Politik

Die SPD, ein Pfundskerl und die 25 Prozent Genossen bleibt nur die Schadenfreude

3e3w1922.jpg6044605042277906342.jpg

Gereicht hat es nicht, aber Spaß hat's gemacht - das wollen Steinbrück und Gabriel wohl ausdrücken.

(Foto: dpa)

Das war wohl nichts. Peer Steinbrück und die SPD wollten Angela Merkel im Kanzleramt ablösen. Doch am Wahlabend erleben die Genossen eine bittere Enttäuschung. Der Partei bleiben nun zwei Optionen. Besonders lukrativ sind sie auf den ersten Blick beide nicht.

Alles beginnt mit einem Missverständnis. Als der Prognosebalken der CDU um 18 Uhr auf 33,5 Prozent klettert, brandet Jubel auf im Willy-Brandt-Haus. Aber die Freude hält nicht lange. Die Genossen haben ihre Rechnung ohne die CSU gemacht. Der schwarze Balken schnellt weiter in die Höhe und landet schließlich bei 42 Prozent. Ein kollektives "Oh" hallt durch das Atrium. Und dann wird es ganz still - die Prognosen sehen die SPD nur bei 26 Prozent.  

Erstmals seit 1998 hat die Partei wieder zugelegt, aber das hatte man sich trotzdem anders vorgestellt. Es ist das zweitschlechteste Ergebnis aller Zeiten bei einer Bundestagswahl. Sogar zusammen mit den Grünen liegt die SPD noch weit unterhalb der Union. Mit dem Wahlziel, Kanzlerin Angela Merkel abzulösen, ist man krachend gescheitert.

Dass der Wahlabend nicht zur großen Jubelfeier werden würde, hatte sich schon vorher abgezeichnet. Ein Hauch von 2009 weht durch die Luft: Denn wie damals lässt sich am Nachmittag kaum ein führender Sozialdemokrat auf der Wahlparty blicken. Wer sich dennoch zeigt, wie der Parteilinke Ralf Stegner, Berlins SPD-Chef Jan Stöß und einige Direktkandidaten, zieht ein ernstes Gesicht. Als die Hochrechnungen kommen, leert sich die Parteizentrale schnell.

"Du bist ein Pfundskerl"

Für Glücksgefühle sorgen an diesem Abend nur die Zahlen anderer Parteien. Als die Hochrechnungen die FDP mit 4,5 Prozent ausweisen, jubeln die Sozialdemokraten. Dass die Liberalen aus dem Bundestag fliegen, spendet zumindest ein wenig Trost. Doch an der Trauer über das eigene Abschneiden  ändert das letztlich kaum etwas. "Wir haben uns mehr erhofft", sagt ein SPD-Anhänger. "Mal schauen, was der Abend noch bringt." Im Hintergrund schwenkt ein Herr im blauen Hemd ein Schild: "Das Wir entscheidet".

Die Parteispitze lässt sich erst um 18.45 Uhr blicken. "Wir haben mehr erwartet", sagt ein enttäuschter Parteichef Sigmar Gabriel ins Mikrofon. Neben ihm steht Steinbrück, dahinter mit gequälten Mienen Hannelore Kraft, Olaf Scholz, Manuela Schwesig, Frank-Walter Steinmeier und Thomas Oppermann. Gabriel lobt die Wahlkämpfer und schließlich auch Steinbrück. "Vielen Dank, du bist ein Pfundskerl."

Über eine Minute applaudieren die SPD-Anhänger trotzig gegen ihre Niederlage an, rufen "Peer" und "Bravo". Steinbrück ist blass und wirkt gerührt. Er bedankt sich für den "warmherzigen Empfang. Er tut mir sehr gut".  Der 66-Jährige spricht von einem "phantastischen Wahlkampf", sagt aber auch: "Es ist nicht das Ergebnis, das wir wollten." Dann gratuliert Steinbrück der Kanzlerin. Angesichts des Wahlausgangs sagt er: "Der Ball liegt im Spielfeld von Frau Merkel. Sie muss sich eine Mehrheit besorgen." Triumphierend ist das nicht gerade.

Opposition oder kleiner Juniorpartner

Der Aufschwung kam zu spät. Noch vor kurzem hatten die Demoskopen die SPD bei 23 Prozent gesehen. Doch nach seinem holprigen Start kam Steinbrück in den letzten Wochen immer besser in Schwung. Auch angesichts der schwächelnden Grünen träumten viele Genossen hinter vorgehaltener Hand wieder von einem Ergebnis von knapp 30 Prozent. Ein Irrtum. Denn der Wahlsonntag bringt traurige Gewissheit: Auf die SPD schaut an diesem Tag kaum jemand. Für Staunen sorgen vor allem die Ergebnisse von Union, FDP und AfD.

Um 19 Uhr wird es noch einmal unruhig in der SPD-Zentrale. Mit zusammengekniffenen Lippen verfolgt Fraktionschef Steinmeier die neuesten Hochrechnungen. Plötzlich hat die Union sogar eine absolute Mehrheit. Schwarz-Gelb gescheitert, und trotzdem braucht die Kanzlerin möglicherweise gar keinen Koalitionspartner mehr. Für die Sozialdemokraten wäre das der Super-Gau. Oder doch nicht? Kaum einer der anwesenden Sozialdemokraten mag die Frage beantworten, ob ihnen eine Neuauflage der Großen Koalition oder Rot-Rot-Grün lieber wäre. "Es ist nicht der Zeitpunkt, um etwas auszuschließen", sagt ein Genosse.

Die Botschaft ist klar: Mit 26 Prozent ist man nicht in der Rolle, um Ansprüche zu stellen. Aus Sicht der SPD ist die Ausgangssituation für eine Große Koalition denkbar schlecht. Der Abstand zur CDU ist auf über 15 Prozent gestiegen. Zu wenig, um in Verhandlungen Forderungen wie den Mindestlohn durchzusetzen. Auch bei der Verteilung der Ministerien müsste man wohl deutliche Abstriche machen. Die Alternative: vier weitere Jahre Opposition.

Wie geht es also weiter in der SPD? Mit dem mageren Abschneiden wächst auch der Druck auf Parteichef Gabriel. Der hatte im Wahlkampf mit seinen Alleingängen immer wieder den Ärger vieler Sozialdemokraten auf sich gezogen. Über die Zukunft der Genossen und den Gang in eine mögliche Große Koalition könnte schon der Parteikonvent am kommenden Freitag entscheiden. Bis dahin sind viele Fragen offen. Selbst Steinbrücks Rückzug in die zweite Reihe, den er für den Fall einer Niederlage immer in Aussicht gestellt hatte, ist offenbar vom Tisch. Für Spekulationen sorgt am Abend ein Satz aus seinem Mund. Bei seiner Ansprache zu den SPD-Anhängern sagt Steinbrück vieldeutig: "Ich werde auch in Zukunft für diese SPD immer bereit sein." Was er damit meint, verrät er nicht.

Quelle: ntv.de

ntv.de Dienste
Software
Social Networks
Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen