Politik

Lammert rügt ARD und ZDF Gedenken an NS-Opfer

Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) hat zur entschlossenen Verteidigung der Demokratie aufgerufen. Aufgrund der historischen Erfahrungen mit der NS-Diktatur sei Deutschland auch künftig nicht gegen solche Verirrungen gefeit, mahnte der Parlamentschef in einer Gedenkstunde des Bundestags für die Opfer des Nationalsozialismus. Anlass war der nationale NS-Opfer-Gedenktag am 27. Januar, dem Datum der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz im Jahr 1945. Der Tag des Gedenkens an die NS-Opfer wird seit 1996 begangen.

"Jeder Bestrebung, unsere heutige gefestigte Demokratie und ihre Ansprüche zu ignorieren, zu verhöhnen, zu unterlaufen oder offen angreifen zu wollen, werden wir gemeinsam entschieden entgegentreten", sagte Lammert. Nach den bitteren Erfahrungen der NS-Zeit dürfe gerade in Deutschland keine Form von Extremismus, Rassismus und Antisemitismus geduldet werden. "Es ist beschämend, dass in unserem Land beständig Polizeipräsenz notwendig ist, um jüdische Einrichtungen vor Angriffen zu schützen", beklagte er in Anwesenheit von Bundespräsident Horst Köhler und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Nach seinen Worten war die Machtübernahme der Nationalsozialisten vor 75 Jahren weder ein "Betriebsunfall der deutschen Geschichte" noch eine Zwangsläufigkeit.

Bewegender Bericht einer Überlebenden

In einer bewegenden Rede, die von der Schauspielerin Angela Winkler verlesen wurde, schilderte die tschechische Schriftstellerin Lenka Reinerov ihren Leidensweg während der deutschen Besatzung ihres Heimatlands. Nach Ansicht der 91-jährigen Jüdin, deren gesamte Familie von den Nazis umgebracht wurde, liegen die Schrecken des Faschismus mit dem Massenmord im Holocaust inzwischen zum größten Teil hinter den Völkern. "Jetzt geht es darum, das neue Unheil, den Terrorismus, zu bekämpfen." Auch diesem Verbrechen müsse endgültig der Boden entzogen werden, sagte die letzte Vertreterin der deutschsprachigen Literatur in Prag, die aus Gesundheitsgründen nicht nach Berlin kommen konnte. Ihre Tochter und Enkelin nahmen an der Veranstaltung im Plenarsaal teil.

Der frühere israelische Botschafter in Deutschland, Avi Primor, lobte die Aufarbeitung der Nazi-Vergangenheit in Deutschland. "Wo hat man eigentlich jemals in der Welt eine Nation gesehen, die Mahnmale zur Verewigung der eigenen Schande errichtet hat ... Nur Deutsche haben den Mut und die Demut gehabt", sagte Primor bei einer Feierstunde im Erfurter Landtag. Auch in der jungen Generation wolle "nur eine Minderheit einen Schlussstrich ziehen".

Die Lagergemeinschaft Auschwitz appellierte an die Bundesregierung, die Pflegeversicherung für die betagten Holocaust-Opfer in Israel und anderen Ländern zu öffnen. Die Sicherung ihres menschenwürdigen Lebensabends sei dauernde Verpflichtung aller Deutschen, schrieb die Organisation an Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD). Dem Finanzministerium wurde vorgeworfen, die Summen der tatsächlich gezahlten Entschädigungen ständig höher darzustellen als sie seien. "Damit wird ein Image der 'unersättlichen' Überlebenden gefördert, wenn nicht gar das alte NS-Stereotyp vom 'raffenden' Juden bedient", hieß es in einer Mitteilung.

Kritik an ARD und ZDF

Lammert kritisierte in seiner Rede die öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten ARD und ZDF wegen des Verzichts auf die Live-Übertragung der Gedenkstunde. Er hätte es für "angemessen" gehalten, wenn die beiden Sender diese zentrale staatliche Veranstaltung im Parlament auch ausgestrahlt hätten, sagte Lammert abweichend von seinem Redemanuskript. Die Veranstaltung war lediglich im Dokumentationskanal Phoenix zu sehen.

Der Parlamentschef hat sich wiederholt unzufrieden darüber geäußert, dass ARD und ZDF anders als früher kaum noch Plenardebatten übertragen. Im Bundestag wird auch deshalb die Gründung eines eigenen Fernseh-Parlamentskanals geprüft.

Quelle: ntv.de

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