n-tv.de Interview H.-C. Ströbele zum Afghanistan-Einsatz
17.12.2001, 15:50 UhrNoch vor Weihnachten will Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) über den Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan abstimmen lassen. Vorausgesetzt die UNO schafft es bis Mittwoch, ein Mandat für die geplante multinationale Schutztruppe zu beschließen. Bei den Grünen regt sich Widerspruch. Sie stellen Bedingungen für eine Zustimmung im Parlament. n-tv.de sprach mit Hans-Christian Ströbele, der sich bereits gegen eine Beteiligung Deutschlands am Anti-Terror-Krieg der USA ausgesprochen hatte. Er gehört der linken Strömung innerhalb der Grünen an.
n-tv.de: Es heißt, acht Abgeordnete der Grünen wollten einem Bundeswehr-Einsatz nicht zustimmen, solange die Kämpfe dort noch andauern?
Ströbele: Also, es sind nicht acht Abgeordnete. Wir haben über diese Fragen mehrfach in unserem Kreis diskutiert. Im Gegensatz zur Entscheidung über den Kriegseinsatz, den wir ja alle ablehnten, streichen wir positiv heraus, dass es sich jetzt um friedenserhaltende Maßnahmen handeln soll. Das ist grundsätzlich etwas anderes. Aber in einer Reihe von Punkten, und dazu gehört die Fortdauer der Kämpfe, würde eine Beteiligung der Bundeswehr erhebliche Probleme aufwerfen. Ob wir uns der Stimme enthalten, zustimmen oder ablehnen, das ist noch nicht geklärt. Das hängt natürlich auch von der Situation in Afghanistan ab, zum Zeitpunkt der Entscheidung. Die Lage ändern sich dort wie wir wissen permanent. Und dann müssen wir natürlich abwarten, wie die Vereinten Nationen den Auftrag formulieren. Das Mandat muss klar begrenzt werden und alle Beteiligten müssen ihm zustimmen.
n-tv.de: Beim Thema Truppengröße gibt es ja bereits erste Differenzen. Die Afghanen sähen am liebsten nur 1.000 Soldaten in ihrem Land, US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld sprach von 5.000, die zur Friedenserhaltung benötigt würden. Und Deutschlands Verteidigungsminister Rudolf Scharping warf bis zu 8.000 Mann in die Runde. Um nicht verwundbar zu sein, dürfe das Kontingent eine bestimmte Größe nicht unterschreiten.
Ströbele: Es ist doch so, weder 5.000 noch 10.000 oder mehr Soldaten werden einen Frieden erzwingen können. Es kann höchstens eine Truppe sein, die die Friedensbereitschaft in Afghanistan unterstützt. Wenn die hochbewaffneten Milizen dort aufeinander einschlagen, dann kann das die Schutztruppe in diesem riesig großen Land nicht verhindern. Jedenfalls kann ich mir nicht vorstellen, dass die UNO in dieser Frage nicht alle Seiten berücksichtigt. Bei mir käme das nicht durch.
n-tv.de: Haben Sie ein Problem mit dem "robusten Mandat"?
Ströbele: Auch das wird die UNO klar definieren müssen. Es kann nicht sein, dass da etwa Aufstände niedergeschlagen werden. Das wäre eine absolute Illusion. Aber ich kann mir vorstellen, dass sich die Truppe zur Selbstverteidigung wehren darf. Unsere Zustimmung hängt in jedem Fall von der exakten Ausgestaltung des UN-Mandats ab. Nehmen Sie nur die zeitliche Befristung. Wir wollen nicht, wie das ja im Kosovo aussieht, dass Afghanistan eine Art Protektorat wird. Wir werden erst entscheiden, wenn das UN-Mandat vorliegt.
n-tv.de: Wie lange sollte das Mandat denn ihrer Meinung nach Gültigkeit besitzen?
Ströbele: Es kann nicht um Jahre gehen. Es muss für die Übergangsphase in Afghanistan zeitlich eingegrenzt sein. Dann muss man sehen, wie das dann verläuft. Wir nehmen doch mit Erschrecken zu Kenntnis, dass Teile der Nordallianz wieder miteinander kämpfen. Aber das wird eine UN-Truppe ohnenhin nicht verhindern können.
n-tv.de: Wie definieren Sie denn das Ende der Kämpfe?
Ströbele: Das ist eine ganz schwierige Frage. Wenn ich höre, das irgendwo im Norden Kämpfe zwischen Dostum-Truppen und der Nordallianz stattfinden, dann kann das natürlich nicht verhindern, dass da eine Friedenstruppe reinkommt. Es kann aber auch nicht sein, dass die Bombardierungen der USA weitergehen und man dann so tut, als ob da Frieden wäre.
n-tv.de: Es sollen ja Vorauskommandos nach Afghanistan geschickt werden. Könnten sich deutsche Soldaten daran beteiligen?
Ströbele: Nein, nicht solange es keinen Parlamentsbeschluss des Deutschen Bundestag dafür gibt.
Quelle: ntv.de