Vorgeschmack auf 2009 Große Koalition in Agonie
12.01.2008, 16:50 UhrUnions-Fraktionschef Volker Kauder ist offenbar besorgt über den Zustand der großen Koalition. "Ich verhehle nicht, dass mir manche Äußerung unseres Koalitionspartners etwas Sorge bereitet", schrieb der CDU-Politiker laut "Welt am Sonntag" in seinem Neujahrsbrief an die Abgeordneten von CDU und CSU. Trotz der Landtagswahlkämpfe habe er bislang den Eindruck gehabt, dass die SPD zu dem Bündnis stehe. "Leider drängt sich dieser Eindruck derzeit nicht mehr auf."
"Regierungsbeteiligung und Opposition in Mainz: Das geht nicht", erklärte Kauder mit Blick auf den SPD-Vorsitzenden Kurt Beck, der Ministerpräsident in Rheinland-Pfalz ist. Der Christdemokrat beklagte sich auch über SPD-Außenminister Frank-Walter Steinmeier: "Mich beunruhigt auch, dass der Vizekanzler offensichtlich die für sein Ministeramt notwendige diplomatische Zurückhaltung und fachliche Konzentration aufgegeben hat."
In dem siebenseitigen Schreiben, das der "Welt am Sonntag" vorliegt, erläutere Kauder die seiner Meinung nach wichtigsten Vorhaben der Koalition im kommenden Jahr. "Unser Ziel heißt: Mehr Netto. Dazu wollen wir wenn möglich die Lohnzusatzkosten weiter senken und die Arbeit an einer Reform der Einkommensteuer aufnehmen", zitierte das Blatt aus dem Schreiben. Bei der Erbschaftsteuer sei es "eine Selbstverständlichkeit, dass wichtige Verbesserungsvorschläge im parlamentarischen Prozess berücksichtigt werden". Die CSU verlangt Korrekturen am Gesetzentwurf von Finanzminister Peer Steinbrück (SPD).
Kauder forderte die SPD auf, ihre "Blockadehaltung" bei der Reform des Jugendstrafrechts aufzugeben. Beim Anti-Terror-Kampf warte man nach wie vor auf praktikable Vorschläge der Justizministerin, wie der Aufenthalt in Terrorausbildungslagern unter Strafe gestellt werden könne. Ministerin Brigitte Zypries (SPD) dürfe notwendige Entscheidungen in dem Bereich nicht weiter verschleppen.
Klimapflege
Knapp zwei Wochen vor den beiden wichtigen Landtagswahlen in Hessen und Niedersachsen wollen Bundestagsabgeordnete von Union und FDP am Montag in Berlin über Kooperationen auf Landes- und Bundesebene beraten. Nach übereinstimmenden Berichten mehrerer Zeitungen soll dabei auch über die Möglichkeit für ein schwarz-gelbes Bündnis nach der Bundestagswahl 2009 gesprochen werden.
Als Teilnehmer der Runde in der FDP-Zentrale wurden rund 20 Fachpolitiker von Union und Liberalen sowie die Generalsekretäre Ronald Pofalla (CDU) und Dirk Niebel (FDP) genannt. Deren CSU-Kollegin Christine Haderthauer wird wegen der Klausur der bayerischen CSU-Landtagsfraktion in Kreuth nicht nach Berlin kommen. Allerdings nehmen - anders als beim ersten Treffen dieser Art im September - auch einige CSU-Abgeordnete teil. Das Auftakttreffen hatte in der Koalition für Unruhe gesorgt und die nicht eingeladene CSU verstimmt.
Den Berichten zufolge soll über eine gemeinsame Strategie zur Sicherung oder Erneuerung bürgerlicher Bündnisse auf Landes- und Bundesebene beraten werden. In Niedersachsen und Hessen wird am 27. Januar, in Hamburg am 24. Februar gewählt.
Ziel des Treffens sei die "Fortsetzung der Klimapflege", heißt es in der "Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung". Die "Bild" schreibt, wichtigstes Thema sei die Frage, wie eine schwarz-gelbe Mehrheit bei der Bundestagswahl 2009 zu erreichen sei. Der "Welt am Sonntag" zufolge soll über eine Steuerreform und die Wirtschaftspolitik gesprochen werden. Ein FDP-Sprecher sagte dem "Tagesspiegel am Sonntag": "Für Union und FDP geht es darum, wie die bürgerlichen Mehrheiten der Mitte bei den kommenden Wahlen angesprochen werden können."
Farbspiele
Im September mussten sich die Fraktionschefs von Union und SPD einen Tag nach dem christlich-liberalen Sondierungstreffen in der Generaldebatte im Bundestag demonstrativ zur großen Koalition bekennen. SPD-Fraktionschef Peter Struck sagte damals mit Blick auf Spekulationen über mögliche Bündnisse nach der nächsten Wahl: "Wir haben noch eine Menge zu tun bis 2009." Sein Kollege Volker Kauder (CDU) riet davon ab, "jetzt mit Spekulationen zu kommen, was nach 2009 kommt".
Zusätzliche Würze bekam das schwarz-gelbe Treffen dadurch, dass sich am gleichen Tag die Parlamentarischen Geschäftsführer von Grünen und SPD zu einem "einen freundschaftlichen Austausch" trafen. Nach dem September-Treffen in der Berliner CDU-Zentrale sprachen Pofalla und Niebel von einem "harmonischen Abend". Sie machten ein "hohes Maß an Deckungsgleichheit" in der Wirtschafts- und Finanzpolitik aus und betonten auch Gemeinsamkeiten in der Familienpolitik. Beide verabredeten damals schon das nächste Treffen.
Unterdessen wurden auch wieder schwarz-grüne Optionen vor allem mit Blick auf die Hamburg-Wahl im Februar ins Spiel gebracht, wo sich Regierungschef Ole von Beust (CDU) ein entsprechendes Bündnis vorstellen kann. "Hamburg als Stadtstaat und Stadt mit einer bürgerlichen Mitte bis weit in die Grünen-Wählerschaft hinein ist ein reizvoller Ort für die Option Schwarz-Grün", sagte die CDU- Bundestagsabgeordnete Julia Klöckner dem "Focus". Grünen-Chefin Claudia Roth machte allerdings in der hannoverschen "Neuen Presse" deutlich, dass es mit der Union zu wenig inhaltliche Gemeinsamkeiten gebe.
Quelle: ntv.de