Politik

Libyens Rebellen stehen vor letzter Bastion Gaddafis Clan flieht

Der omnipräsente Herrscher ist inzwischen auf der Flucht.

Der omnipräsente Herrscher ist inzwischen auf der Flucht.

(Foto: dpa)

Noch immer wird in Libyen gekämpft, doch Gaddafis Macht schwindet von Tag zu Tag. Seine Frau und drei seiner Kinder setzen sich bereits nach Algerien ab. Er selbst soll mit einem Sohn auf der Flucht sein, ein weiterer Sohn könnte dabei schon getötet worden sein. Die Rebellen bereiten sich auf eine Schlacht um die Stadt Sirte vor.

Ein Teil der Familie des langjährigen libyschen Machthabers Muammar el Gaddafi hat sich offenbar nach Algerien abgesetzt. Wie das Außenministerium in Algier mitteilte, passierten Gaddafis Ehefrau Safia und drei seiner Kinder am Morgen die Grenze

Gaddafis Ehefrau Safia mit einigen Kindern 1986.

Gaddafis Ehefrau Safia mit einigen Kindern 1986.

(Foto: Reuters)

Nach Angaben des algerischen Außenministeriums kamen Safia, Gaddafis Tochter Aischa sowie seine Söhne Hannibal und Mohamed und deren Kinder nach Algerien. "Diese Information wurde dem Generalsekretär der Vereinten Nationen, dem Präsidenten des Sicherheitsrates und Mahmud Dschibril, dem Präsidenten des Exekutivkomitees des Nationalen Übergangsrates, übermittelt", hieß es.

Zum Aufenthaltsort Gaddafis machte das Ministerium keine Angaben, die italienische Nachrichtenagentur Ansa berichtete aber, dieser halte sich mit seinen Söhnen Saadi und Seif el Islam hundert Kilometer südöstlich von Tripolis in Bani Walid auf. Die Agentur berief sich auf "zuverlässige libysche Diplomaten". Gaddafi hat acht leibliche Kinder, davon sieben mit seiner zweiten Frau Safia. Ein weiterer Sohn Gaddafis, Chamis, soll auf dem Weg nach Bani Walid getötet worden sein.

Vergangene Woche hatte ein libyscher Rebellenvertreter verlauten lassen, ein Konvoi aus gepanzerten Fahrzeugen habe die Grenze nach Algerien überquert. Dies hatten die algerischen Behörden bestritten. Die Rebellen erklärten nun, von Algerien die Auslieferung der Geflohenen fordern zu wollen. "Wir werden Algerien auffordern, sie zurückzubringen", sagte Mohammed el Allagi vom Exekutivkomitee des Übergangsrats, AFP.  Der Rebellenrat hat eine Belohung von 1,3 Millionen Dollar für die  Ergreifung Gaddafis - tot oder lebendig - ausgesetzt.

Sirte soll fallen

Voller Angst verlassen die Menschen Sirte.

Voller Angst verlassen die Menschen Sirte.

(Foto: AP)

Unterdessen setzen die libyschen Rebellen zum Sturm auf die letzte große Bastion Gaddafis an. Die Aufständischen zogen den Ring um Gaddafis Geburtsstadt Sirte enger. Gleichzeitig versuchten sie, die Unterstützer des langjährigen Machthabers zur friedlichen Übergabe der Küstenstadt zu bewegen.

Nach Angaben der Rebellen starteten Anhänger Gaddafis eine Angstkampagne, die Einwohner Sirtes erwarte ein Blutbad. "Die versuchen den Leuten weiszumachen, dass sie jetzt nicht mehr für Gaddafi, sondern um ihr Leben kämpfen müssen", sagte der Beauftragte für Sirte des Rebellenrates, Hassan Droi. Ein anderer Rebellensprecher, Mohammad Sawawi, sagte, man habe über Satelliten-Telefon mit Aufständischen in Sirte Kontakt aufgenommen. Diese sollten die Botschaft verbreiten, dass niemand getötet werde.

Rebellen kommen nur schleppend voran       

"Wir gehen langsam voran", sagte Sawawi. Den Verhandlungen über eine Kapitulation müsse Zeit gegeben werden. Ein Befehlshaber der Rebellen im Osten sagte, seine Einheiten stünden rund 100 Kilometer östlich von Sirte. Einem Kommandeur in der westlich von Sirte gelegenen Stadt Misrata zufolge befinden sich Rebellenverbände 30 Kilometer von der Stadt entfernt. Die Nato hatte zuletzt am Sonntag den Vormarsch mit Luftangriffen in Sirte unterstützt.     

Hier treffen die Rebellen noch immer auf Gaddafi-Getreue.

Hier treffen die Rebellen noch immer auf Gaddafi-Getreue.

(Foto: AP)

Gaddafi baute das ursprünglich verschlafene Fischerdorf zu einem bedeutenden Machtzentrum mit rund 100.000 Einwohnern aus. Er dürfte dort auch jetzt über große Unterstützung verfügen. Es ist die Heimat des Stammes der Gaddafa, zu denen Gaddafi gehört. Nach Angaben der Rebellen sind in Stadt 45 Soldaten und Offiziere erschossen worden, weil sie nicht für eine aussichtslose Sache kämpfen wollten. Es war zunächst nicht möglich, diese Angaben zu überprüfen.    

Neben Sirte werden noch einige Ortschaften tief in der Wüste im Süden des Landes von Gaddafi-Treuen gehalten.

Militärhilfe weiter nötig

Die Armeechefs der am internationalen Militäreinsatz in Libyen beteiligten Staaten forderten weitere Unterstützung für den Kampf gegen Gaddafi. Sie seien einhellig der Meinung, "dass der Krieg noch nicht beendet ist", erklärten sie nach einem Treffen in der katarischen Hauptstadt Doha.

"Es ist notwendig, den gemeinsamen Einsatz fortzusetzen, bis die Libyer ihr Ziel erreichen, die Überreste des Gaddafi-Regimes auszuschalten", hieß es in der Erklärung der Armeechefs. Die Aufständischen riefen die ausländischen Truppen bei dem Treffen zur Fortsetzung ihres Einsatzes auf. Gaddafi stelle für die gesamte Welt "noch immer eine Gefahr" dar, sagte der Präsident des Nationalen Übergangsrats der Rebellen, Mustafa Abdel Dschalil, in Doha. 

Verkohlte Leichen gefunden

In Tripolis mehrten sich die Anzeichen für Massenmorde. In einem abgebrannten Lagerhaus wurden nach Angaben der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch die Reste von 45 Leichen gefunden. Das Lagerhaus war als Gefangenen-Lager benutzt worden. Verantwortlich für das Massaker ist möglicherweise die Chamis-Brigade, die ihren Namen nach einem der Söhne Gaddafis trägt. Dies sei leider nicht der einzige Hinweis auf Exekutionen Gefangener in den Tagen vor der Einnahme von Tripolis, sagte Sarah Leah Witson von der HRW.

Ein Sprecher der Rebellen erklärte, rund 40.000 festgenommene Menschen würden noch vermisst.  Bereits früher gab es Hinweise, dass auch Rebellen Wehrlose erschossen haben. Der Rebellenrat schickte eine SMS-Botschaft an die eigenen Kämpfer, Gefangene zu schonen.         

Keine Geberkonferenz

Bei der Unterstützer-Konferenz in Paris, zu der auch Bundeskanzlerin Angela Merkel am Donnerstag reisen will, . Allen sei klar, dass man schnell handeln müsse, damit die Libyer den Unterschied zwischen dem alten und neuen Regime spürten, sagte Merkels Sprecher. Das Pariser Treffen sei aber keine Geberkonferenz. Es werde dort nicht um konkrete finanzielle Zusagen gehen. Der Sprecher des Verteidigungsministeriums ergänzte, derzeit stelle sich nicht die Frage, ob die Bundeswehr beim Wiederaufbau Libyens eingesetzt werden solle. 

Die EU-Kommission stellt für die Menschen in der libyschen Hauptstadt zehn Millionen Euro für humanitäre Hilfe bereit. Davon gingen vier Millionen Euro an das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK), teilte die Kommission in Brüssel mit. EU-Experten seien vor Ort, um über die Verwendung der anderen sechs Millionen Euro zu entscheiden, hieß es weiter. Demnach öffnete die Brüsseler Behörde ein Büro in Tripolis, um die Hilfe für die nach den Kämpfen notleidende Bevölkerung zu koordinieren. Zunächst müsse die medizinische Notfallversorgung und die Lieferung von Trinkwasser sichergestellt werden. Die humanitäre Hilfe der EU-Kommission für Libyen beläuft sich den Angaben zufolge bislang auf 70 Millionen Euro.

Quelle: ntv.de, AFP/dpa/rts

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