Zeit für Börsensteuer wird knapp Gnade für Finanzjongleure?
13.11.2014, 20:18 Uhr
(Foto: imago/Mike Schmidt)
Noch in diesem Jahr soll die Finanztransaktionssteuer fertig ausgearbeitet sein. Es wäre ein historischer Schritt, eine Lehre aus der Finanzkrise. Doch die Bundesregierung wagt sich bisher nicht aus der Deckung. Das gefährdet das Projekt auf EU-Ebene.
Wenn am 9. Dezember die Finanzminister der EU in Brüssel zusammenkommen, geht es für Manfred Bergmann um alles oder nichts. Bis Ende des Jahres, so haben es elf Minister versprochen, wollen sie eine Finanztransaktionssteuer ausgearbeitet haben und diese dann so bald wie möglich in ihren Ländern einführen. Doch die Zeichen stehen schlecht. Kommt beim Treffen keine Einigung zustande, könnte von dem ambitionierten EU-Projekt nicht viel mehr übrig bleiben als ein paar einzelstaatliche Gesetze. Manfred Bergmann, der für die EU-Kommission das Projekt vorantreibt, hätte mit der Sache nichts mehr zu tun.
Und das wäre schlecht. Denn die Finanztransaktionssteuer wäre ein wichtiger Schritt zur Bändigung der Finanzmärkte, deren Auswüchse 2008 eine Wirtschaftskrise auslösten, die bis heute ganze Staaten im Griff hat. Damit das funktioniert, müssten möglichst viele Staaten die Steuer möglichst einheitlich regeln. Deutschland hat 2012 versprochen, sich in der EU dafür einzusetzen.
Doch das Bündnis wackelt. Bisher treffen sich elf Staaten, Slowenien soll bereits kurz vor dem Ausstieg stehen. Wenn weniger als neun Staaten mitmachen, gilt die Steuer nicht mehr als EU-Projekt. "Die Bundesregierung hat sich hinter den Kulissen stark um die Allianz bemüht", sagt Bergmann, der EU-Beamte. Aber seit Monaten tue sich in der Debatte wenig: "Alles guckte auf Deutschland, doch von da kam nichts."
Bisher schaden Transaktionssteuern nicht
Die Finanztransaktionssteuer war lange ein Projekt von Spontis und Linken. Sie wollen damit Spekulanten Einhalt gebieten, den Finanzsektor abbremsen und die Branche an den Kosten der Krise beteiligen, die sie selbst ausgelöst hat. Und das geht so: Die Steuer würde auf den Handel mit Wertpapieren anfallen, der Steuersatz wäre aber mit 0,01 bis 0,1 Prozent sehr niedrig. Damit würden komplizierte Geschäfte über mehrere Ecken oder der sekundenschnelle Hochfrequenzhandel teurer, der einfache Kauf von Aktien oder Anleihen wäre aber kaum betroffen. Die Ministeuer wäre Sand im Getriebe der heißlaufenden Finanzmärkte. Sie könnte die Finanzriesen abbremsen.
Nach dem Ausbruch der Finanzkrise 2008 bekam die Steuer immer mehr Anhänger. Im Sommer 2012 rang die Opposition der schwarz-gelben Koalition dann das Versprechen ab, sich auf europäischer Ebene für die Steuer einzusetzen.
Doch der Prozess zieht sich in die Länge. Mittlerweile haben Italien und Frankreich längst eigene Finanztransaktionssteuern eingeführt und nehmen dadurch hunderte Millionen Euro pro Jahr ein. Nach Schätzung der EU-Kommission sind Deutschland insgesamt schon auf 4 bis 8 Milliarden Euro entgangen, weil es bislang auf eine solche Steuer verzichtet. Allerdings sei es "richtig und wichtig", dass Deutschland das tue, sagt Bergmann, denn wenn jeder Staat alleine handelt, bleiben mehr Schlupflöcher für die Finanzkonzerne. Je mehr Staaten mitmachen, desto besser ist es also. Wenn es die Steuer erst einmal gibt und sich die Horrorszenarien der Finanzlobby nicht bestätigt haben, könnten weitere Länder nachziehen. Die Chancen dafür stünden gut: Die abgespeckten Finanztransaktionssteuern in Italien und Frankreich haben der Wirtschaft nicht merklich geschadet. Am Ende könnte eine Steuer stehen, die in der ganzen EU gilt oder noch darüber hinaus. Wie beim automatischen Austausch von Steuerdaten müssen einige Staaten vorangehen.
Gürtel und Hosenträger
Die Probleme liegen im Detail. Die Regierungen werden sich nicht einig, wonach sich entscheidet, welchem Land das Geld zusteht, wenn etwa eine deutsche Bank in Frankreich britische Aktien an italienische Anleger verkauft. Auch ist unklar, welche Finanzprodukte genau besteuert werden sollen. Die EU-Kommission hätte gerne eine große Lösung: alle Märkte, alle Akteure, alle Produkte. Bergmann nennt das "Triple A" - wie die Bestnote von Ratingagenturen. So gäbe es die geringste Gefahr der Verlagerung, was mit weiteren Regeln unterstützt würde. Bergmann spricht von "Gürtel und Hosenträger gleichzeitig". Frankreich möchte dagegen, dass die Steuer nur auf die Papiere anfällt, die im eigenen Land ausgegeben wurden, also zum Beispiel auf französische Aktien - egal, wer damit handelt. Außerdem sollen viele Derivate von der Steuer ausgenommen sein.
Wird Deutschland einen Vorschlag machen, dem die elf willigen Staaten zustimmen können? Er müsste dann in den nächsten Wochen kommen. Das Finanzministerium will sich dazu aber "aus verhandlungstaktischen Gründen" nicht äußern. Das Konzept der Franzosen sei auch deswegen nicht angenommen worden, weil es zu schnell zu konkret vorgeschlagen worden sei, deutet ein Sprecher an. Werden die Spekulanten geschont, weil sich die EU-Staaten schlicht nicht einig werden? Deutschland habe ein großes Interesse daran, noch in diesem Jahr zu einem ordentlichen Konzept zu kommen, sagt der Ministeriumssprecher. Die Hoffnung bestehe weiter.
Quelle: ntv.de