Obama schaltet sich ein Gaza-Abzug beendet
21.01.2009, 22:10 UhrDrei Tage nach Beginn einer Waffenruhe hat die israelische Armee ihre Truppen vollständig aus dem Gazastreifen abgezogen. Die letzten Truppen verließen das Palästinensergebiet am Mittelmeer am Morgen, wie eine israelische Armeesprecherin mitteilte. Ein Teil der Truppen wurde an den Rand des Gazastreifens verlegt und blieb in erhöhter Alarmbereitschaft. Die EU drängte auf freien Zugang für humanitäre Hilfe zum Gazastreifen.
An seinem ersten Arbeitstag schaltete sich auch der neue US-Präsident Barack Obama in den Nahost-Konflikt ein. Obama telefonierte nach Angaben seines Sprechers mit Palästinenserpräsident Mahmud Abbas, Israels Regierungschef Ehud Olmert, dem ägyptischen Präsidenten Husni Mubarak sowie Jordaniens König Abdullah II.
Obama wolle von Beginn seiner Amtszeit an seinen Einsatz für einen Frieden im Nahen Osten zeigen, sagte sein Sprecher. Obama will zudem den früheren Senator George Mitchell zu seinem Sonderbeauftragten für den Nahen Osten machen. Obama habe dem 75-Jährigen den Posten angeboten, hieß es im Umfeld des Präsidenten.
Einsatz von
Phosphormunition wird geprüft
Angesichts von Vorwürfen über Menschenrechtsverstöße will die israelische Armee unterdessen prüfen, inwiefern der Einsatz von Phosphormunition in ihrem 22-tägigen Gaza-Feldzug gegen bestehende Regelungen verstoßen habe. Um "jegliche diesbezügliche Unklarheit zu beseitigen", sei eine Untersuchungskommission ins Leben gerufen worden, hieß es in einer Stellungnahme der Armee.
Menschenrechtler und Ärzte in Gaza hatten dem israelischen Militär vorgeworfen, Granaten mit weißem Phosphor auf Ziele in dicht besiedelten Gebieten abgefeuert zu haben. Dies habe zu schweren, schwer heilbaren Brandverletzungen geführt.
Beschwerde zu Uran-Munition
Die Internationale Atomenergie-Behörde IAEA hat zudem eine offizielle Beschwerde arabischer Staaten erhalten, wonach Israel im Gazastreifen Munition unter Verwendung von schwach abgereichertem Uran verwendet habe. Ein entsprechendes Schreiben sei der Behörde am Montag vom saudi-arabischen UN-Botschafter in Wien übergeben worden, sagte ein Sprecher der IAEA in Wien.
Israel hat diese Vorwürfe zurückgewiesen. Sie seien ständiger Bestandteil anti-israelischer Propaganda, sagte Außenamtssprecher Jigal Palmor. Bereits im Krieg gegen die Hisbollah im Libanon war Israel der Einsatz solcher Waffen vorgeworfen worden. Damals hätten Inspektoren der Internationalen Atomenergiebehörde nichts gefunden, sagte Palmor. Dies werde auch diesmal so sein.
Schwach abgereichertes Uran wird wegen seiner besonderen Härte unter anderem auch zur Munitionsherstellung verwendet. Nach der Verwendung solcher Munition können gefährliche radioaktive Trümmer zurückbleiben.
EU fordert Grenzöffnungen
Die Europäische Union hat Israel unterdessen zur sofortigen Öffnung der Grenzübergänge zum Gazastreifen aufgerufen. "Wir müssen jetzt nach Eintritt der Waffenruhe dafür sorgen, dass die Bevölkerung im Gazastreifen mit dem Lebensnotwendigsten versorgt wird", sagte Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier in Brüssel. Dort trafen die EU-Chefdiplomaten die israelische Außenministerin Zipi Livni zu einem informellen Abendessen.
Die humanitäre Hilfe für Gaza ist zentraler Punkt eines von Steinmeier vorgelegten Fünf-Stufen-Plans. Neben dem Ende der Blockade fordert die EU von Israel eine Stabilisierung der seit Sonntag geltenden Waffenruhe in Gaza. "Der Zustand, den wir haben, ist ein höchst zerbrechlicher", sagte Steinmeier. Am Sonntag treffen die EU-Außenminister in Brüssel Vertreter Ägyptens, Jordaniens, der Türkei und der Palästinensischen Autonomiebehörde.
Keine Gespräche mit der Hamas
Direkte Gespräche mit der im Gazastreifen herrschenden Hamas schlossen die Außenminister vorerst aus. Die Hamas steht in der EU wie in den USA auf der Liste der Terrororganisationen. Der finnische Außenminister Alexander Stubb sagte aber: "Ohne Hamas kann es keine umfassende Lösung geben".
Einen ähnlichen Standpunkt äußerte der Chef der radikalislamischen Hamas, Chaled Meschaal: Seit drei Jahren werde durch eine Blockade des von der Hamas kontrollierten Gazastreifens versucht, seine Organisation "loszuwerden", sagte er in Damaskus in einer von mehreren arabischen Fernsehsendern übertragenen Rede. Nun sei es an der Zeit, mit der Hamas zu reden.
Hilfsg üter, Kochgas und Treibstoff für den Gazastreifen
Israel öffnete derweil drei Grenzübergänge zum Gazastreifen für die Einfuhr humanitärer Hilfsgüter, Kochgas und Treibstoff. Der stellvertretende palästinensische Wirtschaftsminister Nasser al-Sarradsch sagte, Israel habe die Palästinensische Autonomiebehörde über diese Entscheidung informiert. Mehr als 110 Lastwagen mit Lebensmitteln sollten über den Kerem-Schalom-Übergang im Südosten des Gazastreifens in das Palästinensergebiet einfahren. 60 weitere Lastwagen mit Futtermitteln und Getreide sollten den Karni-Übergang östlich der Stadt Gaza passieren.
Die Treibstoffdepots in Nahal Oz seien geöffnet, um den Transport von Kochgas und Treibstoff zu ermöglichen. Dies solle die Wiederinbetriebnahme des einzigen Kraftwerks des Gazastreifens gewährleisten, das während der dreiwöchigen israelischen Offensive stillstand. Es sei das dritte Mal seit Beginn einer Waffenruhe am Sonntag, dass Israel eine eingeschränkte Öffnung der Warenübergänge ermöglicht habe, sagte Al-Sarradsch.
Keine Zwischenfälle mehr
Nach Angaben eines israelischen Armeesprechers wurden zum Abschluss des Rückzugs keine neuen gewaltsamen Zwischenfälle bekannt. Am Dienstag hatten militante Palästinenser nach Armeeangaben noch zwölf Mörsergranaten auf Israel abgefeuert, nach palästinensischen Angaben erschossen israelische Truppen einen Landwirt im nördlichen Gazastreifen.
Die israelische Armee hatte am 27. Dezember die Offensive "Gegossenes Blei" begonnen, um den Raketenbeschuss israelischer Städte vom Gazastreifen aus zu unterbinden. Der Bodeneinsatz begann eine Woche später. Bei dem Militäreinsatz wurden nach Angaben der Gesundheitsbehörde in Gaza 1415 Palästinenser getötet und mehr als 5500 verletzt. Auf israelischer Seite kamen zehn Soldaten und drei Zivilisten bei Raketenangriffen und Kämpfen ums Leben. Schätzungen zufolge wird der Wiederaufbau im Gazastreifen nach den 22-tägigen Gefechten knapp zwei Milliarden Dollar kosten.
Quelle: ntv.de