Für die Euro-Kritiker brechen harte Zeiten an Ha, He, Ho, geht die AfD k.o.?
23.09.2013, 14:54 Uhr
Hat noch viel Arbeit vor sich: Bernd Lucke
(Foto: picture alliance / dpa)
Mit Slogans wie "Ha, he, ho, der Euro ist k.o." scheitert die Alternative für Deutschland nur denkbar knapp. "Wir haben die anderen Parteien wahrhaft das Fürchten gelehrt", freut sich AfD-Chef Lucke. Doch ob die Partei überlebt, darf bezweifelt werden.
Ausreichend Schlaf ist ein Luxus, über den sich Bernd Lucke derzeit eher selten freuen darf. Bis tief in die Nacht hinein wuselte der Parteichef der Alternative für Deutschland am Sonntag über die Wahlparty der Eurokritiker und erzählte jedem, der es hören wollte, dass "eine Partei noch nie so schnell so erfolgreich" gewesen sei wie die AfD. Nur wenige Stunden später verkündete der Professor dann quasi aus dem Stegreif, die FDP ersetzen zu wollen.
"Wir glauben nach wie vor, dass es wichtig ist, dass es auch eine politische Kraft gibt, die das Thema Euro in die politische Diskussion einbringt, die sich kritisch mit der Euro-Rettung auseinandersetzt, und diese Kraft sind ganz eindeutig wir", sagte Lucke. Früher hätten die Liberalen die Ordnungspolitik auf den Lippen geführt, wollten davon im Parlament aber nichts mehr wissen: "Dieser Ball fällt nun in unser Feld und wir nehmen ihn auch auf." Eine steile These, zumal noch alles andere als klar ist, ob die erst im April gegründete Partei überhaupt den Schwung der ersten Monate über die nächsten vier Jahre bewahren kann. Die Gefahr einer Selbstzerfleischung oder zumindest das Versinken in der Bedeutungslosigkeit ist jedenfalls hoch.
Nur 14 Prozent wählten die AfD wegen ihrer Inhalte
Klar, Lucke nimmt das Selbstverständnis seiner Aussage aus einer Statistik über die Wählerwanderung, veröffentlicht von der Forschungsgruppe Wahlen: Demnach setzten 450.000 ehemalige FDP-Wähler diesmal ihr Kreuz bei der AfD, da kann man sich schon mal als geistiger Nachfolger sehen. Ein genauerer Blick auf die Statistik zeigt allerdings, dass mit 360.000 Menschen die zweitgrößte Gruppe aus dem Lager der Linken zur Alternative wechselte – eine Partei, die ideologisch eigentlich komplett am anderen Ende der Parteienlandschaft verortet ist.
Die Mischung aus einem wirtschaftsliberal denkenden Bürgertum einerseits und vom Sozialstaat enttäuschten Protestwählern andererseits ist eine äußerst explosive, zumal damit laut Forsa-Chef Manfred Güllner noch lange nicht die ganze B andbreite abgedeckt ist: "Die AfD spricht ein rechtspopulistisches bis rechtsradikales Wählerpotenzial an. Das sind überwiegend Männer, überwiegend Alte, überwiegend gut Situierte aus den oberen Mittelschichten, die extreme Existenz-, Status- und Zukunftsängste haben", sagte der Wahlforscher. "Es wird eine schwierige Aufgabe sein, eine so heterogene Wählergruppe zusammenzuhalten. Das wäre der Partei sicherlich leichter gefallen mit der medialen Aufmerksamkeit, die eine Bundestagsfraktion mit sich bringt", sagte daher auch der Politologe Uwe Jun im Gespräch n-tv.de.
So hat die Forschungsgruppe Wahlen herausgefunden, dass nur 14 Prozent aller AfD-Anhänger die Partei wegen ihrer Inhalte gewählt haben – was bei einem vierseitigen Parteiprogramm auch kaum verwundert. Das Problem mit der Wut – und die ist es ja, die zu Protest führt – ist allein, dass sie das Momentum braucht, das eine frischgegründete Partei in den ersten fünf Monaten mit sich bringt. Die Frage, ob die AfD genug Kraft und Ausdauer mitbringt, diese Wut bis zur nächsten Bundestagswahl in vier Jahren am Köcheln zu halten, steht dagegen auf einem ganz anderen Blatt.
"Entartungen von Demokratie und Parlamentarismus"
Und dann wäre da noch die Sache mit der Führungsriege der Partei: Hinter Lucke, der in den vergangenen Monaten einen erstaunlichen Wandel hin zur charismatischen Gallionsfigur der AfD durchgemacht hat, kommt lange nichts. Seiner Sprecherkollegin Frauke Petry rutschten auf der Wahlparty unfreiwillig komische Sätze à la "Deutschland ist mit der AfD blau geworden" heraus und der dritte im Bunde, Ex-FAZ-Journalist Konrad Adam, fiel im Wahlkampf vor allem durch Unauffälligkeit auf.
Man könnte jetzt noch so einiges schreiben über die internen Grabenkämpfe der vergleichsweise liberalen Landesverbände im Westen und ihrer stramm konservativen Ostpendants. Oder über die eklatanten organisatorischen Mängel, immerhin existieren noch nicht einmal in allen Landesverbänden entsprechende Kreisverbände. Oder über die Flirts mit ehemaligen Mitgliedern der zumindest rechtspopulistischen Partei "Die Freiheit". Oder, oder, oder …
Vielleicht ist es aber auch einfacher, den Parteichef selbst noch einmal zu Wort kommen zu lassen. Kurz nach Bekanntwerden der ersten Hochrechnungen rief der unter lauten "Lucke! Lucke!"-Gesängen: "Wir haben die anderen Parteien wahrhaft das Fürchten gelehrt". So weit, so richtig. Was der Professor danach aber in die laufenden Mikrofone sagte, ließ einige Umstehenden mit offenem Mund zurück: Seine Partei habe die Demokratie "ertüchtigt", nachdem man in den vergangenen vier Jahren so viel an "Entartungen von Demokratie und Parlamentarismus" erlebt habe. Einfach nur unglücklich formuliert oder am Ende gar absichtlich provoziert? Egal, reif für den Bundestag ist anders. Die AfD hat jetzt vier Jahre lang Zeit, zu zeigen, dass sie auch anders kann - ein erster Praxistest steht dagegen schon im kommenden Jahr bei der Europawahl an.
Quelle: ntv.de