Politik

"Auf der falschen Spur" Gewerkschaften rechnen ab

DGB-Chef Sommer bei einer Kundgebung im Ruhrgebiet.

DGB-Chef Sommer bei einer Kundgebung im Ruhrgebiet.

(Foto: dpa)

Bei den traditionellen Mai-Kundgebungen am Tag der Arbeit haben Gewerkschafter deutlich schärfere Regeln für die Finanzmärkte und eine Transakionssteuer gefordert. DGB-Chef Michael Sommer sagte bei der zentralen Kundgebung des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) in Essen: "Wir müssen vorbeugen und den Schamlosen in den Arm fallen." Die nächste Krise gucke schon um die Ecke; eine zweite Krise dieser Art sei nicht beherrschbar und bedrohe letztlich Frieden und Demokratie.

Der Vorsitzende der größten Einzelgewerkschaft IG Metall, Berthold Huber, sagte bis heute seien die Krisenursachen nicht untersucht und keine Gesetze gegen Finanzmarktspekulationen erlassen worden. "Wer auf der falschen Spur ist, wer als Geisterfahrer noch Vollgas gibt, der provoziert den nächsten Crash." Auch seien die Verantwortlichen nicht zur Rechenschaft gezogen worden. Der IG- Metall-Chef kritisierte auch die Rolle der Rating-Agenturen bei der Griechenland-Krise: Sie hätten noch vor kurzem Bestnoten für Schrottpapiere ausgestellt und urteilten heute über die Zukunft demokratischer Staaten.

Sozialer Frieden - für Gewerkschafter kein alter Hut.

Sozialer Frieden - für Gewerkschafter kein alter Hut.

(Foto: APN)

Verdi-Chef Frank Bsirske beklagte, weder eine Reform noch eine Regulierung der Finanzmärkte sei in Sicht. "Bis heute zwingen die Banken ihre Belegschaften, Papiere zu verkaufen, die die Kunden weder haben wollen noch brauchen", sagte Bsirske. Besonders hart griff der Verdi-Chef den FDP-Vorsitzenden Guido Westerwelle an. Dieser betreibe einen "dreisten Lobbyismus zugunsten Reicher". Der Vorsitzende der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU), Klaus Wiesehügel, sagte in Koblenz: "Die Krise hat gezeigt, dass der Markt sich nicht selbst regeln kann und das auch nicht darf." Gleichzeitig warnte er vor einer "marktradikalen Renaissance".

Bankenabgabe reicht nicht aus

DGB-Chef Sommer verlangte - ebenso wie Huber und Wiesehügel - eine Steuer auf alle Finanztransaktionen. Außerdem müssten die Banken für den bisher schon angerichteten Schaden aufkommen. Dazu reiche die von der Regierung verabschiedete Bankenabgabe bei weitem nicht aus: "Die ist so lächerlich gering, dass sie nicht einmal den Bankrott einer Dorfsparkasse auffangen könnte." Sommer kritisierte auch die steuerpolitischen Vorstellungen der FDP. "Die liberalen Steuerpläne sind schon in ihrer Idee zutiefst ungerecht", sagte der DGB-Chef. "Nur die Reichen können sich einen armen Staat leisten."

Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel bekräftigte die Forderung, die Banken an der Finanzierung der Griechenland-Hilfe zu beteiligen. "Wir wollen nicht, dass wir zum zweiten Mal für das Zocken und Spekulieren der europäischen Banken zahlen. Das sollen die mal selbst machen", sagte er bei einer DGB-Mai-Kundgebung in Witten. "Dieses bisherige Herumtaktieren hat doch die Spekulanten eingeladen", sagte Gabriel. Deutschland brauche einen starken Euro und deshalb müsse auch Deutschland mit Geld helfen. "Wenn es Spanien, Italien oder Griechenland schlecht geht, dann geht es auch uns schlecht", sagte er. Die Länder seien für das Exportland Deutschland wichtigste Handelspartner.

Immer mehr mit Niedriglohn

Frank Bsirske ging die Banken an.

Frank Bsirske ging die Banken an.

(Foto: APN)

Bundesweit hatten die Gewerkschaften fast 450 Veranstaltungen organisiert. Sie stehen unter dem Motto "Wir gehen vor! Gute Arbeit. Gerechte Löhne. Starker Sozialstaat". Hauptthema war neben der Wirtschaftskrise die Zunahme schlecht bezahlter und unsicherer Beschäftigung. Nach DGB-Angaben nahmen fast eine halbe Million Menschen an den Veranstaltungen teil. Bis zum Mittag seien bundesweit rund 464.000 Demonstranten gezählt worden, teilte der DGB in Berlin mit. Damit sei die Teilnahme im Vergleich zum Vorjahr unverändert hoch gewesen. DGB-Chef Sommer wertete dies als "deutliches Signal der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer an die Regierung".

Sommer sagte: "Es ist höchste Zeit, dass der Niedriglohnsektor ausgetrocknet und letztendlich abgeschafft wird." Ein gesetzlicher Mindestlohn von 8,50 Euro sei da "wahrhaftig nicht zu viel". IG-Metall-Chef Huber setzte sich für eine bessere Absicherung der Arbeitsverhältnisse ein. Nur noch jede dritte offene Stelle sei ein regulärer, sozial geschützter Arbeitsplatz. Die stellvertretende DGB-Vorsitzende Ingrid Sehrbrock rief dazu auf, die Jugend in der aktuellen Wirtschaftskrise nicht hängen zu lassen. "Wie alle Beschäftigten brauchen auch die jungen Arbeitnehmer Perspektiven und einen fairen Lohn", sagte sie auf der Maikundgebung in Bad Kreuznach.

Der Vorsitzende der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG), Franz-Josef Möllenberg, forderte eine Wertedebatte "im Interesse der arbeitenden Menschen". Sie müsse geführt werden um Mindestlöhne, das Armutsrisiko bei Kindern und Jugendlichen und darum, "wer in der Wirtschaftskrise den Karren aus dem Dreck zieht", sagte Möllenberg.

In Frankfurt hatten hunderte Kapitalismuskritiker mit Bannern und Sprechchören friedlich gegen Kapitalismus und Lohnarbeit demonstriert. Die Veranstalter sprachen von mehr als 1000 Teilnehmern, die Polizei von etwa 400. Ein Bündnis linker Gruppen hatte bundesweit zu der Demonstration unter dem Motto "Endlich wird die Arbeit knapp! Gegen Lohnarbeit, Leistungsterror und Konkurrenz - Kapitalismus abwracken!" aufgerufen und wollte sich damit ausdrücklich gegen die Demonstrationen der Gewerkschaften am 1. Mai abgrenzen.

Quelle: ntv.de, dpa

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