Neue Vorwürfe im Euro-Hawk-Skandal Hat die Bundeswehr Daten vernichtet?
02.06.2013, 17:57 Uhr
Aufgrund des fehlenden Kollisionsschutzes ließ de Mazière das Drohnen-Projekt stoppen.
(Foto: picture alliance / dpa)
Weiteres Ungemach für Verteidigungsminister de Maizière: Bundeswehr-Behörden sollen im Zusammenhang mit der Drohnen-Affäre offenbar wichtige Daten gelöscht haben. Unterdessen wächst auch die Kritik aus den Reihen der FDP.
In der Affäre um das gestoppte Euro-Hawk-Projekt wollten Bundeswehr-Behörden einem Bericht des "Spiegel" zufolge möglicherweise wichtige Vorgänge vertuschen. In den vergangenen sieben Tagen habe die für die Zulassung der Aufklärungsdrohne zuständige Behörde in Koblenz Anweisungen erteilt, umfangreiche Aktensammlungen als geheim einzustufen. In der Wehrtechnischen Dienststelle am Militärflugplatz von Manching in Bayern sei zudem angeordnet worden, Unterlagen auf Computern und Festplatten, die den Euro Hawk betreffen, zu löschen.
Das Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr habe die Anweisung bestätigt und damit gerechtfertigt, dass Verschlusssachen auf Datenträgern, "die nicht entsprechend gesichert sind, gelöscht werden", hieß es in dem Bericht. Die Weisung soll am vergangenen Montag ausgesprochen und am folgenden Tag wieder aufgehoben worden sein.
Nach Angaben des "Spiegel" war die Leitungsebene des Verteidigungsministeriums seit Februar des vergangenen Jahres über das ganze Ausmaß der Probleme mit dem Euro Hawk informiert. In einem vertraulichen Vermerk vom 8. Februar 2012 habe die Rüstungsabteilung des Ministeriums in einem vertraulichen Vermerk über den Stand des Rüstungsprojektes informiert. Die Beamten hätten in allen Details geschildert, warum Änderungen in erheblichem Umfang erforderlich wären, um eine Zulassung zu erlangen.
FDP: Einstellung aus der Presse erfahren
Die Bundeswehr widersprach den Vorwürfen umgehend. "Diese Darstellung ist falsch", sagte Bundesamts-Sprecher Andreas Nett. Die Vorgänge stünden im Zusammenhang mit der Ankündigung von Verteidigungsminister Thomas de Maizière, dem Bundesrechnungshof die Unterlagen zu "Euro Hawk" komplett zur Verfügung zu stellen. Dafür müssten sie als geheim eingestuft werden, was bereits damals berichtet worden war. Solche Daten dürften nach gültiger Rechtslage nicht auf jedem Computer bearbeitet werden, erläuterte der Sprecher weiter. Sie würden deshalb auf speziell gesicherte Rechner übertragen und von den anderen gelöscht. "Die Arbeits- und Auskunftsfähigkeit wird hierdurch nicht beeinträchtigt."
De Mazière war zuletzt unter Druck geraten, weil er das Euro-Hawk-Projekt wegen der hohen Kosten erst kürzlich stoppen ließ. Die SPD wirft ihm zudem vor, das Parlament nicht fristgerecht informiert zu haben. De Maizière will den Verteidigungsausschuss des Bundestages am Mittwoch über die Vorgänge um den Euro Hawk informieren.
Die FDP-Verteidigungsexpertin Elke Hoff warf de Maizière vor, er habe den Bundestag nicht in seine Entscheidung zum Stopp des Drohnen-Projektes einbezogen. Es wäre klug gewesen, "eine solch bedeutsame Entscheidung vorher mit allen zu besprechen, die es angeht", sagte sie dem "Tagesspiegel". Sie habe von der Entscheidung zur Einstellung des Projektes "zum gleichen Zeitpunkt wie die Presse" erfahren. Dass es bei einem so genannten Demonstrator, der noch kein Serienmodell ist, immer wieder zu Schwierigkeiten kommen kann, sei nicht unüblich, sagte Hoff. Dass es 2011 Probleme bei der Überführung von den USA nach Manching gegeben habe, sei aber vom Verteidigungsministerium ausdrücklich verneint worden. "Es wurde nie der Eindruck vermittelt, das Projekt stehe unmittelbar vor dem Scheitern", sagte Hoff.
Trittin fordert Untersuchungsausschuss
Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin forderte von de Maizière derweil eine umfassende Erklärung zur Euro-Hawk-Affäre. Ansonsten müsse ein Untersuchungsausschuss den späten Stopp der Beschaffung der Aufklärungsdrohne klären, sagte Trittin der "Süddeutschen Zeitung". De Maizière will am Mittwoch dem Verteidigungsausschuss des Bundestages Rede und Antwort stehen und dazu einen Bericht vorlegen.
Abgeordnete von Koalition und Opposition verlangen unterdessen Regress von den Herstellern. "Es kann nicht sein, dass wir zahlen und das Flugzeug wird nicht zugelassen. Kein vernünftiger Mensch kauft etwas, das nicht zugelassen ist", sagte der FDP-Haushaltspolitiker Jürgen Koppelin der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung". Inzwischen rückt ein weiteres ins Stocken geratenes Millionenprojekt des Verteidigungsministeriums in den Fokus. Der geplante Erwerb von 176 gepanzerten Fahrzeugen vom Typ "Eagle V" für rund 109 Millionen Euro liegt teilweise auf Eis.
General Dynamics statt Rheinmetall
Im Bundestags-Haushaltsausschuss hatten Union und FDP Mitte Mai die Anschaffung zum Teil gestoppt, obwohl die Bundesregierung den Bedarf bestätigt und in einer Ausschreibung bereits den günstigsten Anbieter ausgewählt hatte. Der CDU-Haushaltspolitiker Norbert Barthle bestätigte, dass mit schwarz-gelber Mehrheit beschlossen wurde, zunächst nur 100 Fahrzeuge zu kaufen - mit der Option, die restlichen 76 zu einem späteren Zeitpunkt nachzuordern. Im Vorfeld seien sehr viele Fragen aufgetaucht, sagte Barthle. Daher habe man sich für eine weitere "Nachdenkphase" entschieden. Der zuständige Berichterstatter der Grünen, Tobias Lindner, äußerte die Befürchtung, dass der veränderte Auftrag nun womöglich noch einmal komplett neu ausgeschrieben werden müsse.
Bei der Vergabe hatte sich der amerikanische Rüstungskonzern General Dynamics gegen das deutsche Konsortium aus Rheinmetall und Krauss-Maffei durchgesetzt. Die Schweizer General-Dynamics-Tochter Mowag hatte auch schon das Vorgängermodell produziert, das die Bundeswehr unter anderem in Afghanistan einsetzt. Spekulationen, wonach Schwarz-Gelb dem deutschen Hersteller eine zweite Chance habe eröffnen wollen, bezeichnete Barthle als "Fehlinterpretation".
Quelle: ntv.de, cro/dpa/AFP