Politik

Interview statt Kölnarena Gül ruft zur Integration auf

Wenn es nach dem türkischen Staatspräsidenten geht, sollen die Türken in Deutschland "fließend und ohne Akzent" Deutsch lernen. Er hätte Mesut Özil geraten, für Deutschland zu spielen, betont er.

Abdullah Gül

Abdullah Gül

(Foto: dpa)

Der türkische Staatspräsident Abdullah Gül hat seine Landsleute in Deutschland aufgerufen, Teil der Gesellschaft zu werden. Sie sollten Deutsch lernen, "und zwar fließend und ohne Akzent", verlangte Gül in der "Süddeutschen Zeitung". Die Integration müsse schon im Kindergarten beginnen, bereits dort müssten türkische Kinder Deutsch lernen.

Gelassen reagierte Gül auf die Debatte über zunehmende antiislamische Stimmungen in Deutschland und anderen europäischen Ländern. Antisemitismus, Islamophobie oder Rassismus seien wie eine Krankheit, die von Zeit zu Zeit ausbreche, sagte er. Dies gelte unabhängig von Bildung oder Wohlstand einer Gesellschaft. Er forderte die Politiker und Intellektuellen in den betroffenen Ländern auf, etwas dagegen zu tun.

Der türkische Staatspräsident begrüßte in diesem Zusammenhang die - in Deutschland umstrittene - Äußerung von Bundespräsident Christian Wulff, der Islam gehöre inzwischen auch zu Deutschland. Er glaube aber, dass der Bundespräsident in Deutschland missverstanden worden sei, sagte Gül, der Wulff am Dienstag in Ankara empfängt. "Christian Wulff hat doch nur die Tatsache benannt, dass es deutsche Bürger gibt, die Muslime sind, ebenso wie türkische Muslime in Deutschland."

Wulff besucht von Montag an für fünf Tage die Türkei. Dabei will er am Dienstag auch vor dem türkischen Parlament sprechen. Die Rede wird angesichts der hitzigen Integrationsdebatte in Deutschland mit großer Spannung erwartet.

Gül räumte ein, bei der Integration seien in der Vergangenheit viele Fehler gemacht worden. Sowohl die deutsche als auch die türkische Seite hätten es versäumt, den Betroffenen zur Seite zu stehen, sagte er. "Nun haben unsere beiden Länder die Probleme damit."

Mesut Özil als Vorbild und Beispiel

Als "sehr gelungenes Beispiel für Integration" nannte Gül den Fußballer Mesut Özil, der in der Türkei wegen seines Einsatzes in der deutschen Nationalelf kritisiert worden war. Gül betonte, wenn Özil ihn gefragt hätte, "hätte ich ihn ermutigt, im deutschen Team zu spielen". Er unterstütze Özil "uneingeschränkt".

Gül kritisierte die Pfiffe türkischer Fans gegen Özil beim EM-Qualifikationsspiel Deutschland gegen die Türkei (3:0) vor einer Woche im Berliner Olympiastadion. "Das hätten sie nicht tun sollen."

Der türkische Ministerpräsident Erdogan am 10. Februar 2008 bei seinem umstrittenen Auftritt in Köln.

Der türkische Ministerpräsident Erdogan am 10. Februar 2008 bei seinem umstrittenen Auftritt in Köln.

(Foto: picture-alliance/ dpa)

Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel zog Özil als Beispiel heran. In einer Rede auf einer Veranstaltung der Jungen Union sagte sie in Anlehnung an die Wulff-Rede, der Islam sei ein Teil Deutschlands. "Das sieht man nicht nur am Fußballspieler Özil."

Gül setzte damit einen völlig anderen Akzent als der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan vor zweieinhalb Jahren bei einem Auftritt in Köln. Vor 20.000 Türken aus Deutschland und den Nachbarländern sagte Erdogan damals, "Assimilierung ist ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit".

Quelle: ntv.de, hvo/dpa

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