Schwarz-Gelb triumphiert Grüne befördern Köhlers Sieg
23.05.2009, 16:00 UhrIn der Wiederwahl Horst Köhlers zum Bundespräsidenten sehen Union und FDP ein klares Zeichen für ihre Wunsch-Koalition auf Bundesebene. Zum Triumph des schwarz-gelben Bündnisses tragen offenbar auch einige Abgeordnete der Grünen bei, die durch ihre Enthaltung oder sogar Zustimmung Köhlers Sieg im ersten Wahlgang ermöglichen.
Bundespräsident Horst Köhler bleibt nach einem knappen Erfolg im ersten Wahlgang der Bundesversammlung für weitere fünf Jahre im Amt. In der Wiederwahl des vom "bürgerlichen" Lager unterstützten Amtsinhabers vier Monate vor der Bundestagswahl sehen Union und FDP ein klares Signal für eine schwarz-gelbe Koalition.
Die nur alle fünf Jahre am Verfassungstag 23. Mai zusammentretende Bundesversammlung wählte Köhler in Berlin mit der knappsten absoluten Mehrheit erneut zum Staatsoberhaupt. Zu verdanken hat er dies auch der Grünen-Bundestagsabgeordneten Silke Stokar. "Ich bin seit Tagen überzeugt gewesen, dass ich im ersten Wahlgang Köhler wählen werde", sagte sie der "Süddeutschen Zeitung". Köhlers SPD-Herausforderin Gesine Schwan war bei der Abstimmung der 1223 anwesenden Delegierten im Reichstag im ersten Wahlgang ohne Chance - sie erhielt nicht die volle Unterstützung des rot-grünen Lagers.

Unterlegen: Gesine Schwan gratuliert dem Bundespräsidenten als Erste nach seiner Wiederwahl.
(Foto: dpa)
Bei den Enthaltungen seien "einige von den Grünen" dabei gewesen, sagte eine Abgeordnete. In der Fraktion hatte es einen Schlagabtausch zwischen Schwan und der Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen, Marianne Birthler, gegeben, die zu den Delegierten zählte. Darin war es um Schwans Äußerung gegangen, die DDR sei für sie kein Unrechtsstaat.
"Werde mein Bestes geben"
Für Köhler votierten 613 Wahlleute, für Schwan 503, für den Linke-Kandidaten Peter Sodann 91 und für den Rechtsextremisten Frank Rennicke 4. Zwei Stimmen waren ungültig, es gab zehn Enthaltungen, gab Bundestagspräsident Norbert Lammert bekannt. Köhler nahm seine Wiederwahl an und bedankte sich für die Bestätigung. "Ich freue mich auf die kommenden fünf Jahre und ich verspreche Ihnen, liebe Landsleute, ich werde weiter mein Bestes geben."

Köhler ermutigte in seiner Ansprache seine "Landsleute", im Angesicht der Krise nicht den Mut zu verlieren.
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Der alte und neue Präsident betonte in seiner kurzen Dankesrede: "Unser Land steht mitten in einer Krise, die die ganze Welt erfasst hat. Wir haben viel Arbeit vor uns, aber wir werden es schaffen. Überall in Deutschland gibt es Ideen und Tatkraft. Und in der Tat, eines Tages werden wir sagen, wir haben viel gelernt in dieser Zeit."
"Farbspiel-Inszenierung" nach der Wahl
Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte, sie freue sich sehr, dass Köhler bereits im ersten Wahlgang gewählt worden sei. Er sei der Präsident, den Deutschland jetzt brauche. Der FDP-Vorsitzende Guido Westerwelle sagte: "Das ist ein schöner Tag für die Demokratie." Merkel, Westerwelle und CSU-Chef Horst Seehofer machten deutlich, dass sie das Ergebnis als Zeichen für Schwarz-Gelb sehen. "Jede Wahl hat ihre eigene Dynamik. Aber dass wir auch daran arbeiten, gemeinsam eine Mehrheit zu erreichen, ist ja kein Geheimnis", sagte die Kanzlerin. "Und insoweit zeigt sich jedenfalls heute, dass wir das, was wir wollten, geschafft haben, gemeinsam und nicht alleine."
Die Grünen kritisierten den gemeinsamen Auftritt von Merkel, Westerwelle und Seehofer kurz nach der Wahl als "unangemessen". Spitzenkandidatin Renate Künast sagte: "Es ist unangemessen, dass Amt des Bundespräsidenten, der für das ganze Volk gewählt ist, für billige Farbspiel-Inszenierungen zu missbrauchen."
Dank an Schwan
Auch der SPD-Vorsitzende Franz Müntefering gratulierte Köhler. Zugleich bekundete er Respekt vor der SPD-Kandidatin Schwan: "Es bleibt ihr Verdienst, mit ihrem Engagement in den vergangenen Monaten die öffentliche Debatte vorangebracht zu haben." Nach Überzeugung von SPD-Fraktionschef Peter Struck werden Union und FDP bei der Bundestagswahl im September keine gemeinsame Regierung stellen können. In der Bundesversammlung sei die Mehrheit für Köhler nur mit Hilfe der Freien Wähler zustande gekommen.
Schwan sagte trotz der Niederlage: "Es hat sich völlig gelohnt." Ihre Kandidatur sei eine notwendige "Alternative" gewesen. Sie hätte sich nicht aufstellen lassen, wenn dies die SPD nicht mitgetragen und wenn sie keine Chance gehabt hätte. Obwohl sie nicht alle Stimmen aus dem eigenen Lager bekommen hatte, zeigte sich Schwan "ganz sicher", dass sie alle Stimmen der Sozialdemokraten bekommen habe.
Köhlers zweite Amtsperiode dauert bis 2014. Der in der Bevölkerung sehr populäre Amtsinhaber war als Favorit in die Bundesversammlung gegangen, wegen der knappen Mehrheitsverhältnisse galt der Ausgang jedoch als offen. Köhler oder Schwan mussten für einen Sieg im ersten oder zweiten Wahlgang - ausgehend von der Gesamtmitgliederzahl der Bundesversammlung von 1224 Delegierten - 613 Stimmen erreichen. Das sogenannte bürgerliche Lager setzte sich aus CDU/CSU (497), FDP (107) und Freien Wählern (10) zusammen. Die SPD (418) und mehrheitlich auch die Grünen (95) unterstützten Schwan. Die Linke (89) wollte zunächst den Schauspieler Sodann unterstützen. Hinzu kamen 4 Wahlmänner der rechtsextremen NPD und DVU und 3 weitere fraktionslose Delegierte.
Direktwahl diskutieren
Köhler will sich in seiner zweiten Amtszeit verstärkt für mehr direkte Beteiligung der Bürger an politischen Entscheidungen einsetzen. Im ZDF sagte er am Abend, bestimmte Formen der direkten Demokratie könnten eine Antwort auf die Distanz zwischen Politik und Bürgern sein. "Ich möchte, dass man das einfach diskutiert." Auch eine Direktwahl des Bundespräsidenten könne aus dieser Diskussion nicht ausgeklammert werden. Im Hinblick auf die Lösung der Wirtschafts- und Finanzkrise sagte Köhler in der ARD, der Staat müsse "aufpassen, dass er sich nicht übernimmt". Seiner Konkurrentin Schwan zollte er "großen Respekt".
Die Linke wertete die Kandidatur und das Ergebnis von Sodann bei der Bundespräsidentenwahl als Erfolg für die Partei. Fraktionschef Gregor Gysi, der vor der Wahl skeptisch war, ob die Linke geschlossen für den teilweise glücklos agierenden Kandidaten stimmen würde, sagte: "Unser Kandidat ist der einzige, der mehr Stimmen bekommen hat, als die eigene Delegation Mitglieder stellte."
Der frisch gekürte Präsident Köhler und Kanzlerin Merkel besuchten am Abend das Bürgerfest zum 60. Jahrestag der Bundesrepublik am Brandenburger Tor in Berlin. Köhler nahm mit seiner Frau Eva Luise auf der Ehrentribüne Platz, Merkel mit ihrem Mann Joachim Sauer.
Quelle: ntv.de, dpa