Özdemir gegen Fixierung nach links Grüne flirten mit Bürgerlichen
18.10.2009, 12:19 UhrDer Grünen-Vorsitzende Cem Özdemir hat sich nach der Entscheidung für eine Jamaika-Koalition im Saarland für eine Annäherung an das sogenannte bürgerlichen Lager ausgesprochen. Er sehe es nicht ein, "dass wir unseren Blick verengen und nur das linke Spektrum sehen", sagte Özdemir der "Welt am Sonntag". Es gebe für die Grünen unterschiedliche Anknüpfungspunkte mit vielen Parteien.
Vor die Wahl gestellt, sei ihm generell eine Koalition mit der Union lieber als ein Jamaika-Bündnis mit CDU und FDP. Denn es gebe "keine Partei, die bei Klimaschutz und Sozialem weiter weg von uns ist als die FDP". Die Grünen müssten in Zukunft stets aufs Neue ausloten, mit wem es die größten Schnittmengen gibt. Wichtig sei es, grüne Inhalte durchzusetzen. "Ob dann Schwarze oder Rote oder ganz Rote auf uns zukommen, ist für mich nicht die entscheidende Frage."
"Täglich konservativer"
Der Fraktionschef der Linkspartei im Bundestag, Gregor Gysi, sieht derweil die Grundlagen für mögliche rot-rot-grüne Koalitionen schwinden. Die SPD wisse nicht, was sie wolle und "die Grünen werden täglich konservativer" sagte Gysi der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung". Er warf den Grünen im Saarland vor, von Anfang an eine Jamaika-Koalition angestrebt zu haben.
Pilotprojekt für den Bund
Der saarländische Ministerpräsident Peter Müller empfindet unterdessen die in seinem Bundesland geplante Jamaika-Koalition als Pilotprojekt für ein schwarz-gelb-grünes Bündnis auf Bundesebene. Der CDU-Politiker sagte der "Bild am Sonntag": "Auf Bundesebene halte ich derzeit weder Schwarz-Grün noch Jamaika für möglich. Dafür sind Grüne und Union in grundsätzlichen Fragen wie dem EU-Beitritt der Türkei, aber auch in der Innen- oder Wirtschaftspolitik zu weit auseinander. Das kann sich ändern, wenn Jamaika im Saarland ein Erfolgsmodell wird." Dazu seien alle drei Partner im Land fest entschlossen, sagte Müller.
Müsli-Esser, Wertkonservative, Brioni-Träger
Er sei überzeugt, dass ein Bündnis aus CDU, FDP und Grünen - wegen der Flaggenfarben des Karibikstaates als Jamaika-Koalition bezeichnet - einen größeren gesellschaftlichen Konsens für die notwendigen Modernisierungsprozesse bewirken könne. "Zusammen können die drei Parteien mehr Bürger erreichen, als es zum Beispiel Schwarz-Gelb allein könnte. Es besteht eine bessere Chance, alle zusammenzuführen, die sich sowohl an Umweltfragen, an Wirtschaftsfragen als auch an sozialen Fragen orientieren." So könnten "Brücken gebaut werden zwischen Müsli-Essern, Wertkonservativen und Brioni-Trägern. Das hätte eine neue Qualität."

Das Saarland eröffnet auch auf Bundesebene neue Farbenspiele.
(Foto: dpa)
Für Müller gehören die Grünen nicht mehr zum linken Lager. "Linke Parteien glauben, nur durch Umverteilung Probleme lösen zu können, und setzen immer zuerst auf den Staat. Wenn die Grünen so wären, würden wir mit ihnen keine Regierung bilden können." Nach seiner Wahrnehmung seien die Grünen "zumindest in beträchtlichem Umfang dem Staat gegenüber ebenso misstrauisch eingestellt wie die Union - und insoweit keine linke Partei", sagte der Saar-Regierungschef.
Quelle: ntv.de, mli/dpa/AFP