Kritik an "Papier der sozialen Kälte" Guttenberg-Entwurf sorgt für Streit
15.08.2009, 17:08 UhrDie Rücknahme der Mindestlöhne, eine Reform des Gesundheitswesens und deutliche Entlastungen für Konzerne: Ein Papier mit Forderungen des CSU-Wirtschaftsministers zu Guttenberg sorgt für heftigen Wirbel in der Regierung. Er wolle zurück in die "Umwelt- und klimapolitische Steinzeit", heißt es aus der SPD.
Ein Papier mit industriepolitischen Forderungen von Bundeswirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg hat einen Schlagabtausch zwischen Mitgliedern der Regierung ausgelöst. Umweltminister Sigmar Gabriel warf Guttenberg vor, die Chancen des Umwelt- und Klimaschutzes verschlafen zu haben und "in die umwelt- und klimapolitische Steinzeit" zurückzuwollen. Das Konzept bestätige die schlimmsten Befürchtungen darüber, was die Menschen bei einer Koalition von Union und FDP zu erwarten hätten. Die Lasten der Wirtschaftskrise wolle er auf die Umwelt und die Arbeitnehmer abwälzen, kritisierte Gabriel.
Zuvor hatte auch Arbeitsminister Olaf Scholz dem CSU-Politiker vorgehalten, er wolle die Folgen der Wirtschaftskrise auf dem Rücken der Arbeitnehmer austragen. Scholz forderte die Union auf, Farbe zu bekennen und den Wählern reinen Wein einzuschenken. Die Linke sprach von einem Papier der sozialen Kälte. Der Vizechef der Linksfraktion, Klaus Ernst, monierte, Guttenberg lasse die Katze aus dem Sack. Nach der Wahl wolle Schwarz-Gelb die kleinen Leute für die Krisenkosten zur Kasse bitten.
"FR": Guttenberg will Unternehmen entlasten
Hintergrund der Auseinandersetzung sind in den Medien bekanntgewordene Vorstellungen des Wirtschaftsministers, die von seinem Ressort allerdings als längst obsolet bezeichnet wurden. Es handele sich um eine "überholte Stoffsammlung", erklärte ein Sprecher. Laut der "Frankfurter Rundschau" enthält das vom Juli datierte Konzept deutliche Entlastungen für die Unternehmen. So fordere der CSU-Politiker die von der großen Koalition beschlossenen Einschränkungen bei der Steuergestaltung wieder aufzuheben.
Mit der Unternehmensteuerreform habe Deutschland zwar an internationale Durchschnittswerte angeknüpft. Die Gegenfinanzierung wirke den positiven Effekten aber entgegen und sei "krisenverschärfend", meldete die Zeitung unter Berufung auf das Papier. Daher sollten die Unternehmen größere Spielräume erhalten, Zinskosten beim Finanzamt geltend zu machen und bei Firmenkäufen Verlustvorträge abzusetzen.
"RP": Guttenberg will Mindestlöhne kippen
Die "Rheinische Post" hatte unter Berufung auf das ihr vorliegende Konzept berichtet, Guttenberg wolle die Mindestlöhne kippen, die es bislang für drei große Branchen gibt. Ein Ministeriumssprecher betonte aber, das Papier sei nicht aktuell. Auch bei dem von der "FR" zitierten Papier handele sich um eine "überholte Stoffsammlung". Die "FR" berichtete, Guttenberg wolle unter anderem die Belastung der Betriebe aus der Gewerbesteuer erheblich senken. Miet- und Pachtzinsen sowie Leasingraten sollten nicht mehr besteuert werden.
Der Minister fordert dem Blatt zufolge außerdem "weitere strukturelle Reformen im Gesundheitswesen". So müssten die Beiträge zu den Sozialversicherungen "so weit wie möglich von den Arbeitskosten entkoppelt werden". Die aus der Alterung der Bevölkerung entstehenden Kosten dürften nicht über steigende Lohnnebenkosten die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie gefährden. Auch bei der Pflegeversicherung sei durch eine nachhaltige Finanzreform die Abkoppelung der Pflegekosten von den Arbeitskosten geboten.
Arbeitsminister Scholz sagte, Guttenbergs Konzept stehe in einer Linie jahrzehntelanger Beschlüsse der Union. Wenn das Konzept angeblich veraltet oder überholt sei, müsse die Union sagen, was sie tatsächlich wolle und "endlich Farbe bekennen". Die Wähler müssten erfahren, was auf sie zukommen würde unter Schwarz-Gelb. "Dann würde ihnen nämlich Hören und Sehen vergehen", mutmaßte der SPD-Politiker.
Quelle: ntv.de, rts