Kompromiss wohl "nicht möglich" Geißler kurz vor Schlichterspruch
30.11.2010, 07:04 Uhr
Kompromiss scheint unmöglich: Schlichter Heiner Geißler vor dem Stuttgarter Bahnhof.
(Foto: dpa)
Im Streit um das milliardenschwere Bahnprojekt Stuttgart 21 verkündet Schlichter Geißler heute seinen Lösungvorschlag. Ein Wunder kann allerdings auch der 80-Jährige nicht vollbringen, die Fronten zwischen Gegnern und Befürwortern sind auch nach über fünf Wochen unverändert hart geblieben. Trotzdem hoffen beide Seiten, dass Geißlers Schlichterspruch doch noch eine Lösung aufzeigen kann.
Im Streit um das rund sieben Milliarden Euro teure Bahnprojekt Stuttgart 21 will Schlichter Heiner Geißler heute seinen Lösungsvorschlag präsentieren. Nach mehr als fünfwöchigen Schlichtungsgesprächen von Gegnern und Befürwortern des Bauvorhabens zeichnet sich ab, dass der 80-jährige Unionspolitiker gegen einen Volksentscheid über das umstrittene Projekt votieren wird. Für eine Abstimmung der Bürger fehlt nach Geißlers Ansicht die rechtliche Basis. Stattdessen wird der promovierte Jurist und frühere CDU-Generalsekretär der Deutschen Bahn als Bauherr voraussichtlich Verbesserungsvorschläge unterbreiten.

Befürworter und Gegner: Baden-Württembergs Umweltministerin Tanja Gönner (links) unterhält sich mit Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer (Grüne), Wirtschaftsminister Ernst Pfister (FDP) und Thomas Bobb, Vorsitzender des Verbands der Region Stuttgart (von links).
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In den von Geißler moderierten Schlichtungsgesprächen zwischen Befürwortern und Gegnern des Projekts gab es keinerlei Annäherung. "Wir sehen hier: Es ist sehr schwer, beide Positionen auf einen Nenner zu bringen. Ja, es ist nicht möglich", hatte Geißler bei der letzten Schlichtungsrunde gesagt. Am Vormittag erhalten beide Seiten aber zunächst noch einmal jeweils 35 Minuten Zeit für abschließende Statements. Anschließend will Geißler sein Resümee vortragen. Das Schlusswort des 80-Jährigen ist allerdings nicht bindend. Bei n-tv.de wird die Abschlussrunde ab 10 Uhr live übertragen.
"Keinesfalls unverändert weiterbauen"
Der baden-württembergische Grünen-Spitzenpolitiker Boris Palmer sagte der "Leipziger Volkszeitung", schon ein verändertes Konzept wäre für seine Partei "zumindest ein Fortschritt, wenn auch kein Erfolg". Der Tübinger Oberbürgermeister hatte als einer der prominentesten Bahnhof-Gegner an der Schlichtung mitgewirkt. "Meine Hoffnung ist jedenfalls, dass durch das Verfahren die Schwächen von Stuttgart 21 so offensichtlich sind, dass es keinesfalls unverändert weitergebaut werden kann", sagte Palmer weiter. Für seine Partei gelte: "Ein wirklicher Erfolg ist nur, wenn das gemacht wird, was für den Verkehr am meisten bringt und am wenigsten kostet. Das ist unser Konzept des modernisierten Kopfbahnhofs."
Im Vorfeld des erwarteten Schlichterspruchs hatten bereits Baden-Württembergs Ministerpräsident Stefan Mappus und Bahnchef Rüdiger Grube ihre Kompromissbereitschaft bekräftigt. "Ich bin bereit, über alle Änderungsvorschläge unterhalb des Baustopps zu reden und rechne mit zahlreichen Veränderungs- und Verbesserungsvorschlägen", sagte Mappus dem "Hamburger Abendblatt". Grube betonte, auch er sei "nicht betonköpfig"; ein endgültiges Aus für das Milliardenprojekt stehe aber nicht zur Debatte.
Neues Planungsrecht für Großprojekte?
Die FDP will als Reaktion auf die Auseinandersetzung um Stuttgart 21 Änderungen im Planungsrecht durchsetzen. "Wir müssen die Öffentlichkeitsbeteiligung verbessern und Planungen beschleunigen, damit die Entscheidung über ein Projekt und der Baubeginn nicht mehr so weit auseinanderfallen", sagte der stellvertretende Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion, Patrick Döring, der "Passauer Neuen Presse". Dazu müsse vor allem bei Großprojekten das Planungsrecht für Mediationen und Vermittlungsverfahren geöffnet werden. "Auch Volksabstimmungen vor der abschließenden Entscheidung über ein Projekt dürfen kein Tabu sein", sagte Döring.
Die Bahn will bis 2020 den Stuttgarter Kopfbahnhof für 4,1 Milliarden Euro in einen unterirdischen Durchgangsbahnhof umbauen. Zudem soll Stuttgart mit einer 2,9 Milliarden Euro teuren Neubaustrecke nach Ulm über die Schwäbische Alb an das Hochgeschwindigkeitsnetz der Bahn angebunden werden. Beide Bauprojekte erfordern lange und kostenintensive Tunnelstrecken. Seit Monaten gehen sowohl Gegner als auch Befürworter des Vorhabens in der baden-württembergischen Landeshauptstadt auf die Straße.
Quelle: ntv.de, dpa/rts