Politik

Weltweiter Druck auf Assad-Regime Golfstaaten ziehen Botschafter ab

Proteste in Daria.

Proteste in Daria.

(Foto: dpa)

Die syrische Führung gerät wegen des gewaltsamen Vorgehens gegen die Opposition auch in der arabischen Welt zunehmend unter Druck. So zieht nach Saudi-Arabien auch Kuwait seinen Botschafter aus Damaskus ab. Während Deutschland den Führungsanspruch von Machthaber Assad in Frage stellt, will die Türkei ein letztes Mal an dessen Vernunft appellieren.

Die syrische Führung gerät wegen ihres anhaltend brutalen Vorgehens gegen Demonstranten auch in der arabischen Welt zusehends in die Isolation. Nach Saudi-Arabien und Kuwait kündigte auch der Golfstaat Bahrain den Abzug seines Botschafters aus Syrien an, während die Gewalt dort weiter anhielt.

König Abdullah äußerte sich ungewöhnlich scharf über das gewaltsame Vorgehen Assads (links).

König Abdullah äußerte sich ungewöhnlich scharf über das gewaltsame Vorgehen Assads (links).

(Foto: dpa)

In einer Abkehr von der sonst diskreten Diplomatie seines Landes forderte zunächst der saudiarabische König Abdullah Syriens Machthaber Baschar al-Assad auf, "die Todesmaschinerie zu stoppen und das Blutvergießen zu beenden", bevor es zu spät sei. "Was in Syrien geschieht ist für Saudi-Arabien nicht zu akzeptieren", sagte Abdullah in einer vom staatlichen Fernsehen übertragenen Rede. Die Vorgänge hätten nichts mit Religion und Moral zu tun.

Der König rief die syrische Regierung zu umfassenden und raschen Reformen auf. Syrien habe jetzt die Möglichkeit, "willentlich zur Vernunft zu kommen oder in tiefes Chaos gestürzt zu werden". Es ist die schärfste Kritik, die Saudi-Arabien gegenüber einem anderen arabischen Land seit Ausbruch der Protestwelle in der Region äußerte, die zu den Machtwechseln in Tunesien und Ägypten geführt hatte.

"Blutvergießen" muss aufhören

Das "Blutvergießen" in dem Land dürfe nicht akzeptiert werden, erklärte auch Kuwaits Außenminister Scheich Mohammed al-Sabah. Das "militärische" Vorgehen müsse sofort gestoppt werden. Al-Sabah kündigte zudem eine weitere Sitzung des Golfkooperationsrats zu Syrien an, der bereits am Samstag ein Ende der Gewalt und Reformen gefordert hatte. Bahrains Chefdiplomat Scheich Chaled bin Ahmed al-Chalifa erklärte, sein Land habe ebenfalls beschlossen, seinen Botschafter abzuziehen und rufe zur "Weisheit" auf. Die Arabische Liga, die am Sonntag ein sofortiges Ende der Gewalt gefordert hatte, mahnte einen "ernsthaften" Dialog und friedliche Mittel an, um eine nationale Versöhnung zu erreichen.

Auch UN-Generalsekretär Ban Ki Moon und Papst Benedikt XVI. hatten bereits ein unverzügliches Ende der blutigen Gewalt gefordert. Ban drang nach mehreren Anläufen erstmals telefonisch zu Assad durch.

Türkei erhöht den Druck

Der türkische Außenminister Davutoglu will offenbar an Assads Vernunft appellieren.

Der türkische Außenminister Davutoglu will offenbar an Assads Vernunft appellieren.

(Foto: ASSOCIATED PRESS)

Der türkische Außenminister Ahmet Davutoglu wollte einem Pressebericht zufolge bei seinem für Dienstag anberaumten Gespräch mit Assad betonen, dass Syrien dabei sei, die Türkei als Partner zu verlieren. Die türkische Zeitung "Radikal" berichtete unter Berufung auf diplomatische Kreise, Davutoglu wolle Assad zwei Möglichkeiten vor Augen führen: Er könne sich wie der frühere sowjetische Staatschef Michail Gorbatschow trotz des Zusammenbruchs seiner Führung als geachteter Staatsmann Respekt verschaffen - oder ihm drohe ein Schicksal wie das des hingerichteten irakischen Ex-Staatschefs Saddam Hussein.

Nach dem Beginn des Aufstands in Syrien Mitte März hatte Ankara über Wochen versucht, beschwichtigend auf Damaskus einzuwirken. Die türkische Regierung zeigt sich inzwischen aber zunehmend ernüchtert über die harte Haltung der syrischen Staatsmacht gegenüber den Demonstranten.

Deutschland in zunehmender Sorge

Unterdessen stellt die Bundesregierung Assads Führungsanspruch in Frage. "Sollte sich Präsident Assad fortwährend dem Dialog mit der syrischen Bevölkerung verweigern und weiterhin auf Gewaltanwendung setzen, so gibt er nach Ansicht der Bundesregierung seine Legitimation auf, die Geschicke seines Landes weiter zu lenken", sagte Vizeregierungssprecher Christoph Steegmans in Berlin. Bundeskanzlerin Angela Merkel beobachte "mit zunehmender Sorge, dass die Kritik der internationalen Gemeinschaft Präsident Assad zu keinerlei Änderung seiner Politik veranlasst hat", so Steegmans. Die EU prüfe derzeit weitere Strafmaßnahmen und eine Ausweitung der Sanktionen auf die Wirtschaftsbeziehungen.

Den Worten von Außenamtssprecher Dirk Augustin zufolge hat die Bundesregierung ihre Kontakte zur syrischen Führung "auf ein Minimum des Notwendigen" reduziert. Der deutsche Botschafter solle aber zunächst in Damaskus auf seinem Posten bleiben, um "Informations- und Kontaktkanäle offenzuhalten".

Assad bleibt ungerührt

Assad zeigte sich von allen Appellen unbeeindruckt. In der Protesthochburg Deir al-Sor setzten Panzereinheiten nach Augenzeugenberichten ihre Angriffe fort.

Ali Habib (rechts) ist fortan nicht mehr Syriens Verteidigungsminister.

Ali Habib (rechts) ist fortan nicht mehr Syriens Verteidigungsminister.

(Foto: REUTERS)

Dabei vertraut der Präsident ab sofort auf die Dienste eines neuen Verteidigungsministers. Ali Habib werde durch General Daud Radschha abgelöst, berichtete das staatliche syrische Fernsehen. Der Verteidigungsminister in Syrien nimmt hauptsächlich protokollarische Aufgaben wahr. Tatsächlich hat Assads gefürchteter Bruder Maher die Kontrolle über die Streitkräfte. Auch ihr Schwager Assef Schawkat nimmt als stellvertretender Generalstabschef eine Schlüsselrolle wahr.

Die Homepage des syrischen Verteidigungsministeriums wurde indes von der Hackergruppe Anonymous geknackt. Die Website www.mod. gov.sy war am Montag nicht erreichbar, nachdem Anonymous am Sonntag über den Internet-Kurznachrichtendienst Twitter einen Hackerangriff auf das Ministerium angekündigt hatte. Die Internetpiraten veröffentlichten auch ein Foto der gekaperten Seite, auf der sie kurzzeitig Bilder von blutenden Demonstranten und eine Nachricht an das syrische Volk platzieren konnten.

In der Botschaft erklärten die Hacker, die Welt unterstütze die syrische Opposition gegen das "brutale Regime" von Präsident Assad. "Zeit und Geschichte" seien auf der Seite des syrischen Volkes. "Alle Tyrannen werden fallen und dank eures Mutes wird Baschar el Assad der nächste sein", hieß es in der Botschaft, die sich auch an das Militär richtete. Die Armee müsse "das syrische Volk zu beschützen", forderte die Hackergruppe. Wer den Befehl gebe, "Frauen, Kinder und Alte" zu töten, müsse wegen Hochverrats angeklagt werden.

Wieder Wochenende im Zeichen der Gewalt

Improvisierte Barrikaden in Hama.

Improvisierte Barrikaden in Hama.

(Foto: dpa)

Auch am Wochenende hatte sich Assad gleichgültig gegenüber den weltweiten Forderungen nach einem Gewaltstopp gezeigt und ließ das Militär weiter mit Panzern gegen die Demokratiebewegung vorgehen. So kamen durch das brutale Vorgehen gegen Demonstranten mindestens 90 Menschen ums Leben. Oppositionelle sprachen sogar von 80 Toten allein am Sonntag in den Hochburgen des Aufstands Deir al-Zor und Homs.

Die massiven Proteste gegen Präsident Baschar al-Assad hatten Mitte März begonnen. Seither wurden nach Angaben von Menschenrechtsaktivisten mehr als 1600 Zivilisten getötet und mindestens 12.000 Regierungsgegner festgenommen. Heute wurden in der von  Sicherheitskräften kontrollierten Stadt Deir Essor nach Angaben von  Aktivisten unter anderem eine Frau und ihre beiden Kinder getötet,  als sie vor der Gewalt fliehen wollten.

Quelle: ntv.de, dpa/rts/AFP

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