Kritik an Integrationsstudie Geht es nur um die Schlagzeile?
01.03.2012, 16:13 Uhr
Viele Oppositionspolitiker finden die Studie kontraproduktiv.
(Foto: dpa)
Innenminister Friedrich ruft mit der Vorstellung einer Studie zum Integrationswillen junger Muslime heftige Reaktionen hervor. So wirft ihm sowohl die Opposition als auch der Koalitionspartner vor, sich auf Kosten von Migranten profilieren zu wollen. Neue Erkenntnisse oder Impulse für eine bessere Eingliederung von Migranten gebe er nicht.
Eine Studie des von der Union geführten Bundesinnenministeriums über die Radikalisierung junger Muslime stößt sowohl beim Koalitionspartner FDP als auch in der Opposition auf massive Kritik. Der Studie zufolge will sich knapp ein Viertel der jungen Muslime ohne deutschen Pass nicht integrieren. Die Autoren bezeichnen sie als Angehörige einer Gruppe der 14- bis 32-Jährigen, die als "streng Religiöse mit starken Abneigungen gegenüber dem Westen, tendenzieller Gewaltakzeptanz und ohne Integrationstendenz" in Deutschland leben. Unter den Muslimen mit deutschem Pass sind der Studie zufolge 15 Prozent dieser Gruppe zuzurechnen. Bei jungen Muslimen, die sich mit Vorliebe über türkische Fernsehsender politisch informieren, verstärke sich die negative Tendenz.
"Ich warne davor, aus einer wissenschaftlichen Studie nur Schlagzeilen zu produzieren", warnte Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger. "Bürger, die islamgläubig sind, leben heute ganz selbstverständlich in Deutschland und sind hier zuhause. Wir sollten die Vorurteile der Vergangenheit und althergebrachte Reflexe endlich hinter uns lassen. Wir brauchen keine Debatte, die ein Zerrbild des Einwanderungslandes Deutschland vermittelt", so die FDP-Politikerin. Wenn man die Integrationsprobleme lösen wolle, dürfe man nicht von vornherein einer Gruppe Integrationschancen absprechen.
"Bild"-Zeitung bekam Studie zuerst
Ähnlich äußerte sich der integrationspolitische Sprecher der Liberalen im Bundestag: "Ich muss mich schon wundern, dass das BMI erneut Steuergelder darauf verwendet, eine Studie zu finanzieren, die Schlagzeilen produziert, aber keinerlei Erkenntnisse", sagte Serkan Tören der "Neuen Osnabrücker Zeitung". Viele junge Muslime nutzten das religiöse Bekenntnis lediglich zur Provokation und kulturellen Abgrenzung, es habe nichts mit tatsächlich gelebter Religion zu tun. Auch wenn junge Muslime gewalttätig würden, habe dies mit sozialen und nicht mit religiösen Fragen zu tun.
Die Grünen warfen der Bundesregierung eine populistische Darstellung durch die Erstveröffentlichung der Studie in der "Bild"-Zeitung vor. Auch die "mit Scheuklappen versehenen Kommentare von Unionspolitikern" zielten auf eine Spaltung der Gesellschaft ab, bemängelte der migrationspolitische Sprecher der Grünen, Memet Kilic. "Nicht Religion oder die Einwanderungsgeschichte sind die entscheidende Ursache für Jugendgewalt, sondern Chancen- und Perspektivlosigkeit." Die Benachteiligung von Jugendlichen aus Einwandererfamilien auf dem Bildungs- und Arbeitsmarkt müsse endlich aufhören.
Friedrich relativiert Ergebnisse
Auch die SPD sprach von Populismus. "Wer sich seriös mit der Abschottung und Gewaltbereitschaft von Jugendlichen befassen will, sollte dies nicht mit der offensichtlichen Intention tun, ganze Religionsgemeinschaften dem Populismus preiszugeben", erklärte die SPD-Integrationsbeauftragte Aydan Özoguz.
Auftraggeber und Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) selbst relativierte die Ergebnisse der Studie zur Integrationsbereitschaft von Muslimen in Deutschland. Er warnte davor, Teilergebnisse in den Vordergrund zu stellen. "Das Gesamtbild sagt, die Muslime in Deutschland lehnen Terrorismus kategorisch ab." Zudem gebe es die Muslime als Kategorie eigentlich nicht. "Das ist eine ganz vielschichtige Gruppierung."
Friedrich wie die CSU äußerte sich über einige Befunde der Studie dennoch besorgt, vor allem über die hohe Gewaltbereitschaft junger Muslime. "In einem friedlichen und freiheitlichen Land wie Deutschland ist für religiösen Fanatismus kein Platz", erklärte der CSU-Innenexperte Stephan Mayer. Er forderte alle muslimischen Verbände in Deutschland dazu auf, sich für die Integration auszusprechen und von fanatischen Ansätzen deutlich zu distanzieren.
Quelle: ntv.de, rts/dpa