Politik

Ackermann sagt aus HRE-Rettung "in letzter Minute"

Die Rettung der strauchelnden Immobilienbank Hypo Real Estate war nach Darstellung von Deutsche-Bank-Chef Ackermann weitaus dramatischer als bisher bekannt. Erst Telefonate mit Steinbrück und Merkel hätten ein Fortbestehen des Instituts ermöglicht. Der ehemalige Finanzstaatssekretär Mirow sagte, eine derartige Finanzkrise habe niemand vorhersehen können.

Der Untersuchungsausschuss wird auch Ackermann befragen.

Der Untersuchungsausschuss wird auch Ackermann befragen.

(Foto: AP)

Der Zusammenbruch der Münchner Immobilienbank Hypo Real Estate (HRE) ist im September 2008 laut Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann erst in letzter Minute abgewendet worden. Er habe die Rettung letztlich persönlich mit Finanzminister Peer Steinbrück und Kanzlerin Angela Merkel ausgehandelt, da die Regierung zunächst nicht willens gewesen sei, sich an der Rettung der HRE zu beteiligen, sagte Ackermann vor dem HRE-Untersuchungsausschuss des Bundestages. "Die Botschaft war, die Regierung ist nicht bereit zu unterstützen." Nachdem die Finanzwirtschaft aber nicht in der Lage gewesen sei, die Bank alleine zu stabilisieren, habe er sich an Steinbrück gewandt.

Die Rettung der HRE wäre um Haaresbreite gescheitert, sagte Ackermann. Der Chef der größten deutschen Bank zeichnete einen weitaus dramatischeren Verlauf der damaligen Beratungen als bisher bekannt. Es sei "eine Minute vor Zwölf" gewesen. "Nur die Telefonate mit Steinbrück und Merkel haben eine Wende gebracht", sagte er.

HRE benötigte 35 Milliarden Euro

Deutsche-Bank-Chef Ackermann war an der Rettung der HRE beteiligt, die mittlerweile in Staatsbesitz ist.

Deutsche-Bank-Chef Ackermann war an der Rettung der HRE beteiligt, die mittlerweile in Staatsbesitz ist.

(Foto: picture-alliance/ dpa)

Am letzten Wochenende im September 2008 hatten Bankenvertreter und Bankenaufsicht zunächst ohne die Regierung über Liquiditätshilfen für die strauchelnde HRE verhandelt. Die Bank war in Schwierigkeiten geraten, weil sich die Banken weltweit nach der Pleite der US-Bank Lehman-Brothers am 15. September 2008 aus Unsicherheit über weitere Schieflagen kein Geld mehr liehen.

Ackermann sagte, zuvor habe sich die HRE am 22. September bei der Deutschen Bank direkt um einen abgesicherten Kredit von 15 Milliarden Euro bemüht. Schon nach ersten Schätzungen der Deutschen Bank habe der Liquiditätsbedarf aber deutlich höher bei 27 Milliarden Euro gelegen. Die Schätzungen seien dann im Verlauf der Beratungen weiter auf 35 Milliarden Euro gestiegen. Diese Summe hätten die Banken nicht alleine tragen können. Am Samstag drauf kam es dann auf Einladung der Aufsichtsbehörden zum ersten HRE-Rettungswochenende.

Ackermann: Erwarteten Scheitern der HRE-Rettung

Für die Regierung sei Finanzstaatssekretär Jörg Asmussen allerdings erst am Sonntag gegen 17.00 Uhr als Vertreter der Bundesregierung zu der Runde gestoßen. "Bis 22.00 Uhr war die klare Botschaft von Asmussen, die Regierung kann nicht helfen, das ist zeitlich gar nicht drin, das heißt Nein", sagte Ackermann. Zu diesem Zeitpunkt seien alle von einem Scheitern der Verhandlungen ausgegangen. Er habe dann Steinbrück angerufen und ihm in einem ersten Gespräch die Lage geschildert, vor der der ganze Finanzmarkt am Montag durch eine Pleite der HRE stehen würde.

Eine Lichtprojektion des Künstlers Oliver Bienkowski an der Fassade der Zentrale der Hypo Real Estate in München vom April 2009.

Eine Lichtprojektion des Künstlers Oliver Bienkowski an der Fassade der Zentrale der Hypo Real Estate in München vom April 2009.

(Foto: picture-alliance/ dpa)

Ein Durchbruch sei dann kurz vor dem Ablauf einer wichtigen Frist nach seinem Telefonat mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) gelungen. "Wenn um Viertel vor Eins Merkel mich nicht mehr am Handy erreicht hätte, dann wäre es zu spät gewesen", sagte Ackermann. Ihr sei es jedoch gelungen, "noch 1,5 Milliarden Euro aus mir herauszupressen", sagte er. Die HRE wurde inzwischen mit mehr als 100 Milliarden Euro gerettet. Sie ist nun fast vollständig in Bundeshand.

Ackermann: Mögliche Taktik "sehr weit getrieben"

Das Ministerium und die SPD hatten bisher entgegnet, Asmussen sei später zu dem Treffen hinzugestoßen, da man das Problem vom Steuerzahler fernhalten und die privaten Banken zu höheren Eigenleistungen bei der HRE-Rettung habe bewegen wollen. "Wenn man taktisch gespielt hat, hat man es sehr gut getan und uns sehr weit getrieben", sagte Ackermann dazu. Alle seien davon ausgegangen, dass es mit der HRE vorbei sei. Privatbanken, Bundesbank, Finanzaufsicht und Bundesregierung einigten sich dann doch noch auf ein erstes Rettungspaket in Höhe von 35 Milliarden Euro.

FDP, Grüne und Linkspartei werfen der Bundesregierung und der Finanzaufsicht Versäumnisse vor. Sie hätten nicht richtig auf Hinweise reagiert, die auf eine sich zuspitzende Situation auf den Finanzmärkten gedeutet hätten.

Schick: Steuerzahler trägt Risiko

Der Grünen-Obmann im Ausschuss, Gerhard Schick, bekräftigte seinen Verdacht, die Regierung sei auf die Verhandlungen nicht vorbereitet gewesen und habe sich dann bei der HRE-Rettung von den privaten Banken über den Tisch ziehen lassen. "Das Ergebnis ist so, dass die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler massiv in das Risiko hineingezogen werden und nachher eigentlich das gesamte Risiko bei der Hypo Real Estate tragen, und die privaten Banken, die am Anfang ja noch Risiken hatten, diese loswerden", sagte er.

Die Schieflage der HRE sei nicht durch die Pleite der US-Bank Lehman Brothers verursacht worden, sagte Schick. Vielmehr habe der Immobilienfinanzierer schon vor dem Zusammenbruch massive Probleme gehabt, und dies sei auch bekannt gewesen. Die Finanzaufsicht und das Finanzministerium unter Leitung von Peer Steinbrück hätten jedoch Zeit verstreichen lassen, ohne sich auf einen solchen Fall vorzubereiten.

Ackermann warnte vor Verwerfungen auf Finanzmärkten

Nach Ansicht von Ackermann gab es zur HRE-Rettung keine Alternative: Ein Zusammenbruch hätte Verwerfungen auf den Finanzmärkten weit über Deutschland hinaus bedeutet. Er bekräftigte, dass die Privatbanken allein die HRE nicht hätten retten können. Die Opposition fordert den Rücktritt von Staatssekretär Asmussen.

Nach Angaben des früheren Finanzstaatssekretärs Thomas Mirow, dem Vorgänger Asmussens,  gab es im Bundesfinanzministerium im Jahr 2008 trotz der bereits schwierigen Situation auf den Finanzmärkten keine konkreten Krisenszenarien. Solche Szenarien könnten für den Finanzmarkt nicht aufgestellt werden, da jede Situation speziell sei. Zudem bestehe die Gefahr, dass die Szenarien öffentlich würden und sie dann die Finanzmärkte beeinflussten.

Mirow: Pleite von Lehman Brothers nicht vorhersehbar

Den Zusammenbruch von Lehman Brothers habe man nicht vorhersehen können, sagte Mirow. "Ich glaube nicht, dass es irgendwo auf der Welt ein Szenarium gegeben hat für die Entwicklung auf den Finanzmärkten nach Lehman", sagte er.

Die Finanzaufsicht der BaFin habe ebenfalls keine entsprechenden Hinweise gegeben. Zwar sei bekannt gewesen, dass es die irische HRE-Tochter Depfa mit ihrem Geschäftsmodell wegen der damaligen Entwicklung auf den Finanzmärkten schwer haben werde. Jedoch hätten sich die Finanzkennzahlen im Laufe des Frühjahres sogar verbessert, sagte Mirow, der bis Juni 2008 Staatssekretär war.

Mirow bestritt, dass Signale ignoriert worden seien, denen zufolge die HRE in akuter Gefahr gewesen sei. Zwar habe das Institut im Januar 2008 überraschend eine Abschreibung von 390 Millionen Euro angekündigt. Diese habe sich allerdings alleine auf strukturierte Wertpapiere bezogen und nichts zu tun gehabt mit den späteren Liquiditätsproblemen. Die Börsenaufsicht BaFin habe ihm zudem mitgeteilt, dass die Abschreibung für die HRE nicht existenzbedrohend sei.

Quelle: ntv.de, dpa/rts

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen