Politik

Haussegen der Union hängt schief Harmonie ist nicht alles

Es ist nichts Neues, dass in der Union der Familiensegen schief hängt. Doch die derzeitige Bissigkeit zwischen CSU und CDU hält schon seit Wochen an – und ein Ende ist wohl nicht abzusehen, trotz aller zwischenzeitlich eingesetzten Liebesschwüre, dass man ja schließlich "punktuell" anderer Meinung sein könne als zum Beispiel Bundeskanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel.

Bayerisches Teamwork

Während Bayerns Ministerpräsident Günther Beckstein leicht zurückrudert und im Streit um die Pendlerpauschale versöhnliche Töne anschlägt, schnappt Innenminister Joachim Hermann weiter Richtung Berlin, weil Merkel eisern bleibt und nach wie vor die Rückkehr zur Pendlerpauschale alten Stils ablehnt. "Ich will aus unserem energischen Eintreten für die Rückkehr zur alten Pendlerpauschale keinen generellen Konflikt mit der Kanzlerin machen", sagt Beckstein nun. Er und CSU-Chef Erwin Huber wollten das Thema Pendlerpauschale voranbringen. "Dass man punktuell eine andere Meinung hat und sich trotzdem schätzt, kenne ich nicht nur im Verhältnis zur Bundeskanzlerin", so der Regierungschef. Am vergangenen Wochenende hatte er noch betont: "Nur weil wir Angela Merkel schätzen, heißt das nicht, dass wir uns der Kanzlerin unterwerfen."

Innenminister Herrmann und Landtagsfraktionschef Georg Schmid indes attackieren Merkel aufs Neue und werfen der Schwesterpartei mangelnde Unterstützung vor. Herrmann findet die Kanzlerin "politisch schwach", weil sie das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Pendlerpauschale abwarten will, das erst nach der bayerischen Landtagswahl am 28. September erwartet wird. Herrmann kann "nicht verstehen, warum sich die Kanzlerin hier so verbeißt". Auch Schmidt begreift die CDU-Vorsitzende nicht, zumindest "an dieser Stelle", wo sie doch ansonsten die Stimmungen im Lande sehr gut spürt, und argwöhnt: "Vielleicht wird sie falsch beraten."

Keine Versprechen bis 2011

Merkel lehnt Steuerentlastungen vor der Bundestagswahl 2009 mit dem Hinweis ab, dass zunächst der Bundeshaushalt saniert werden und die Aufnahme immer neuer Schulden gestoppt werden müsse. Und es ist nicht zu erwarten, dass Merkel einlenkt. Sie verwies kürzlich darauf, dass 2009 bereits das Kindergeld und nach dem Willen der Union auch die Kinderfreibeträge erhöht werden sollen. "Darüber hinaus sehe ich keine Spielräume." Sie halte es für nicht vertretbar, Steuerentlastungen auf Pump zu finanzieren.

Aber nicht nur Merkel ist eisern – auch die Bayern wollen hart bleiben. Sie erwarten einen Kursschwenk von der Kanzlerin - am besten demonstrativ auf dem Parteitag Ende kommender Woche in Nürnberg. Jede Äußerung im CDU-Lager wird registriert, die in ihre Richtung geht.

Harmonie ist nicht alles

"Das ist ein Anliegen, das auch von einem großen Teil der CDU mitgetragen wird", sagt CSU-Landesgruppenchef Peter Ramsauer über die geforderten Steuerentlastungen. "In der CDU gibt es auf breiter Front Aufgeschlossenheit für unsere steuerpolitischen Vorstellungen bis hin zur Pendlerpauschale."

Immerhin wollen das CDU-Arbeitnehmerlager und auch Teile des Wirtschaftsflügels nach wie vor Entlastungen, obwohl sich die Kanzlerin seit Wochen nicht bewegt. "Es muss was passieren", sagte der Chef des Parlamentskreises Mittelstand, Michael Fuchs (CDU). Er macht sich für einen höheren Grundfreibetrag von 8000 Euro bei der Einkommensteuer für Ledige und 6000 Euro für Kinder stark - im Sinne eines Kompromisses mit der CSU. Ramsauer geht davon aus, "dass die Kanzlerin noch etwas anbieten" werde. "Unsere Vorschläge zur Steuerentlastung sind keine Konfrontation der CSU gegen die CDU."

Die Pendlerpauschale sei nicht "das einzig Wichtige in der Politik", lenkt Beckstein ein. Bei anderen Themen wie der Gesundheits- und der Bildungspolitik verfolge die CSU die gleiche Linie wie Merkel.
Gleichzeitig kündigt er an, nicht von seiner Forderung nach einer Rückkehr zur alten Pendlerpauschale abzurücken. "Alle Argumente" sprächen für die CSU. "Und nur weil die CSU in Berlin mitregiert, heißt das nicht, dass wir keine eigenen Gedanken entwickeln können", betont er. Harmonie sei wichtig, "aber nicht alles".

Merkel springt nicht

Auch auf dem Nürnberger CSU-Parteitag wird Merkel nach Einschätzung aus der Parteispitze kaum von ihrer Position abrücken. Sie will ihre Linie durchziehen und nicht, wie es ihr Vorgänger Gerhard Schröder aus ihrer Sicht oft getan hat: springen, nur weil sich die Stimmung ändere. Auch die Ankündigung, sich für eine Erhöhung des Grundfreibetrags einzusetzen, dürfte ihr schwerfallen, da diese den Bund gut eine Milliarde Euro kostet. Dass es auf dem Parteitag lange Gesichter geben könnte, nimmt sie in Kauf - auch, dass der eine oder andere Christsoziale ihre Haltung noch im Gedächtnis haben wird, wenn sie in einem Jahr das Kanzleramt verteidigen muss.

Merkel kann sich derzeit im Umfragehoch sonnen. Sie ist bei den Bundesbürgern beliebt wie nie - auch in Bayern. Die CSU dagegen muss laut einer Umfrage bei der Landtagswahl in zweieinhalb Monaten weiter um ihre absolute Mehrheit zittern. Derzeit liegen die Christsozialen bei exakt 50 Prozent, während sowohl die FDP als auch die Linke mit jeweils fünf Prozent in den Landtag einziehen würden.

Kein Knall in Nürnberg

Zum großen Knall auf dem Parteitag will es wohl die engere CSU-Spitze nicht ankommen lassen. Offene Disharmonie mit der Chefin der Schwesterpartei mag nicht jeder CSU-Anhänger, heißt es in der Partei. In einem Interview der "Süddeutschen Zeitung" gibt sich Beckstein diplomatisch: Er freue sich über die hohen Umfragewerte für Merkel - "die helfen auch uns."

Quelle: ntv.de, mit dpa, rts

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen