Eine "in Diktaturen übliche Praxis" Grass vergleicht Jischai mit Mielke
10.04.2012, 16:22 UhrDie Debatte über das umstrittene Israel-Gedicht von Günter Grass dauert an. Jetzt wendet sich der Schriftsteller in scharfer Form gegen das von Israel verhängte Einreiseverbot – und zieht einen Vergleich mit der DDR.

Grass meldet sich in der Debatte erneut zur Wort.
(Foto: dpa)
Der Schriftsteller Günter Grass hat sich erneut mit harscher Israel-Kritik zu Wort gemeldet. Der Literaturnobelpreisträger rückte den israelischen Innenminister Eli Jischai in der "Süddeutschen Zeitung" in die Nähe des früheren Stasi-Chefs Erich Mielke. Jischai hatte Grass vor wenigen Tagen zur "Persona non grata" erklärt und ein Einreiseverbot gegen ihn angeordnet, nachdem dieser dem jüdischen Staat wegen des Iran-Konflikts als Bedrohung für den Weltfrieden bezeichnet und Israel vor einer möglichen "Auslöschung" des iranischen Volkes durch einen Atomschlag gewarnt hatte.
Grass schreibt, das Einreiseverbot gegen ihn sei eine "in Diktaturen übliche Praxis", die er selbst in der DDR und in Birma erlebt habe. Die Begründung Jischais für das Einreiseverbot erinnere ihn dem Tonfall nach an das Verdikt Mielkes. Mielke (1907-2000) war langjähriger Minister der DDR für Staatssicherheit. Nach der Wende wurde er wegen eines 1931 verübten Doppelmords an Polizisten zu sechs Jahren Haft verurteilt.
Grass erneuert in seinem Beitrag auch die massive Kritik an der Atommacht Israel. Als "Atommacht von unkontrolliertem Ausmaß begreift sich die israelische Regierung als eigenmächtig und ist bislang keiner Ermahnung zugänglich". In seinen ersten in Gedichtform gekleideten Einlassungen zu Israel hatte der Dichter auch kritisiert, ein israelischer Erstschlag könne das "iranische Volk auslöschen".
Auch USA halten Israel zurück
Israel sieht sich durch den Iran nach zahlreichen Vernichtungsdrohungen des islamistischen Regimes in seiner Existenz bedroht und behält sich das Recht eines Militärschlags gegen das iranische Atomprogramm vor. Auch die USA betonen, dass die Option eines Militärschlags auf dem Tisch liege. Allerdings sehen sich die USA dafür besser gerüstet und wollen Israel von einem solchen Schritt abhalten.
Für und wider für Grass
Unterstützung erhielt Grass jetzt von seinem Schriftstellerkollegen Erich Loest. Der 86-Jährige schrieb in einem von der "Leipziger Volkszeitung" veröffentlichten Brief: "Lieber Günter, wir sind uns einig: Ein nuklearer Angriff Israels wäre ein Kriegsverbrechen mit schrecklichen Folgen."
Hingegen sprach der Schriftsteller Josef Haslinger dem Literaturnobelpreisträger "die nötige moralische Autorität für dieses Thema" ab. Der Filmproduzent Artur Brauner wandte sich "an den Dichter des Grauens, der Verzerrung, der Provokation gegen Israel". Brauner schrieb in einer Anzeige in der Zeitung "Die Welt", Grass bewirke nur, dass die Verbindung der Juden mit Israel noch stärker werde.
Quelle: ntv.de, dpa