Politik

Ouagadougou dementiert Gaddafi ist nicht willkommen

Asyl für einen fliehenden "Revolutionsführer"? Blaise Compaoré vor der Presse.

Asyl für einen fliehenden "Revolutionsführer"? Blaise Compaoré vor der Presse.

(Foto: REUTERS)

Die Berichte über einen mysteriösen Militärkonvoi im Süden Libyens versetzen die Regierung im westafrikanischen Burkina Faso in helle Aufregung. Gaddafi werde nicht erwartet, heißt es aus der Hauptstadt Ougadougou. Der Nachbarstaat Niger, in dem der Konvoi derzeit unterwegs ist, spielt die Bedeutung herunter: Es sei niemand aus "der ersten Reihe" dabei, schon gar nicht Gaddafi selbst.

Über den möglichen Aufenthaltsort von Libyens Ex-Diktator Muammar al-Gaddafi kursieren wilde Spekulationen: In dem westafrikanischen Burkina Faso wird der gestürzte libysche Machthaber Muammar Gaddafi entgegen anderslautender Berichte nicht erwartet.

Straßensperren blockieren die Fluchtwege im Norden.

Straßensperren blockieren die Fluchtwege im Norden.

(Foto: dpa)

Aus dem Umfeld des burkinischen Präsidenten Blaise Compaoré hieß es, es seien keine Vereinbarung bekannt, nach der Gaddafi in Burkina Faso aufgenommen werden solle. Entsprechende Berichte seien schlicht nicht wahr.

Auslöser der Gerüchte um Flucht des gestürzten libyschen Machthabers in das frühere Obervolta waren übereinstimmende Berichte über einen .

Nach Angaben von örtlichen Armee-Angehörigen soll die Kolonne aus Richtung Libyen kommend in Niger eingetroffen sein. Der Zug aus 200 bis 250 Fahrzeugen sei von der Armee Nigers begleitet worden und am Montagabend in der Wüstenstadt Agadez angekommen, hieß es. Das nigerianische Außenministerium spielte die Bedeutung des Konvois herunter. Es seien "einige Persönlichkeiten mehr oder weniger wichtigen Ranges im Niger eingetroffen, das ist alles". Es sei aber niemand "aus der ersten Reihe" dabei, "am wenigsten Muammar el Gaddafi und einer seiner Söhne", sagte Außenminister Mahomed Bazoum.

Beobachter hatten die Vermutung aufgestellt, dass Gaddafi über Niger versuchen könnte, das südwestliche Nachbarland Burkina Faso auf dem Landweg zu erreichen. Der Luftraum wird von der NATO kontrolliert. Der Seeweg ist ihm ebenfalls längst verschlossen. Im Norden des Landes haben die Rebellen zahlreiche Straßensperren errichtet, um eine Flucht des früheren Machthabers zu unterbinden. Das westafrikanische Binnenland soll dem abgesetzten Staatschef dagegen Asyl angeboten haben.

Flucht unter den Augen der NATO?

Ein Angehöriger der französischen Armee sagte, ihm sei berichtet worden, Gaddafi und sein Sohn Saif Al-Islam würden sich möglicherweise dem Konvoi anschließen. Ziel des Konvois sei Burkina Faso. Das Land zählt zu den ärmsten Staaten der Welt. Ein Großteil des Staatsgebiets liegt in der Sahelzone südlich der Sahara. Der Binnenstaat grenzt an Niger.

Sie suchen Gaddafi: Truppen des Nationalen Übergangsrats.

Sie suchen Gaddafi: Truppen des Nationalen Übergangsrats.

(Foto: REUTERS)

Bei der NATO, die im Rahmen ihrer Operationen zum Schutz der Zivilbevölkerung den Luftraum über Libyen kontrolliert, wollte man zu den Spekulationen nicht Stellung nehmen. Die Verfolgung von Mitgliedern des früheren libyschen Regimes sei keine Aufgabe der Nato, sagte ein NATO-Sprecher. Militärexperten gehen davon, dass es weder der Einsatzführung des Militärbündnissen, noch den im Land operierenden Geheimdiensten Frankreichs, Großbritanniens und der USA entgehen dürfte, sollte sich tatsächlich ein solcher Konvoi in Richtung Grenze bewegt haben.

"Unser Auftrag ist es, die Zivilbevölkerung in Libyen zu beschützen - nicht, Tausende von flüchtenden früheren Regimegrößen, Söldnern, Offizieren und innerhalb des Landes vertriebenen Personen zu verfolgen oder zum Ziel zu machen", stellte NATO-Sprecher Oberst Roland Lavoie fest. Weitere Angaben machte er zu den Gerüchten nicht. Allerdings fügte er hinzu, dass in den vergangenen beiden Wochen "zwei große Konvois, die sich einer Stadt näherten, zerstört wurden, weil sie eine Gefahr darstellten".

Beobachter werteten dies als klaren Hinweis, dass die NATO auch über Erkenntnisse zum fraglichen Konvoi Richtung Niger verfügt. Oberst Lavoie hielt sich jedoch bedeckt. Die Leitung des Nato-Einsatzes spreche grundsätzlich nicht über Informationen durch Beobachtung und Aufklärung, sondern lediglich über die eigenen militärischen Aktionen, hieß es lediglich.

Zehn Lastwagen voller Gold und Devisen?

In Libyen selbst kursieren unterdessen weitere Spekulationen: Ein Mitglied des libyschen Übergangsrates erklärte unter Berufung auf Angehörige eines lokalen Tuareg-Volkes, Lastwagen mit Gold und Bargeld hätten die Grenze von Libyen nach Niger überquert. Es habe sich um zehn Fahrzeuge mit Gold, Euro und Dollar gehandelt, sagte der Vorsitzende des Ausschusses für internationale Fragen, Fathi Badscha. Die Berichte über den größeren Fahrzeugkonvoi bestätigte er nicht.

Mögliche Fluchtwege quer durch Westafrika.

Mögliche Fluchtwege quer durch Westafrika.

(Foto: www.stepmap.de)

Nach sechs Monaten Bürgerkrieg kontrollieren Gaddafis Einheiten nur noch kleine Gebiete. Als letzte Rückzugsorte gelten Bani Walid, Jufra, Sabha und Gaddafis Geburtsort Sirte. Es liegen keine gesicherten Informationen vor, wo sich Gaddafi zuletzt aufhielt. Erst kürzlich hatte Mussa Ibrahim, der Sprecher des langjährigen libyschen Machthabers, erklärt, Muammar al-Gaddafi befinde sich bei "bester Gesundheit". Er organisiere und plane derzeit die Verteidigung Libyens. "Wir sind noch immer mächtig", sagte Ibrahim dem syrischen Sender Arrai, der die Äußerungen am Montagabend sendete.

Gaddafis Söhne erfüllten ebenfalls ihre "Rolle der Verteidigung und Aufopferung" für ihr Land, fügte Ibrahim hinzu, ohne die betreffenden Kinder Gaddafis konkret zu benennen. Der Kampf werde "bis zum Tod oder zum Sieg" fortgesetzt. "Wir werden kämpfen und Widerstand leisten, für Libyen und für alle Araber." Die neue libysche Führung des Landes vermutete, dass sich Ibrahim in der seit Tagen eingekreisten Wüstenstadt Bani Walid aufhielt.

Erkenntnisse der Tuareg

Den Gaddafi-Gegnern warf Ibrahim in seinen von Arrai übertragenen Äußerungen vor, "Verbrechen" begangen zu haben. "Libyen wird niemals fallen und die würdigen Stämme werden weiterhin jede freie Stadt verteidigen", sagte er. Trotz dessen setzten sich indes offenbar mehrere Vertraute Gaddafis ins Nachbarland Niger ab. Gaddafis Sicherheitschef Mansur Daw und rund zehn weitere Gaddafi-Getreue sollen nach Angaben der Tuareg in die Stadt Agadez im Norden des Landes ausgereist sein.

Als Nomadenvolk bewegen sich die Tuareg seit jeher über Staatsgrenzen hinweg und verfügen daher über ausgezeichnete Verbindungen in alle Richtungen. Unter den Gaddafi-Vertrauten seien aber "weder Gaddafis Söhne noch nahe Verwandte", sagte ein Tuareg-Vertreter, der anonym bleiben wollte. Er widersprach damit den Konvoi-Gerüchte um eine angebliche Flucht Richtung Niger und Burkina Faso.

Fällt Bani Walid kampflos?

Vertreter des Nationalen Übergangsrat des Landes sorgten sich unterdessen um die noch in Bani Walid verbliebenen Zivilisten. Verhandlungsführer Abdallah Kenschil sagte, in Gebäuden im Zentrum der Stadt sowie in mehreren angrenzenden Dörfern würden Zivilisten als Geiseln festgehalten. "Gaddafis Soldaten haben auch die Tore der Stadt geschlossen und lassen Familien nicht hinaus", sagte er. "Das beunruhigt uns, denn wir wollen bei einem Angriff keine Zivilisten töten."

Verhandlungen über eine friedliche Übergabe Bani Walids, das als eine der letzten Bastionen von Gaddafi-Anhängern gilt, waren am Wochenende gescheitert. Daraufhin war mit einem Angriff der Truppen der neuen Führung des Landes gerechnet worden. Die Lage rings um Bani Walid blieb zunächst ruhig. Unter den Gaddafi-Gegnern gebe es aber Debatten darüber, "einen Schritt weiterzugehen oder zu warten", sagte ein Vertreter. Im Lauf des Tages zeichnete sich jedoch ab, dass die in der Stadt verbliebenen Truppen sich kampflos ergeben wollen.

Die Befreiung zieht sich in die Länge

Der Nationale Übergangsrat erklärte darüber hinaus, seinen Umzug von der ehemaligen Rebellenhochburg Bengasi nach Tripolis erst zu vollziehen, wenn "das gesamte Gebiet befreit" sei, darunter auch Gaddafis Geburtsstadt Sirte. Dass einige Vertreter des Rats in einem "symbolischen Akt" in die Hauptstadt gingen, sei indes denkbar, sagte der Vize-Präsident des Rats, Abdel Hafis Ghoga.

London öffnete unterdessen nach einem halben Jahr wieder eine diplomatische Vertretung in Libyen. Ziel sei es, die Verbindungen zu den Behörden der neuen Führung auszubauen und sie beim Wiederaufbau des Landes zu unterstützen, erklärte Außenminister William Hague. Der UN-Sicherheitsrat will seinerseits noch in dieser Woche über die Entsendung einer UN-Mission nach Libyen beraten.

Quelle: ntv.de, mmo/AFP/dpa/rts

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