Kritik an "Harmonie-Angie" Grünen-Parteitag in Dortmund
23.01.2009, 17:40 UhrMit einem ökologisch-sozialen Kurs gegen die Rezession wollen die Grünen im Superwahljahr Platz drei erobern und Schwarz-Gelb verhindern. Der "drögen Großkoalition" aus einer zerstrittenen SPD und der Union im Bund sagte Parteichefin Claudia Roth am Freitag zum Auftakt des Europaparteitags in Dortmund ihr Ende voraus. "Es wird unser Jahr werden, 2009 - gegen diejenigen, die immer noch von Schwarz-Gelb träumen", rief Roth den Delegierten zu.
Union und FDP seien mitverantwortlich für die Wirtschaftskrise. "Wir lassen uns nicht nervös machen von der angeblichen bürgerlichen Mehrheit", sagte Roth im Hinblick auf den CDU/FDP-Sieg in Hessen. Sie griff Kanzlerin Angela Merkel (CDU) als "Bundes-Klimaqueen-Darstellerin" und "Harmonie-Angie" an.
Schwarz-Gelb verhindern
Der Spitzenkandidat für die Bundestagswahl, Jürgen Trittin, sagte: "Wir wollen Schwarz-Gelb verhindern, wir wollen die Große Koalition beenden." Trittin zitierte US-Präsident Barack Obama und folgerte: "Die Zeit ist gerade in der Krise reif für grüne Politik." Grüne Industriepolitik bedeute etwa Investitionen in klimaschonende Autos. "Das ist die Zukunft für den Industriestandort in Deutschland." Das Konjunkturpaket der Koalition sei dagegen in vielem "einfach Murks". Trittin: "Machen wir unsere Politik zur Abwrackprämie der Großen Koalition."
Grüner "New Deal" gefordert
Die Grünen ließen nicht zu, dass FDP-Chef Guido Westerwelle im Bundesrat noch größeren Murks aus dem Konjunkturpaket mache, sagte Trittin mit Blick auf das Ja der Grünen aus Hamburg und Bremen in der Länderkammer. Nötig sind laut zentralem Grünen-Antrag zur aktuellen Lage statt "Steuerentlastungen mit der Gießkanne" und Subventionen von "Spritfressern" massive Investitionen in ökologischen und sozialen Wandel - ein grüner "New Deal". Nach internen Debatten findet sich dort das Bekenntnis zu "zusätzlicher Verschuldung" in der Krise, die durch Tilgungspläne und Verschuldungsgrenze aufgefangen werden solle.
Gestärkt vom 13,7-Prozent-Rekordergebnis in Hessen wollten die Grünen als "Alternative zum Ewiggestrigen" dritte Kraft hinter Union und SPD werden, sagte Roth. Dabei wandte sie sich ausdrücklich gegen Koalitionsspekulationen von "Polit-Astrologen". Roth räumte ein: "Es wird ein schweres Jahr werden." Derzeit sind die Grünen die kleinste Oppositionskraft im Bund. Die anstehenden Landtagswahlen im Saarland, in Sachsen, Thüringen und Brandenburg gelten ebenfalls als schwierig für die Partei.
Ringen um den dritten Platz
Grünen-Chef Cem Özdemir sagte: "Da wo wir den dritten Platz haben, müssen wir ihn verteidigen, da wo wir ihn verloren haben, müssen wir ihn wieder holen." Nach jüngsten Umfragen liegen die Grünen im Bund bei 11 Prozent hinter der FDP. Bei der Europawahl wäre ein Ergebnis über zehn Prozent "sensationell", sagte Özdemir. Bei der Europawahl 2004 hatten die Grünen ein Rekordergebnis von 11,9 Prozent erzielt.
Die Grünen wollen in Dortmund ein integrationsfreundliches Programm sowie ihre Liste für die Europawahl festlegen und sich als inhaltlich führende Europapartei profilieren. Roth: "Die Menschen müssen sicher sein, dass es ihr Europa ist, und nicht das Europa der Lobbys."
Bei der dreitägigen Versammlung stehen als Spitzenkandidaten die Europaabgeordnete Rebecca Harms und Ex-Parteichef Reinhard Bütikofer zur Wahl. Roth begrüßte die Bewerbungen zweier Grünen-Quereinsteiger als Kandidaten zur Europawahl: des Attac-Mitbegründers Sven Giegold und der Generalsekretärin von Amnesty International in Deutschland, Barbara Lochbihler.
Quelle: ntv.de