine Spielchen im Vorwahlkampf lassen", sagte Sander am Sonntag. Schon 2007 seien die Sicherheitskonzepte für die Atomkraftwerke in Lingen, Grohnde und Unterweser erarbeitet und umgesetzt worden, hatte Sanders Sprecherin zuvor erklärt. Dies sei dem Bundesumweltministerium ausführlich schriftlich erläutert worden. Deshalb habe Sander keine Veranlassung gesehen, einer Einladung zu einem Sicherheitsgespräch am Freitag in Bonn zu folgen.

Ein Sprecher des Bundesumweltministeriums sagte dagegen: "Was Niedersachsen vorgelegt haben will, entspricht in keiner Weise den Anforderungen, um die es geht." Da Sander nicht bei dem Treffen erschienen war, wies Gabriel Niedersachsen an, die Nachweise bis Mitte Juli vorzulegen oder bis zum 7. August von den Betreibern der Atomkraftwerke zu verlangen. Auch wegen der Aufarbeitung der Pannen im maroden Atommülllager Asse bei Wolfenbüttel war es in den vergangenen Monaten immer wieder zu Reibereien zwischen Gabriel und Sander gekommen.

Quelle: ntv.de, tis/dpa/AFP

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