Von der Leyen offen für Mindestlohn Hartz-IV-Kompromiss erst 2011
21.12.2010, 16:28 Uhr
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Bundesregierung und Opposition vertagen die Neuregelung von Hartz IV auf das kommende Jahr. Die Arbeitsgruppe von Bund und Ländern findet vor allem bei den umstrittenen Punkten Bildungspaket, Mindestlohn und Berechnungsgrundlage der Hartz-IV-Sätze keine schnelle Lösung. Arbeitsministerin von der Leyen bleibt trotzdem optimistisch, ihr Gesetz durchzubringen.
Einen Durchbruch im Streit zwischen Regierung und Opposition über höhere staatliche Hilfen für Langzeitarbeitslose wird es erst im kommenden Jahr geben. Die von Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen und Mecklenburg-Vorpommerns Sozialministerin Manuela Schwesig geleitete Arbeitsgruppe hat ihre Arbeit am Nachmittag unterbrochen. Das nächste Treffen wurde für den 7. Januar mit Fortsetzung am 8. Januar vereinbart. Das Gremium erteilte aber Prüf- und Berechnungsaufträge für zehn Themenschwerpunkte. Dazu zählen die Berechnung der Hartz-IV-Regelsätze, die Einführung eines allgemeinen Mindestlohnes und die Ausgestaltung des Bildungspaketes für bedürftige Kinder.
Allen Seiten sei an einer konstruktiven Lösung gelegen, sagte von der Leyen nach den über vierstündigen Beratungen. Schwesig erklärte: "Mein Eindruck ist, dass es noch zu sehr schwierigen und harten Verhandlungen kommen wird." Die Verhandlungsführerin der SPD sieht für ihre Seite grundsätzlich aber keine Hindernisse, so schnell wie möglich zu einem Ergebnis zu kommen. Gründlichkeit gehe aber vor Schnelligkeit. Für die SPD gehe es "nicht nur um das Bildungspaket, sondern auch darum, dass Bürokratiemonster zu verhindern", sagte Schwesig.
Die Opposition lehnt die von der Bundesregierung geplante Erhöhung des Arbeitslosengeldes II um fünf auf 364 Euro als zu niedrig und verfassungswidrig ab und fordert zudem einen Mindestlohn, um Armut trotz Arbeit zu verhindern. Unterarbeitsgruppen sollen nun Kompromisse in Detailfragen suchen und damit eine Einigung vorbereiten. Dies werde voraussichtlich bis ins neue Jahr dauern, sagte von der Leyen.
Mindestlohn, Regelsätze, Bildung
Vor Beginn der zweiten und wohl letzten Verhandlungsrunde vor Weihnachten hatte die stellvertretende SPD-Vorsitzende Schwesig bekräftigt, es müsse mehr beim Mindestlohn, mehr bei den Regelsätzen und bei der Bildung erreicht werden. "In den drei Punkten muss die Regierung sich bewegen, sonst sind die Gespräche ganz schwierig", sagte auch der stellvertretende Grünen-Fraktionschef Fritz Kuhn. Schwesig hatte schon am Vortag einen Mindeststundenlohn von 8,50 Euro gefordert. Dadurch könnten dann viele Sozialleistungen entfallen, die jetzt noch vom Staat für Geringverdiener aufgebracht werden müssten.

Alles wird gut, sagt und hofft von der Leyen, die ihr Gesetz durch den Bundesrat bringen muss.
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Von der Leyen zeigte sich bereit, über den bislang von Union und FDP abgelehnten Mindestlohn zu diskutieren. Auch beim Bildungspaket signalisierte sie Entgegenkommen. Ihr Gesetzentwurf sieht ein Bildungs- und Teilhabepaket für 2,3 Millionen Kinder aus Hartz-IV-Familien vor. Damit sollen warme Schul- oder Kita-Essen, Nachhilfe und Ausflüge sowie die Mitgliedschaft in Vereinen bezuschusst werden. Die CDU-Politikerin bekräftigte, die Leistungen auch auf Kinder mit gering verdienenden Eltern ausweiten zu wollen. Sie verteidigte zudem erneut die von SPD und Grünen kritisierten Verwaltungsausgaben in dreistelliger Millionenhöhe, etwa für die Ausgabe von Bildungsgutscheinen. Damit würden Mitarbeiter bezahlt, "die sich kümmern", sagte von der Leyen.
Neue Berechnungsgrundlage?
In Verhandlungskreisen hieß es, das Bundesamt für Statistik solle eine Expertise zu versteckter Armut erarbeiten. Damit solle der Kreis weiterer Anspruchsberechtigter erfasst werden. Eine Einigungsmöglichkeit gebe es bei der Ausweitung der vom Bildungspaket begünstigten Kinder. Zu den stritten Fragen zählten Sanktionen für Hartz-IV-Empfänger, die Arbeitsangebote ausschlügen.
Von der Leyens Gesetzentwurf war am Freitag im Bundesrat an der fehlenden Mehrheit des Regierungslagers von Union und FDP gescheitert. Der Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat setzte noch am selben Tag die Arbeitsgruppe ein, die nun einen Kompromiss bei den Leistungen für die rund 4,5 Millionen erwachsenen Hartz-IV-Bezieher und ihrer Kinder finden soll. Das Bundesverfassungsgericht hatte die alten Regelungen gekippt und bis Ende des Jahres eine Neufassung verlangt.
"Statistischer Schrotthaufen"
Der Vorsitzende der nicht in der Arbeitsgruppe vertretenen Linkspartei, Klaus Ernst, kritisiert das Vermittlungsverfahren als "Kungelei auf dem Rücken der Betroffenen". Er forderte eine Regelsatzanhebung auf 420 Euro und einen gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 Euro pro Stunde.
Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbands, griff das geplante Bildungspaket für Kinder aus Hartz-IV-Familien scharf an: "Die Berechnungen des Bildungspakets sind ein statistischer Schrotthaufen", sagte er dem "Hamburger Abendblatt". Vieles sei immer noch beliebig gesetzt, ohne valide Zahlen, "beispielsweise die acht Euro pro Monat für Schulmaterial im Schulbasispaket".
Quelle: ntv.de, tis/dpa/rts/AFP