Politik

Keine festen Plätze für türkische Medien Gericht vor NSU-Prozess kritisiert

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(Foto: picture alliance / dpa)

Zehn Menschen sollen die Rechtsterroristen des NSU ermordet haben. Sieben Opfer waren türkischer Abstammung. Doch kein einziges türkisches Medium erhält beim Prozess gegen das mutmaßliche NSU-Mitglied Beate Zschäpe einen garantierten Platz. Parteien und Verbände machen Druck auf das Gericht.

Das Oberlandesgericht München steht wegen seines Akkreditierungsverfahrens für Medienvertreter, die über den NSU-Terrorprozess berichten wollen, in der Kritik. Journalistenverbände und die Ombudsfrau für die Hinterbliebenen der NSU-Opfer bemängeln, dass für türkische Medienvertreter keine Plätze reserviert werden. Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel und der Zentralrat der Muslime in Deutschland (ZMD) warnten gar, dies könne dem Vertrauen der türkischstämmigen Deutschen in die Aufarbeitung der Mordserie schaden.

"Wir müssen uns im Klaren darüber sein, dass dies kein Strafprozess wie jeder andere ist. Er hat viel mehr die Tragweite wie der Breivik-Fall in Norwegen", sagte der ZMD-Vorsitzende Aiman Mazyek. Gabriel forderte: "Das Oberlandesgericht sollte seine Haltung überdenken und sich nicht auf irgendwelche formelle Begründungen zurückziehen."

Der Prozess soll am 17. April beginnen.

Der Prozess soll am 17. April beginnen.

(Foto: dpa)

Die Bundesgeschäftsführerin der Deutschen Journalistinnen und Journalisten Union (dju), Cornelia Haß, sprach vom "größtmöglichen kommunikativen und politischen Unfall mit vorheriger Ansage". "Nach den Pannen bei den Ermittlungen gegen den NSU darf sich die Bundesrepublik hier nicht ein weiteres Mal blamieren, sondern muss jetzt den Weg frei machen für eine lückenlose und freie Berichterstattung zu dem am 17. April beginnenden Prozess", sagte sie.

Die mutmaßliche Rechtsterroristin Beate Zschäpe muss sich wegen Mittäterschaft an zehn Morden der rechtsextremen Terrorzelle Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) verantworten. Acht Opfer waren türkischer Abstammung. Das Münchner Gericht hatte am Montag die Liste der für den NSU-Prozess akkreditierten Medien veröffentlicht. Unter den 50 Medien mit garantierten Plätzen sind sieben öffentlich-rechtliche Rundfunksender, die Nachrichtenagenturen dpa, dapd und Reuters sowie diverse Tageszeitungen und Magazine. Die Akkreditierungen wurden laut dem OLG strikt nach der zeitlichen Reihenfolge des Eingangs vergeben. Unter den 50 Medien mit garantierten Plätzen ist kein einziges türkisches Medium.

Ombudsfrau fordert garantierte Plätze für Türkische Medien

Der Vorsitzende des Deutschen Journalisten-Verbandes, Michael Konken, forderte, die Akkreditierungsbestimmungen müssten überarbeitet werden, so dass eine repräsentative Zahl türkischer und internationaler Medien vertreten sei. "Umgekehrt würden wir einen Riesenaufstand machen, wenn im Ausland kein deutscher Journalist in den Saal dürfte", sagte er dem "Münchner Merkur".

Ähnlich äußerte sich auch die Ombudsfrau für die Hinterbliebenen der NSU-Opfer, Barbara John: "Der Prozess wird nicht nur in der Türkei aufmerksam verfolgt", sagte John der "Mitteldeutschen Zeitung". "Auch viele Türkischstämmige in Deutschland lesen noch türkische Zeitungen oder schauen türkisches Fernsehen." Daher sei es "nicht nur wünschenswert, sondern wichtig, dass sie Zutritt haben".

123 Medien hatten sich um eine Akkreditierung bemüht, unter ihnen acht türkische Medien. Sie alle erhalten nun eine Akkreditierungskarte, jedoch ohne sicheren Platz. Die Nachrichtenagentur Anadolu etwa oder die Zeitungen "Hürriyet" und "Sabah", bekommen nur dann einen der für Pressevertreter reservierten Plätze, wenn ein fest akkreditiertes Medium am jeweiligen Prozesstag bis 15 Minuten vor Beginn nicht anwesend ist. Auch große internationale Medien wie die Agenturen AP und AFP sowie BBC, "New York Times" und "International Herald Tribune" sind auf der Nachrückerliste. Feste Plätze bekamen auch einige freie Journalisten, die ihre Anfragen offensichtlich schneller geschickt hatten.

Vorgehen war laut Gerichtssprecherin zuvor bekannt

Die Akkreditierungsvergabe nach Eingang, die schon in Gerichtsentscheidungen gebilligt wurde, sei objektiv und unangreifbar, hieß es beim OLG. Das Vorgehen sei vorher bekanntgegeben worden, so dass sich alle Medien darauf einstellen konnten. Alternativ hätte man nur per Los entscheiden können, sagte Gerichtssprecherin Margarete Nötzel. Ein solches Verfahren hätte aber noch mehr Schwierigkeiten aufgeworfen.

"Als eine Zeitung, die eine Redaktion hier in Deutschland hat, ist es wirklich schade, dass wir nicht unter den ersten 50 sind", sagte Ismail Erel, stellvertretender Chefredakteur der Europa-Ausgabe der liberalen Tageszeitung "Sabah", die ihren Sitz in Mörfelden-Walldorf bei Frankfurt hat. "Wir sind seit Jahren hier", sagte Erel. "Für mich ist es absolut unverständlich."

Für Kritik hatte bereits gesorgt, dass es keinen festen Platz für den türkischen Botschafter geben soll. Auch diese Entscheidung lag beim Senat.

Quelle: ntv.de, dpa/AFP

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