Politik

Spielt Marine Ekel-Rituale herunter? "Gorch Fock" soll weitersegeln

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Als wäre nichts gewesen: Die Rückkehr der "Gorch Fock" nach Deutschland nimmt die Marine zum Anlass, um Zweifel an der Zukunft des Segelschulschiffes auszuräumen. Auch Kommandant Schatz soll möglichst zurück an Bord kommen. Der Wehrbeauftragte Königshaus wirft der Marine allerdings vor, nicht vollständig aufzuklären.

Mit der Rückkehr der "Gorch Fock" von ihrer wohl schwersten Reise zeichnet sich ein Erhalt des Segelschulschiffes der Marine ab. Beim Empfang im Heimathafen Kiel, bei dem 2000 Menschen den Dreimaster begrüßten, betonte Marineinspekteur Axel Schimpf: "Dieses Schiff wird in Zukunft auch in der neuen Marine seinen Platz behalten – egal wie sie aussehen wird." Er habe keinen Grund, das Schiff als solches infrage zu stellen. Die Ausbildung soll aber sicherer gemacht werden. Der abgelöste Kapitän Norbert Schatz könnte außerdem als Kommandant zurückkommen.

"Gorch Fock muss bleiben": Dem Schiff wurde ein freudiger Empfang geboten.

"Gorch Fock muss bleiben": Dem Schiff wurde ein freudiger Empfang geboten.

(Foto: REUTERS)

Verteidigungsminister Thomas de Maizière signalisierte ebenfalls die Absicht, an der Ausbildung auf dem Dreimaster festzuhalten. "Wir sollten nicht leichtfertig eine so schöne Tradition über Bord werfen", sagte er der ARD. Bis zur vollständigen Aufklärung der Vorwürfe wird das Schiff aber nach Aussage eines Ministeriumssprechers im Hafen liegen. Die Südamerika-Reise der "Gorch Fock" war vom Tod einer Kadettin, Vorwürfen der Schikane und Berichten über angebliche Ekel-Rituale überschattet worden.

"Wir haben dich vermisst"

Nur wenige Tage vor Bekanntwerden der Vorwürfe hatte sie erstmals das berüchtigte Kap Horn umrundet, der Höhepunkt ihrer Karriere seit der Indienststellung 1958. Auf dem Segelschulschiff wurden über 14.500 Offiziers- und Unteroffiziersanwärter ausgebildet, während es rund 750.000 Seemeilen zurücklegte, was beinahe 35 Erdumrundungen entspricht.

Unter großem Jubel hatte die weiße Bark am Morgen in Kiel festgemacht. Wie stets wurde das Schiff mit militärischen Ehren unter den Klängen des Marine-Musikkorps empfangen. Angehörige und Freunde drängten sich an der Tirpitzmole. Manche schwenkten Fähnchen mit der Aufschrift "Die Gorch Fock muss bleiben", andere trugen T-Shirts oder Spruchbänder mit "Wir haben dich vermisst".

Tödlicher Sturz

Von Bord gingen nach der fast 29.000 Seemeilen langen Schicksalsreise rund 180 Mitglieder der Stammbesatzung und der Segelcrew. Offiziersanwärter waren nicht mehr dabei, nachdem ihre Ausbildung wegen des Todes der Kadettin im November abgebrochen worden war. Die 25-Jährige war in Brasilien aus der Takelage gestürzt. Nach dem Vorfall kamen Vorwürfe über angebliche Drangsalierungen und eklige Rituale auf, die eine Kommission der Marine im Wesentlichen nicht bestätigte.

Will das Schiff nicht aufgeben: Marineinspekteur Schimpf.

Will das Schiff nicht aufgeben: Marineinspekteur Schimpf.

(Foto: dpa)

Den internen Bericht wertet der Marineinspekteur nach eigenen Angaben derzeit aus. "Wir wollen weder etwas vertuschen noch verheimlichen, sondern wir wollen Transparenz", sagte Schimpf. Der Wehrbeauftragte des Bundestags, Hellmut Königshaus, an den sich Offiziersanwärter mit ihren Beschwerden gewandt hatten, warf hingegen dem "Spiegel" zufolge der Marine mangelnde Aufklärung vor. Der zuletzt vorgelegte Marinebericht kläre "den Sachverhalt nicht vollständig auf".

De Maizières Ministerium distanzierte sich von dem Bericht und will Stellung nehmen, sobald die Ermittlungen der Kieler Staatsanwaltschaft und eine Havarieverhandlung abgeschlossen sind. Dies wird noch im Mai erwartet.

Schatz könnte wiederkommen

Vizeadmiral Schimpf hofft, dass der Kommandant Norbert Schatz zurückkehrt. Dieser sei gewillt dazu, sagte er. Der damalige Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg hatte Schatz in einer umstrittenen Entscheidung abgelöst. "Die Absetzung war ein Schock. Wir hätten ihn gerne behalten", kritisierte ein 20 Jahre alter Obergefreiter, der im Dezember an Bord gegangen war.

Zurück in der Heimat: Nach fast 30.000 Seemeilen über's Meer ist die "Gorch Fock" zurück.

Zurück in der Heimat: Nach fast 30.000 Seemeilen über's Meer ist die "Gorch Fock" zurück.

(Foto: dapd)

Damit Offiziersanwärter in Zukunft sicherer trainieren können, wird in der Marineschule Flensburg-Mürwik ein Übungsmast gebaut. "Das hat höchste Priorität", sagte Schimpf. Königshaus forderte zudem bessere Ausbildungsregeln. "Es muss eben klar sein, was die Kadetten tun müssen und was sie freiwillig tun sollen", sagte er bei n-tv. Zudem gehe es darum, weitere Risiken zu vermindern. So solle ein Übungsmast an Land errichtet werden. Zwar habe die bisherige Form der Ausbildung Vorteile. "Aber die sind eben verbunden mit unvermeidlichen Risiken, nämlich in Form des Aufenterns, in Form des Umsteigens dann in großer Höhe, wo man sich nicht sichern kann." Eine unabhängige zivile Kommission will sich von nächster Woche an mit der Ausbildung befassen.

Politik hält an Schiff fest

Schimpf warnte davor, die Zukunft "Gorch Fock" nur an den Kosten zu bemessen - sie betragen pro Jahr mehrere Millionen. "Dieses Schiff ist seinen Preis wert", sagte Schimpf. Nach Einschätzung des CDU-Marineexperten Ingo Gädechens dürfte die Ausbildung ohne die Bark teurer werden, weil andere Einheiten wie Kampfschiffe teurer im Unterhalt wären. Es gebe einen überparteilichen Konsens, dass die "Gorch Fock" Ausbildungsschiff bleiben soll, sagte Gädechens. "Das ist unser ausgeprägter Wunsch", erklärte auch Kiels Oberbürgermeister Torsten Albig. Das Schiff sei Botschafter Schleswig-Holsteins und der Landeshauptstadt.

Auch der Vorsitzende des Bundeswehrverbandes, Ulrich Kirsch, setzte sich für die "Gorch Fock" als Ausbildungsschiff ein. "Dieses Schiff hat etwas ganz Besonderes, weil es den Crew-Gedanken fördert", sagte er dem Hessischen Rundfunk. Ex-Minister zu Guttenberg habe mit spontanen Entscheidungen dazu beigetragen, "dass so ein Durcheinander entstanden ist".

Der Onkel der tödlich verunglückten Kadettin Sarah Lena Seele, Roland Seele, kritisierte allerdings den feierlichen Empfang in Kiel. "Wir haben als Familie das Gefühl, dass die Marine schon wieder vergessen hat, dass auf dem Schiff Menschen ums Leben gekommen sind", sagte er der Bild"-Zeitung.

Quelle: ntv.de, tis/dpa/rts

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