Rebellen finden Geld und Waffen Gaddafi soll geflohen sein
22.09.2011, 16:11 Uhr
Rebellen in der Nähe von Sirte.
(Foto: REUTERS)
Die letzten von Truppen des libyschen Ex-Machthabers Gaddafi gehaltenen Städte werden erbittert verteidigt. Deshalb geht der Übergangsrat davon aus, dass sich Gaddafi dort aufhält. Allerdings gibt es auch Darstellungen, nach denen Gaddafi inzwischen geflohen ist. Die Aufständischen finden derweil Chemiewaffen - und Geld im Milliardenwert.
Die libysche Übergangsregierung hat nach eigenen Angaben weitere Widerstandsnester des früheren Machthabers Muammar al-Gaddafi eingenommen und dabei ein Geheimdepot an Chemiewaffen entdeckt. Ein Außenposten im Gebiet Dschufra sowie alle Viertel der Wüstenstadt Sabha wurden einem Sprecher zufolge eingenommen, allerdings würden Scharfschützen weiter Widerstand leisten.

Ein verletzter Aufständischer in Sabha - die Stadt soll inzwischen komplett eingenommen worden sein.
(Foto: dpa)
Zudem geht der Übergangsrat nach eigener Darstellung unbestätigten Angaben nach, der frühere Machthaber Gaddafi sei aus der Stadt geflohen. Die Festnahme des Untergetauchten ist für die Übergangsregierung von enormer symbolischer Bedeutung. Der letzte Regierungschef Gaddafis, Al-Bagdadi Al-Mahmudi, wurde unterdessen in Tunesien festgenommen. Das bestätigte das Innenministerium. Demnach wurde der Politiker am Vorabend an der Grenze zu Algerien nahe der Oasenstadt Tozeur in dem Ort Tamaghza offiziell wegen einer fehlenden Einreisegenehmigung festgesetzt. Wegen illegalen Grenzübertritts wurde er anschließend zu sechs Monaten Gefängnis verurteilt.
Der Übergangsrat entdeckte unterdessen einem Bericht der "Financial Times" zufolge in der Zentralbank in Tripolis Geld im Wert von umgerechnet mehr als 16 Milliarden Euro aus der Zeit Gaddafis. Die libyschen Dinare hätten in den Tresoren der libyschen Nationalbank in Holzkisten gelagert, hieß es. Mit dem Geld könnten die Ausgaben in den kommenden sechs Monaten finanziert werden, wurde der Finanzbeauftragte des Übergangsrates, Wafik Schater, zitiert. Das Geld soll nirgendwo verbucht gewesen sein. Der Milliardenschatz sei typisch dafür, wie Gaddafi Einnahmen des ölreichen Landes für seine privaten Zwecke vereinnahmt habe. Libyen fordert zudem die Freigabe von weltweiten Gaddafi-Guthaben im Wert von 170 Milliarden Dollar. Die wichtigste Einnahmequelle des Landes ist der Export von Erdöl.
Keine Angaben über Menge der Chemiewaffen
Die Kämpfer brachten die Chemiewaffen dem Sprecher zufolge unter ihre Kontrolle, ohne nähere Angaben über die Menge zu machen. Die Darstellung konnte zunächst nicht überprüft werden. Die Regierung Gaddafis sollte ihre chemischen Waffen eigentlich im Jahr 2004 im Rahmen von Annäherungsbemühungen mit dem Westen zerstören und dabei auch das Atomprogramm aufgeben. Der Organisation für das Verbot chemischer Waffen zufolge versteckte das Regime jedoch 9,5 Tonnen Senfgas an einem geheimen Wüstenort.
Die Übergangsregierung kontrolliert den Großteil Landes - vor allem dank der Unterstützung der NATO. Das Bündnis zeigte sich zuversichtlich, ihren am Mittwoch um 90 Tage verlängerten Einsatz innerhalb der Frist erfolgreich abschließen zu können. Die NATO hat ihre im März begonnenen Bombardements auch nach dem Sturz Gaddafis vor einem Monat fortgesetzt und Widerstandsnester des früheren Machthabers angegriffen.
Erbitterter Widerstand
NATO-Kommandeur Charles Bouchard sagte, Luftangriffe und Seepatrouillen würden so lange fortgesetzt, wie eine Gefahr für die Zivilbevölkerung bestehe. Die NATO hat auf Basis eines UN-Mandats den Auftrag, die Bevölkerung zu schützen. Allerdings kamen nach Angaben eines Gaddafi-Sprechers, die nicht überprüft werden konnten, in Sirte durch Angriffe von NATO und Truppen des Übergangsrates am Mittwoch und Donnerstag rund 150 Zivilisten ums Leben.
Bei Gefechten um die libysche Stadt Hun haben Gaddafi-Kämpfer nach Angaben von Augenzeugen dutzende Menschen getötet. Nach der Einnahme der Stadt durch die Truppen des Nationalen Übergangsrats am Mittwoch hätten Kämpfer Gaddafis Hun von der benachbarten Ortschaft Sokna aus unter Beschuss genommen. Außer dem örtlichen Kraftwerk seien mehrere Stadtviertel bombardiert worden. Der Übergangsrat habe Hun aber weiter unter seiner Kontrolle.
Beim Sturm auf die verbliebenen Bastionen Gaddafis, allen voran die Wüstenstadt Bani Walid und Sirte stoßen die Kämpfer der Übergangsregierung auf erbitterten Widerstand. An der Front nahe Sirte fehlten den Truppen schon 50 Kilometer vor der Geburtsstadt Gaddafis die Feuerkraft, um letzte Anhänger vertreiben zu können. Die Getreuen Gaddafis würden nahezu selbstmörderisch kämpfen, sagte ein Kämpfer. Das lege den Schluss nahe, dass sich Gaddafi selbst oder einer seiner Söhne dort verstecke.
Die EU hob derweil weitere Sanktionen gegen Libyen auf, die noch vor dem Sturz Gaddafis verhängt worden waren. Die EU-Länder geben blockierte Gelder frei und erlauben libyschen Flugzeugen wieder, den Luftraum sowie die Flughäfen der Europäischen Union zu nutzen, wie in Brüssel mitgeteilt wurde. Die EU folgt damit einer Entscheidung der Vereinten Nationen aus der vergangenen Woche. Die freigegeben Gelder sollen die libysche Wirtschaft bei der Erholung und UN-Hilfen für das Land unterstützen.
Quelle: ntv.de, dpa/AFP/rts