"Keine Sicherheit mehr" in Moskau "Guardian"-Korrespondent reist ab
17.02.2011, 12:54 Uhr
Luke Harding und seine Familie fühlen sich in Moskau nicht mehr sicher.
(Foto: AP)
Das seit Jahren angespannte Verhältnis zwischen London und Moskau wird erneut belastet. Wegen zunehmender Repressalien zieht es der Korrespondent des britischen "Guardian" nun doch vor, Russland zu verlassen. Das Leben für die Familie mit den beiden Kindern sei "unerträglich" geworden.
Der beim Kreml in Ungnade gefallene Moskauer Korrespondent der britischen Zeitung "The Guardian" verlässt Russland wegen anhaltenden Drucks der Behörden. "Es ist ein hässliches Spiel, und wir haben keine Sicherheit mehr", sagte der Journalist Luke Harding, der auch in Deutschland als Korrespondent gearbeitet hatte. Das Leben für die Familie mit den beiden Kindern sei "unerträglich" geworden und die Familie ziehe an diesem Montag wieder zurück nach London.
"Für Sie ist Russland geschlossen"
Harding, der wiederholt Ärger mit dem Inlandsgeheimdienst FSB hatte, war im Februar trotz gültigen Visums die Einreise verweigert worden. Eine Woche später war das Visum allerdings erneuert worden und das russische Außenministerium gab an, Harding sei allein aus formalen Gründen an der Einreise gehindert worden. Nach Hardings Angaben hatte ihm bereits im November 2010 ein Funktionär bei einem Gespräch im Außenministerium in Moskau mitgeteilt, dass er unerwünscht sei.
"Es scheint, der Kreml hat mehr Angst vor mir als ich vor ihm", schrieb Harding beim Onlinedienst Twitter. Ein FSB-Mitarbeiter habe ihm gesagt: "Für Sie ist Russland geschlossen." Nach Informationen der Agentur Interfax steht Hardings Name auf einer Liste unerwünschter Personen. Harding war laut "Guardian" wiederholt wegen seiner Berichte schikaniert und bei einer Reise in die Konfliktregion Nordkaukasus 2010 auch kurz festgehalten worden.
Bilaterale Beziehungen belastet
Der Druck auf Harding hatte auch den jüngsten Besuch des Moskauer Außenministers Sergej Lawrow in London überschattet. Nach offiziellen russischen Angaben hatte Harding "mehrfach" die Regeln für das Arbeiten ausländischer Journalisten in dem Land verletzt. Er gehe davon aus, dass der "Guardian" die Stelle aus Protest gegen den Druck russischer Behörden zunächst nicht wieder besetze, sagte Harding.
Der 42 Jahre alte Journalist hatte in der Vergangenheit mehrfach kritisch über sein Gastland berichtet. Harding hatte zuletzt zwei Monate lang von London aus die Wikileaks-Dokumente über Russland ausgewertet. Gestützt auf diese Informationen hatte der Korrespondent Russland als autoritären und extrem korrupten "Mafia-Staat" dargestellt.
Der Fall Harding gilt als der erste dieser Art seit Ende des Kalten Krieges. Ursprünglich hatte der seit vier Jahren in Moskau arbeitende Korrespondent noch zwei Jahre aus dem größten Land der Erde berichten wollen. Hardings aktuelles Visum läuft Ende Mai aus. Sein letzter Beitrag aus Russland werde "My Russian Ghosts" (deutsch: Meine russischen Geister) heißen: Die Familie klagt seit langem über Einbrüche mutmaßlicher Geheimdienstler in ihrer Moskauer Wohnung.
Die Beziehungen zwischen Russland und Großbritannien sind unter anderem wegen mehrerer Spionagefälle in Schieflage geraten. Spektakulärster Fall war der nicht geklärte Tod des Kremlkritikers Alexander Litwinenko im Jahr 2006. Der frühere russische Geheimdienstoffizier war in London mit einer radioaktiven Substanz vergiftet worden.
Quelle: ntv.de, hdr/dpa/AFP