Sparpaket nimmt erste Hürde Gewalt auf Athens Straßen
29.06.2011, 01:40 Uhr
Krawalle in Athen: Die Bürger begehren gegen die rigorosen Sparmaßnahmen der Regierung auf.
(Foto: REUTERS)
Griechenlands Parlament stimmt den umstrittenen Sparmaßnahmen der Regierung mit knapper Mehrheit zu. Während EU, IWF und die Finanzmärkte den Schritt als "historisch" begrüßen, kommt es in Athen zu schweren Ausschreitungen. Hunderte Menschen werden verletzt. Gebäude am zentralen Syntagmaplatz brennen. Und noch ist die Auszahlung der Milliardenhilfen nicht gesichert.
Griechenland kommt nicht zur Ruhe. Zwar verabschiedete das Parlament das neue Sparpaket der Regierung, um weitere Hilfsmilliarden von EU und IWF muss das Land aber weiter bangen. Am Donnerstag muss noch ein Ausführungsgesetz zum Sparpaket das Parlament passieren.
Indes macht auch die griechische Bevölkerung ihrem Ärger weiter Luft. Zehntausende demonstrieren im ganzen Land. Im Zentrum Athens randalierten Hunderte Vermummte und lieferten sich rund um den zentralen Syntagmaplatz Zusammenstöße mit der Polizei. Sie warfen Brandflaschen auf ein Postamt und zwei andere Gebäude. Die Feuerwehr konnte regelrecht in letzter Minute sieben Menschen aus einem brennenden Gebäude retten und das Feuer löschen, wie das griechische Fernsehen berichtete.
Wegen der dramatischen Lage musste zuvor ein Luxushotel in der griechischen Hauptstadt evakuiert werden. "Alle unsere Kunden wurden in Sicherheit in anderen Hotels untergebracht", sagte ein Sprecher des Hotels.
Hunderte Verletzte
Mehr als 200 Menschen wurden nach Berichten griechischer Medien verletzt. Die meisten von ihnen hätten Augen- und Atemwegsbeschwerden. Wie die Polizei mitteilte, wurden 38 Menschen festgenommen. 26 Polizisten seien verletzt worden, hieß es.
Die Gegner argumentieren, dass Athen bereits mit seinem ersten Sparprogramm gescheitert sei und das neue Vorhaben die Lage des Landes noch weiter verschlimmern werde. Die Gewerkschaften setzten aus Protest gegen das Vorhaben ihre landesweiten Streiks fort.
Erleichterung bei Politikern
Bei der rund um den Globus mit Spannung beobachteten Abstimmung unterstützten 155 der insgesamt 300 Abgeordneten in Athen den strengen Sparkurs der Regierung. 138 stimmten dagegen, 5 enthielten sich, 2 nahmen an der Abstimmung nicht teil, wie Parlamentspräsident Filippos Petsalnikos bekanntgab.
Eine Mehrheit für das sozialistische Regierungslager war bis zuletzt nicht sicher, weil einzelne Abgeordnete mit einem Nein gedroht hatten. Am Ende hielt sich jeweils ein Politiker der Regierung und einer der Opposition nicht an die Parteilinie. Für das Paket votierten 154 der 155 Abgeordneten der regierenden Sozialisten und eine Abweichlerin der konservativen Nea Dimokratia.
Regierungschef Giorgos Papandreou will bis 2015 gut 78 Mrd. Euro einsparen. Das ist Voraussetzung für neue Milliardenhilfen, ohne die Griechenland schon in zwei bis drei Wochen pleite wäre. Das Land wartet auf die nächsten 12 Mrd. Euro aus dem seit 2010 laufenden 110-Mrd.-Programm von EU und Internationalem Währungsfonds (IWF). Außerdem soll ein neues Hilfspaket im Umfang von bis zu 120 Mrd. Euro am kommenden Wochenende von den EU-Finanzministern beschlossen werden.
Papandreous dramatischer Appell
Mit drastischen Worten führte Papandreou den Abgeordneten die Folgen einer möglichen Staatspleite vor Augen: "Wenn das Land pleite geht, werden die Krankenhäuser aufhören zu operieren, Schulen werden schließen und Renten sowie Gehälter im öffentlichen Dienst werden nicht gezahlt", rief er den Volksvertretern zu.
"Europa hat uns das Vertrauen ausgesprochen, aber nicht für das Griechenland von gestern, sondern für das neue Griechenland", sagte er vor der Abstimmung. Finanzminister Evangelos Venizelos bezeichnete die Verabschiedung des Sparprogramms als eine "patriotische Pflicht".
Merkel: "wichtiger Schritt"
Bundeskanzlerin Angela Merkel begrüßte die Entscheidung des Parlaments: "Ich bin froh über die Nachricht aus Athen, die uns heute erreicht hat", sagte die CDU-Politikerin. Dies sei ein wichtiger Schritt für die Zukunft Griechenlands, aber auch für die Stabilität des Euro als Ganzes.
"Griechenland hat damit gezeigt, dass es bereit ist, einen sicherlich recht schwierigen Weg zu gehen, der auch für viele Menschen (...) Opfer bedeutet." Es sei aber der Weg, der nachhaltige Finanzen, einen Abbau der Schulden sowie Wirtschaftswachstum in Griechenland möglich mache. Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) sprach von einem "Lichtblick, nicht nur für Griechenland, sondern für ganz Europa".
EU, IWF und Märkte zufrieden
Auch die Europäische Union zeigte sich erleichtert. Nach Einschätzung von EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy und EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso entfernt sich Griechenland mit dem Parlamentsvotum von dem Katastrophenszenario einer Staatspleite. "Das war ein Votum der nationalen Verantwortung." Auch der Internationale Währungsfonds (IWF) begrüßte die Billigung des drastischen Sparprogramms.
An den internationalen Finanzmärkten stieg die Hoffnung auf eine Rettung Griechenlands vor der Pleite, weltweit zogen die Kurse an. Ein Kursfeuerwerk allerdings blieb aus. Es warteten noch große Herausforderungen auf das Krisenland, sagten Börsianer.
Quelle: ntv.de, bad/rts/dpa