Volksaufstand in der DDR Gedenken im Bundestag
17.06.2003, 00:01 UhrIn einer Gedenkstunde würdigt der Bundestag zur Stunde den Volksaufstand in der DDR vom 17. Juni 1953. Zum 50. Jahrestag der Revolte gegen das SED-Regime, an der eine Million Menschen in 700 Städten und Gemeinden beteiligt waren, hält Bundespräsident Johannes Rau eine Rede. Zudem wollen die Präsidenten von Bundestag und Bundesrat, Wolfgang Thierse und Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Wolfgang Böhmer, das Wort ergreifen.
Die Gedenkveranstaltungen zum 50. Jahrestag des Volksaufstands hatten am Vormittag mit einem ökumenischen Gottesdienst in der Berliner St. Marienkirche begonnen. "Die Opfer mahnen uns auch noch heute, dass wir ihre Hoffnung auf ein Leben in Einheit und Freiheit nicht verraten", sagte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Karl Lehmann in seiner Predigt.
Im Anschluss gedachten Vertreter aller Verfassungsorgane auf dem Friedhof Seestraße mit einer Schweigeminute dem Volkaufstand vor 50 Jahren. Bundespräsident Johannes Rau, Bundestagspräsident Wolfgang Thierse und Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) und andere legten am Mahnmal für die Opfer des Aufstandes auf dem Friedhof Kränze nieder.
In wenigen Stunden niedergeschlagen
Der Volksaufstand vom 17. Juni 1953 war innerhalb weniger Stunden von der sowjetischen Besatzungsmacht und DDR-Sicherheitskräften niedergeschlagen worden. Zwischen 50 und 125 Demonstranten sowie zehn bis 15 SED-Funktionäre und Sicherheitskräfte kamen dabei ums Leben. In der Bundesrepublik war der 17. Juni zwischen 1954 und 1990 als "Tag der deutschen Einheit" ein Feiertag.
Im Vorfeld des Jahrestags haben Politiker, Gewerkschaften und Kirchen den Mut und die Zivilcourage der Demonstranten von einst gewürdigt. "Ohne den 17. Juni 1953 hätte es keinen 9. November 1989 gegeben", sagte Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) am Montagabend bei einer Gedenkveranstaltung im Roten Rathaus. Eine der Lehren sei "Zivilcourage ist auf lange Sicht stärker als jeder Panzer. "
Nach Ansicht von CDU-Chefin Angela Merkel muss die Lehre aus dem 17. Juni 1953 heißen, dass sich Deutschland aktiv für die Freiheit in aller Welt einsetzen muss. Deutschland dürfe sich "nicht ausklinken, wenn es darum geht, dass Andere um die Freiheit kämpfen", sagte Merkel. Altbundeskanzler Helmut Kohl (CDU) warb dafür, den Tag des Volksaufstandes im "Bewusstsein des Landes wach zu halten". Der 17. Juni sei "ein großer Tag in der deutschen Geschichte" gewesen.
Breite Diskussion
Der 50. Jahrestag hat eine Diskussion über den Umgang mit dem Aufstand ausgelöst, der nach Ansicht der Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen, Marianne Birthler, in Ost und West lange Zeit im gesellschaftlichen Abseits stand.
Die Bundestagsfraktion der Grünen erklärte, die Gesellschaft müsse sich nun der "historischen und politischen Blindheit" stellen. Erst jetzt sei klar, dass die Ziele der Aufständischen "zum besten Erbe unserer Geschichte gehören." Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) sagte, erst jetzt könne der Aufstand angemessen beurteilt werden. Viele Ostdeutsche hätten unter Einsatz ihres Lebens für Gerechtigkeit und Freiheit gekämpft. Daran sollten sich die Deutschen gemeinsam erinnern.
Nach Ansicht der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt sollte der 17. Juni ein Feiertag für Freiheit und Demokratie werden. IG-BAU-Chef Klaus Wiesehügel bedauerte, dass der Feiertag abgeschafft worden sei, als Deutschland wieder geeint war. Auch Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) forderte einen nationalen Gedenktag.
Die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte warf der Bundesregierung unterdessen eine unzureichende Entschädigung der Opfer vor, die ihren Mut am 17. Juni im Gefängnis büßen mussten. Auch die Bundesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen Birthler forderte eine finanzielle Wiedergutmachung für die Teilnehmer des Aufstandes.
Quelle: ntv.de