Streit um Guantánamo-Häftlinge Hamburg prüft Aufnahme
10.04.2010, 08:10 UhrTrotz scharfer Kritik aus unionsgeführten Ländern könnte Deutschland Guantánamo-Häftlinge aufnehmen. Hamburg prüfe die Aufnahme dreier Insassen, heißt es in einem Zeitungsbericht. CSU-Generalsekretär Dobrindt spricht sich derweil gegen eine Aufnahme aus, solange die USA selbst keine Guantánamo-Insassen ins eigene Land lasse.
Im Streit um die Aufnahme von Guantánamo-Häftlingen in Deutschland zeichnet sich eine Lösung ab. Drei der noch 183 Insassen in dem US-Gefangenenlager sollen in Hamburg untergebracht werden, berichtete die "Bild"-Zeitung. Trotz aller Proteste von Unionspolitikern soll Bundesinnenminister Thomas de Maiziere entschlossen sein, die Häftlinge in Deutschland aufzunehmen. Nachdem mehrere Bundesländer eine Aufnahme von Guantánamo-Insassen kategorisch abgelehnt haben, prüfe jetzt Hamburg die Möglichkeit einer Unterbringung, berichtete die Zeitung unter Berufung auf Sicherheitskreise in Berlin.

In orangefarbene Overalls gekleidete Häftlinge knien im Camp X-Ray auf dem US-Marinestützpunkt Guantanamo Bay auf Kuba (Archivbild von 2002).
(Foto: picture-alliance/ dpa)
Die endgültige Entscheidung werde bei der Innenministerkonferenz im Mai fallen. Bei einem der Häftlinge mit der Internierungs-Nummer 331 handele es sich um einen 34-jährigen Palästinenser und früheren Hamas-Aktivisten. Er sei in einem afghanischen Trainingscamp der Terrororganisation Al Kaida ausgebildet worden. Bei den anderen Gefangenen handele es sich um einen Syrer und einen weiteren Palästinenser, die 2001 und 2002 in Afghanistan von US-Soldaten gefangengenommen worden seien.
Vorwürfe gegen USA
CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt sprach sich derweil gegen die Aufnahme von Guantánamo-Häftlingen in Deutschland aus. "Wenn die USA bisher keinen einzigen ihrer Guantánamo-Häftlinge ins Land gelassen haben, sehe ich nicht ein, warum wir das tun sollten", sagte Dobrindt der "Passauer Neuen Presse". Zur Bündnissolidarität gehöre auch, dass man von seinen Bündnispartnern nichts verlange, wozu man nicht selber bereit wäre. "Das sollten wir unseren amerikanischen Freunden in aller Offenheit sagen", forderte der CSU-Politiker.
De Maizière hatte zuvor erneut seine Bereitschaft erklärt, nach einer gründlichen Prüfung möglicherweise Häftlinge aus Guantánamo in Deutschland aufzunehmen. "Ich finde, wenn ein NATO-Partner und unser wichtigster Verbündeter uns um Hilfe bittet, sollen wir das solidarisch prüfen", sagte der CDU-Politiker der "Rheinischen Post". "Ich verstehe das als Tugend eines Konservativen", fügte er hinzu. Allerdings sei noch keine Entscheidung gefallen.
"Null Informationen zu den Kandidaten"
Allerdings wurde aus den Ländern Kritik am Innenminister laut. Der niedersächsische Innenminister Uwe Schünemann sprach von "mangelhafter Abstimmung". Es gebe bislang "keinerlei Kontakte" mit dem Bundesinnenministerium, sagte er dem "Focus". Der CDU-Politiker kritisierte, dass den Ländern "null Informationen zu den Kandidaten" vorlägen.
Sein bayrischer Kollege Joachim Hermann von der CSU sagte "Focus", er könne nicht akzeptieren, dass die Innenminister der Länder "über solch sensible Vorgänge wie die Aufnahme von Guantánamo-Häftlingen" ausschließlich durch Zeitungsmeldungen informiert würden. Beide Innenminister lehnten es strikt ab, Gefangene aus Guantánamo in ihren Ländern aufzunehmen.
In Guantánamo wurden nach den Anschlägen vom 11. September 2001 schätzungsweise 800 Gefangene aus verschiedenen Ländern interniert. US-Präsident Barack Obama hatte zu Beginn seiner Amtszeit im Januar 2009 angekündigt, das umstrittene Lager binnen eines Jahres zu schließen. Er musste den Termin jedoch aufgeben - unter anderem wegen der Schwierigkeiten, Aufnahmeländer zu finden. Derzeit werden in Guantánamo noch rund 180 Terrorverdächtige festgehalten, gegen die meisten von ihnen wurden bis heute keine Anklage erhoben.
Quelle: ntv.de, dpa/rts/AFP