Wahlzettel verschwunden Geständnis in Georgien
09.01.2008, 19:19 UhrNach tagelangen Fälschungsvorwürfen der Opposition hat Georgiens Wahlleitung erstmals gravierende Unregelmäßigkeiten bei der Präsidentenwahl eingeräumt. Es seien viele Wahlzettel verschwunden, meldete die Agentur Interfax unter Berufung auf die Wahlkommission in Tiflis. Zudem habe ein Helfer in einem Wahllokal am Samstag versucht, zahlreiche Abstimmungszettel in eine Urne zu stopfen. Der Mann sei festgenommen worden. Die Ergebnisse aus mindestens zwei Wahllokalen würden annulliert, sagte der Chef der Wahlkommission, Lewan Tarchnischwili. Das Innenministerium müsse diese Fälle untersuchen, sagte er.
Auch der Leiter der Wahlbeobachterkommission der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), der deutsche Diplomat Dieter Boden, bestätigte Berichte über Fälschungen. Es habe "grobe, fahrlässige und vorsätzliche Fälschungen bei der Auszählung der Wahl (gegeben), die auch von unseren Beobachtern berichtet werden", sagte Boden der "Frankfurter Rundschau".
In der Kaukasusrepublik Georgien hat die Opposition nach eigenen Angaben detaillierte Belege für eine massive Wahlfälschung zugunsten des bisherigen Präsidenten Michail Saakaschwili gesammelt. Die Opposition will Saakaschwilis Sieg vor Gericht anfechten und hat Massenproteste angekündigt, um einen zweiten Wahlgang zu erreichen. "Uns liegen mehr als 100 Wahlprotokolle vor, die belegen, dass rund 110.000 Stimmen - das sind knapp sechs Prozent aller Stimmen - zugunsten von Saakaschwili gefälscht wurden", sagte Tina Chidascheli vom Neun-Parteien-Bündnis um den führenden Oppositionspolitiker Lewan Gatschetschiladse nach Angaben der Zeitung.
Die Behörden in Tiflis räumten zudem ein, dass Wahlhelfer Protokolle und gefüllte Wahlurnen mit nach Hause genommen hätten. Nach Einschätzung von Tarchnischwili haben die Annullierungen keinen Einfluss auf das Endergebnis. Der Wahlleiter erklärte den bisherigen Präsidenten Michail Saakaschwili ungeachtet der nicht abgeschlossenen Auszählung weiter zum knappen Sieger. Nach Angaben der Wahlleitung erhielt Saakaschwili 52,2 Prozent der Stimmen, sein Widersacher Lewan Gatschetschiladse erreichte 25,3 Prozent.
Im Streit um den Ausgang der Präsidentenwahl bot Saakaschwili der Opposition eine Zusammenarbeit an. In einem neuen Kabinett könnten auch "ehrbare Vertreter" der Opposition mitarbeiten. "Viele, die uns kritisieren, sind gute Profis und Patrioten", sagte Saakaschwili. Der bisherige Präsident räumte erneut Fehler in seiner ersten Amtszeit ein. Er kündigte eine rasche Umsetzung seines Wahlprogramms "Georgien ohne Armut" an.
Die NATO erklärte in einer in Brüssel verbreiteten Erklärung ihres Sprechers James Appathurai, sie wolle weitere Anstrengungen Georgiens, "sich den euro-atlantischen Standards anzugleichen", unterstützen. "Alle von den internationalen Beobachtern festgestellten Unregelmäßigkeiten sollten jedoch vor den im Frühjahr geplanten Parlamentswahlen geklärt werden", hieß es in dem Papier.
Quelle: ntv.de