"Signal in Richtung Leitkultur" Geisterdebatte auf Deutsch
03.12.2008, 09:46 UhrDer Zentralrat der Muslime in Deutschland hat den CDU-Parteitagsbeschluss zur Verankerung der deutschen Sprache im Grundgesetz kritisiert. "Das ist lächerlich und kleinlich", sagte der Zentralrats-Vorsitzende Ayyub Axel Köhler der "Neuen Presse". "Dass Deutsch Amtssprache ist, steht doch ohnehin fest. Und dass die deutsche Sprache Grundlage für Integration ist, ist selbstverständlich", sagte er.
Köhler warf der CDU einen Rückfall in die Debatte über eine deutsche Leitkultur vor: "Diese Diskussion hat unendlich viel Schaden angerichtet und schien längst überwunden. Jedes Signal in Richtung Leitkultur ist ein Hindernis für Integration." Der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime verwies zudem auf die dänische oder sorbische Minderheit in Deutschland. Auch diesen Bevölkerungsgruppen würde mit einer Verankerung der deutschen Sprache in der Verfassung "vor den Kopf gestoßen".
CDU-Spitze nicht erfreut
Gegen den ausdrücklichen Wunsch der Parteiführung entschied der CDU-Parteitag am Dienstag in Stuttgart, dass ein Bekenntnis zur deutschen Sprache im Grundgesetz angestrebt werden soll. Dem Artikel 22 soll hinzugefügt werden: "Die Sprache in der Bundesrepublik ist Deutsch." Die Befürworter sehen darin keine Ausgrenzungsgefahr für Bevölkerungsgruppen mit anderer Muttersprache.
CDU-Chefin Angela Merkel bedauerte den Beschluss. "Ich war dagegen", sagte die Bundeskanzlerin bei RTL. "Ich persönlich finde es nicht gut, alles ins Grundgesetz zu schreiben. Wir haben jetzt Anträge auf Kultur, auf Sport, auf die Frage der Familien, auf die deutsche Sprache jetzt, und wir müssen aufpassen, dass das jetzt nicht inflationiert."
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SPD-Fraktionschef Peter Struck sagte, bislang habe die Union immer strikt betont, sie wolle das Grundgesetz an keiner Stelle mehr ändern. Allerdings sei die SPD bei diesem Thema unter bestimmten Bedingungen gesprächsbereit. Im Gegenzug müsse die Union jedoch zu "wichtigeren Dingen", wie der Aufnahme von Kinderrechten oder des Sports in die Verfassung, bereit sein.
"Das ist überflüssig"
Deutliche Kritik kam von SPD-Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann: "Das ist überflüssig. Die Amtssprache ist Deutsch. Ansonsten werden bei uns viele Sprachen gesprochen", sagte Oppermann der "Welt". CSU-Generalsekretär Karl Theodor zu Guttenberg vertrat die Auffassung, die Gesellschaft müsse auch ohne entsprechende Passagen in der Verfassung die Kraft aufbringen, ihre Sprache zu schützen.
Grünen-Chef Cem Özdemir kritisierte den Beschluss. "Bei den wirklich wichtigen Fragen wie der Finanz- und Wirtschaftskrise eiern sie nur verdruckst herum", sagte er der "Frankfurter Rundschau". "Mit fragwürdiger Bekenntnisrhetorik versucht die CDU nun, diese Leerstellen zu übertünchen." Der FDP-Kulturpolitiker Christoph Waitz sprach von einem populistischen Ablenkungsmanöver.
Staatsziel Kultur ist möglich
Der Verein Deutsche Sprache (VDS) begrüßte hingegen den CDU-Beschluss. "Der VDS hat lange dafür gestritten, dass die deutsche Sprache Verfassungsrang erhält", sagte sein Vorsitzender Walter Krämer. Der Deutsche Kulturrat erklärte: "Wenn ein Bekenntnis zur deutschen Sprache in das Grundgesetz aufgenommen wird, gibt es kein stichhaltiges Argument mehr gegen die Aufnahme des Staatsziels Kultur."
Quelle: ntv.de